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Cyberwar@Drohnenkrieg Neue Kriegstechnologien philosophisch betrachtet
Cyberwar@Drohnenkrieg
Neue Kriegstechnologien philosophisch betrachtet




Michael Funk, Silvio Leuteritz, Bernhard Irrgang (Hrsg.)

Reihe: Technologien Philosophieren


Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826060434 (ISBN: 3-8260-6043-1)
346 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, April, 2017

EUR 48,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
"Denn wie die Angreifer nach Mitteln sinnen, durch die sie die Oberhand gewinnen können, so stehen den Verteidigern einige Erfindungen schon zur Verfügung, anderes müssen sie noch suchen und sich erdenken."

Aristoteles, Politik, VII 11, 1331a



"Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen. Die Gewalt rüstet sich mit den Erfindungen der Künste und Wissenschaften aus, um der Gewalt zu begegnen."

Clausewitz, Vom Kriege, 1. Buch, 1. Kapitel, 2.



Was bedeuten neue technische Mittel wie Computer, Roboter oder Drohnen für Begriff und Ethik des Krieges heute? Vorliegendes Buch versammelt hierzu interdisziplinäre Antwortversuche, die im Bereich Technikphilosophie der TU Dresden 2013-2016 erarbeitet wurden.

www.funkmichael.com
Rezension
Im April 2018 wurde von der UN über das Verbot sogenannter „autonomer Waffen“ diskutiert. Bei dieser Waffengattung handelt es sich um Drohnen, also um technische Kombinationen von Computer und Roboter. Die Debatte um den Einsatz von „unbemannten Fluggeräten“ in Kriegen besitzt nicht nur eine technische, politische, ökonomische und rechtliche Dimension, sondern primär eine technikphilosophische und technikethische. Die Befürworter eines Einsatzes von „autonomen Waffen“ locken mit dem Versprechen einer humanen und optimierten Kriegsführung, da ihrer Ansicht nach mit besseren, d. h. treffsicheren Waffen die Kollateralschäden reduziert werden könnten. Gegner des Einsatzes von Drohnen wie die „Campaign to Stop Killer Robots“ warnen dagegen vor einem kaum mehr begrenzbaren Kriegen und vor der Delegation von Verantwortung an Maschinen. Vier „Megatechnologietrends“(Mey), nämlich die Nanotechnologie, die Biotechnologie, die Entwicklung von „Künstlicher Intelligenz“ und die Robotik führen zu Veränderungen in der Drohnentechnologie, so dass in der Zeit „Neuer Kriege“ die Notwendigkeit einer „Drohnenethik“(Funk) zurecht gefordert wird. Da Drohnen immer Teil eines Netzwerkes bilden, ist eine „Drohnenethik“ auf die Informations-, die Medien- und die Roboterethik angewiesen. Folgende philosophische und ethische Fragen werden durch den kriegerischen Einsatz von Drohnen u.a. aufgeworfen: Welches Menschenbild und welche Weltanschauung liegt dem Einsatz zugrunde? Welche Mensch-Mensch-Interaktion ergibt sich? Wer trägt die Verantwortung, wer haftet? Wie ist eine Ethik zu gestalten, wenn Maschinen zu autonomen Subjekten erhoben werden?
Fundiertes technikphilosophisches und -ethisches Reflexionswissen zum Drohnenkrieg und zum Cyberwar – man denke nur an die Attacken auf den deutschen Bundestag - gewinnt man durch Lektüre des Werkes „Cyberwar@Drohnenkrieg. Neue Kriegstechnologien philosophisch betrachtet“, das auf unterschiedliche Veranstaltungen an der TU Dresden zwischen 2013 und 2016 zurückgeht. Die fachlich fundierten Beiträge des Bandes basieren auf einem bestimmten technikphilosophischen Ansatz, dem zufolge diese philosophische Teildisziplin sich durch einen Methodenpluralismus auszeichnet, der eine Verschmelzung von Aspekten theoretischer und praktischer Philosophie mit philosophiegeschichtlichen Methoden erfordert.
Sehr hilfreich für eine „Drohnenethik“ ist die von Michael Funk vorgenommene Einteilung in zwei Typen ferngesteuerter Drohnen, in „Hochdistanz-Drohnen“ und „Kurzdistanz-Drohnen“ sowie seine Klassifizierung von „Formen technischer Werkzeuge“ in sechs Kategorien, die sich voneinander durch unterschiedliche Autonomiegrade unterscheiden. Drohnen lassen sich demnach drei verschiedenen Kategorien technischer Werkzeuge zuordnen, nämlich die mit „eingebetteter technischer Autonomie“ zugehörig zur Kategorie 4, die mit „technischer Semiautonomie“ zugehörig zur Kategorie 5 und solchen mit vollständiger „Autonomie“ zugehörig zur Kategorie 6. Diese Kategorisierung ist für die technikethische Betrachtung von Drohnen fundamental, denn nach Funk lassen sich nur „Formen technischer Werkzeuge“ bis zur Kategorie 4, welche auch bestimmte zurzeit noch vorherrender Drohnentypen umfasst, mit dem traditionellen „Werkzeugkoffer“ der Moralphilosophie technikethisch analysieren. Schwierig wird es bei Drohnenformen, die der Kategorie 5 oder 6 angehören, also solchen, die ihr Ziel selbst suchen oder absolut autonom agieren. Denn bei diesen Fluggeräten werden aufgrund der Funkübertragungen algorithmisch generierter Ergebnisse in Millisekunden ethische Entscheidungsprozesse per se in Frage gestellt bzw. sogar unterlaufen. Deshalb plädiert Funk zurecht für ein grundsätzliches Verbot von Drohnen dieser Kategorien. Außerdem reaktualisiert er angesichts der weltweiten Zunahme von Kriegshandlungen Einsichten von Aristoteles zu Krieg und Frieden aus seiner „Politik“, beispielsweise dass der Frieden Ziel des Krieges und dass Muße fundamental für einen friedlichen Staat ist.
Der von Michael Funk, Silvio Leuteritz und Bernhard Irrgang bei „Königshausen & Neumann“ herausgegebene Band „Cyberwar@Drohnenkrieg“ beleuchtet die höhst aktuelle Problematik neuester Kriegstechnologie interdisziplinär und differenziert. Das fachlichwissenschaftliche Werk fordert Philosophie- und Ethiklehrkräfte geradezu auf, Unterrichtsmaterialien zum Thema „Drohnenkrieg“ oder „Cyberwar“ zu entwickeln und in der Unterrichtspraxis auszuprobieren, um Schülerinnen und Schülern in ihrer ethischen Urteilsbildung in Bezug auf Krieg und Frieden zu fördern.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
M. Funk: Einleitung: Immer wieder nachdenken über Krieg – I. Cyberwar @ Drohnenkrieg – Technologien und Krieg – H. H. Mey: Zur Rolle von Technologie in zukünftigen Konflikten – M. Funk: Zeit als Element technologischer Kriegsführung – Computer und Informationstechnologien – B. Irrgang: Internetkriminalität und Cyberwar - technologische Macht angesichts neuer Dimensionen des Virtuellen und die Zukunft der Informations- Gesellschaft – S. Köpsell / T. Strufe: Aktuelle (Un) Sicherheitssituation(en) kritischer Infrastrukturen in Deutschland – Roboter und Drohnen – D. Suárez Bustamante: Robotisierung der Kriegsführung und moralische Auswirkungen der tödlichen autonomen Roboter – M. Funk: Drohnen und sogenannte ‚autonom-intelligente‘ Technik im Kriegseinsatz. Philosophische und ethische Fragestellungen – II. Begriffe und Konzepte – „Alte“ und „Neue“ Kriege – W. Scheler: Friedensphilosophie und Militär – F. Frenzel: Zur europäischen Debatte um den Begriff der Neuen Kriege – S. Leuteritz: Cyber@War - Versuch einer Begriffserklärung im Kontext der „Neuen Kriege“ – Terrorismus und die Kombattantenfrage – M. Weinhold: Begriffe und Geschichte(n) des Terrorismus – M. Weinhold: Ansätze im gesellschaftlichen und politischem Umgang mit Terrorismus heute und daraus resultierende ethische Problemstellungen – S. Fritsch: Der Kombattantenbegriff – Terminologie und Anwendung
Die Herausgeber Michael Funk (www.funkmichael.com) hat an der TU Dresden Philosophie, Germanistik und Geschichte studiert; von 2007 bis 2015 war er hier Tätig als Wissenschaftler und Hochschullehrer im Bereich der Technikphilosophie. Seit 2016 wirkt er als Universitätsassistent am Lehrstuhl für Medien- und Technikphilosophie an der Universität Wien. Silvio Leuteritz ist Doktorand an der Professur für Technikphilosophie der TU Dresden, die seit 1993 von Prof. Bernhard Irrgang vertreten wird. Prof. Bernhard Irrgang lehrt Technikphilosophie, Kulturtheorie der Technik, Grenzfragen Biologie/ Philosophie; Erarbeitung einer umfassenden Biophilosophie.
Inhaltsverzeichnis
Michael Funk: Einleitung: Immer wieder nachdenken über Krieg 9
Cyberwar @ Drohnenkrieg
Technologien und Krieg
Holger H. Mey: Zur Rolle von Technologie in zukünftigen Konflikten 25
Michael Funk: Zeit als Element technologischer Kriegsführung 59
Computer und Informationstechnologien
Bernhard Irrgang: Internetkriminalität und Cyberwar. Technologische Macht angesichts neuer Dimensionen des Virtuellen und die Zukunft der Informations-Gesellschaft 87
Stefan Köpsell/Thorsten Strufe: (Un)Sicherheitssituation(en) kritischer Infrastrukturen in Deutschland 113
Roboter und Drohnen
Damián Suárez Bustamante: Robotisierung der Kriegsführung und moralische Auswirkungen der tödlichen autonomen Roboter 133
Michael Funk: Drohnen und sogenannte ‚autonom-intelligente‘ Technik im Kriegseinsatz. Philosophische und ethische Fragestellungen 163
Begriffe und Konzepte
„Alte“ und „Neue“ Kriege
Wolfgang Scheler: Friedensphilosophie und Militär 199
Friederike Frenzel: Zur europäischen Debatte um den Begriff der Neuen Kriege 219
Silvio Leuteritz: Cyber@War. Versuch einer Begriffserklärung im Kontext der „Neuen Kriege“ 239
Terrorismus und die Kombattantenfrage
Marco Weinhold: Begriffe und Geschichte(n) des Terrorismus 275
Marco Weinhold: Ansätze im gesellschaftlichen und politischem Umgang mit Terrorismus heute und daraus resultierende ethische Problemstellungen 301
Stefan Fritsch: Der Kombattantenbegriff. Terminologie und Anwendung 317