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Das Apodiktische Recht
Das Apodiktische Recht




Berend Meyer

Kohlhammer
EAN: 9783170311299 (ISBN: 3-17-031129-8)
208 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2017, 4 Abb.

EUR 79,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das sogenannte "apodiktische Recht" des Alten Testaments erscheint in seiner klarsten sprachlichen und inhaltlichen Form im Dekalog. Im biblischen Kontext steht es damit am Anfang der mosaischen Rechtsordnung, rechtshistorisch ist es jedoch sehr spät entstanden und bildet den Abschluss und nicht den Anfang der israelitischen Rechtsentwicklung: Nicht nur der Dekalog, auch das apodiktische Recht insgesamt kann aus historischen, sprachlichen und vor allem rechtshistorischen Gründen nicht in der Frühzeit Israels entstanden sein. Es ist erst in spätvorexilischer Zeit formuliert und wie eine heutige Verfassung der Rechtsordnung vorangestellt worden. Der in der Arbeit erstmals vorgenommene direkte verfassungsrechtliche Vergleich ergibt, dass der Dekalog inhaltlich und insbesondere in seiner juristischen Funktion fast deckungsgleich einer modernen Verfassung entspricht. Die späte Schaffung des Dekalogs als übergeordnete "Verfassung" innerhalb einer Hierarchie von Rechtsnormen stellt eine einmalige, nirgendwo sonst verwirklichte rechts- und kulturhistorische Leistung Israels dar, die sich erst 2.500 Jahre später im Zuge der europäischen Aufklärung wiederholen sollte. Das Entscheidende am Dekalog ist deshalb nicht sein zeitbedingter Inhalt, sondern seine rechtliche Funktion.

Dr. Berend Meyer ist Theologe und Richter im Ruhestand.
Rezension
Im Alten Testament wird zwischen zwei zentralen Rechtsformen unterschieden: dem sog. Apodiktischen Recht, das - wie der Name sagt - grundsätzlich und uneingeschränkt gilt, wie es sich exponiert im Dekalog, den Zehn Geboten findet, z.B. in der Formulierung "Du sollst nicht töten", und dem sog. Kasuistischen Recht, das - wie der name sagt - Rechtsfälle (Kasus) formuliert in Form von "wenn ... dann"-Formulierungen. Der Alttestamentler und Hermann Gunkel-Schüler Albrecht Alt hatte 1934 in seiner bedeutenden Studie "Die Ursprünge des israelitischen Rechts" diese Unterscheidung herausgestellt. Die hier anzuzeigende Studie ist nicht thologisch sondern rechtshistorisch angelegt und zeigt, dass das sog. Apodiktische Recht keineswegs eine frühe Form israelitischen Rechts darstellt sondern erst in spätvorexilischer Zeit formuliert und wie eine heutige Verfassung der Rechtsordnung vorangestellt worden ist.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die "Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament" (BWANT) umfassen alt- und neutestamentliche Untersuchungen, aber auch Arbeiten zur frühjüdischen und frühchristlichen Literatur sowie zu religions- oder sozialgeschichtlichen Problemen der Bibel und ihrer Umwelt.
Die Reihe wurde 1908 mit zunächst alttestamentlichem Schwerpunkt von Rudolf Kittel gegründet ("Beiträge zur Wissenschaft vom Alten Testament") und von Albrecht Alt, Gerhard Kittel, Leonhard Rost, Karl Heinrich Rengstorf, Siegfried Herrmann, Horst Balz und Walter Dietrich fortgeführt. Seit der dritten Folge (Band 37, 1926) wurde das Neue Testament mit einbezogen. Mit der zehnten Folge (Band 181) hat sich der Herausgeberkreis erweitert. In seiner neuen Zusammensetzung bildet sich die ökumenische Öffnung ab, die die Reihe im Autoren- und Themenkreis längst erfahren hat.
Die über 200 Bände der Reihe umfassen Dissertationen und Habilitationsschriften, aber auch Arbeiten arrivierter Forschender sowie Sammelbände zu unterschiedlichsten Spezialthemen wie übergreifenden Fragestellungen. Probleme der Septuaginta, Beziehungen zwischen Frühjudentum und Urchristentum, hermeneutische und textlinguistische Fragestellungen setzen neue Akzente. Die Reihe richtet sich an Fachgelehrte und Fachbibliotheken, aber auch an Studierende sowie an theologisch, literarisch und historisch Interessierte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 5

1. Teil:
Forschungsgeschichte des apodiktischen Rechts 11


I. Einleitung 11

II. A. Alt: Die Entdeckung des Apodiktischen Rechts 17

1. Kasuistisches und Apodiktisches Recht 17
2. A. Alt und die heutige Forschung 26

III. Weitere Forschung 29

1. Sprachliche Untersuchungen 29
2. Altorientalischer Rechtskreis, Hethitische Staatsverträge 32
3. Amphiktyonie 33
4. E. Gerstenberger: „Sippenethos“ 38
5. G. Fohrer: „Lebens- und Verhaltensregeln“ 41

IV. Heutiger Forschungsstand 43

1. Fr. Crüsemann: „Bewahrung der Freiheit“ 43
2. Fr. Crüsemann: „Die Tora“ 48
3. E. Otto: „Ausdifferenzierung“ 52
4. B. S. Jackson: „Semiotik“ 55
5. Eun-Ae Lee: „Grundnormen“ 57

V. Zusammenfassung 61

Zweiter Teil:
Untersuchung einer eigenständigen Herkunft 71


I. Problem und These 71

1. Historische Gründe 74
2. Sprachhistorische Gründe 75
3. Rechtsgeschichtliche Gründe 75

II. Das geschichtliche Problem 77

1. Bibel und Archäologie 77
2. Die Geschichte Israels im 12. und 11. Jahrhundert 80
Exkurs 1: Die Patriarchen 81
1. Die Suche nach den historischen Patriarchen 81
2. J. Assmann und die Patriarchen 83
3. Ergebnis 100
Exkurs 2: Die Historizität des Exodus? 104
Exkurs 3: Bauern, Hirten und Nomaden 106

III. Das sprachhistorische Problem
(Quadratschrift, Dialekt, Textgeschichte) 115

IV. Das rechtshistorische Problem 117

1. Die komparative Methode 117
2. Recht in segmentären Gesellschaften 120
a) Reziprozität 122
b) Konfliktbeilegung durch Schlichtung 123
c) Die „faktische Kraft des Normativen“ 124
d) Relativität des Rechts 124
3. Ergebnis 125
V. Zusammenfassung und Ergebnis
(Späte Entstehung des apodiktischen Rechts) 129
1. Historische Gründe 129
2. Sprachliche Gründe 131
3. Rechtsgeschichtliche Gründe 131
4. Ergebnis 132

Dritter Teil:
Das apodiktische Recht als Verfassung 135


I. Die Entwicklung der Menschenrechtsidee 137

Exkurs 4: Die Menschenrechte als Individualrechte 148
Exkurs 5: Amos 150
1. Amos und die Menschenrechte 150
2. Amos und das apodiktische Recht 152

II. Die Entwicklung des Verfassungsgedankens 157

III. Verfassungscharakter des apodiktischen Rechts 171

1. Entstehungszeiten 172
2. Legitimation 176
3. Gottesbezug 179
4. Vertragscharakter / Bund 184
5. Grundrechtskatalog 185
6. Hierarchie der Rechtsnormen 192
7. Rechtswirklichkeit 194
8. Geltendes Recht 195

IV. Ergebnis 197

Literaturverzeichnis 201

Register 207
Namen- und Sachregister 207
Bibelstellen in Auswahl 208