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Bildungsprozesse und Fremderfahrung Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsrozesse
Bildungsprozesse und Fremderfahrung
Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsrozesse




Hans-Christoph Koller, Winfried Marotzki, Olaf Sanders (Hrsg.)

Transcript
EAN: 9783899425888 (ISBN: 3-89942-588-X)
260 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, November, 2007

EUR 25,80
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Um die Jahrtausendwende wurde in der Erziehungswissenschaft diskutiert, ob der traditionelle Bildungsbegriff nicht eher durch den Begriff „Lernen“ ersetzt werden sollte. Gerade Vertreter einer postmodernen Pädagogik kritisierten das Festhalten am Projekt „Bildung“ als überholt; einher ging damit eine Kritik am klassischen Hermeneutikverständnis. Dass postmoderne Ansätze und hermeneutische Konzepte in der Pädagogik miteinander vereinbart werden können, ohne auf den Bildungsbegriff zu verzichten, belegt m.E. der von Hans-Christoph Koller, Winfried Marotzki und Olaf Sanders 2007 herausgegebene Band „Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse.“ Die Texte des Buches gehen zurück auf eine Tagung im September 2005, die anlässlich der Emeritierung von Rainer Kokemohr in Hamburg durchgeführt wurde. Der Erziehungswissenschaftler legte in seinen Schriften eine Reformulierung des Humboldtschen Bildungsbegriff vor. Er vertrat nämlich eine „Auffassung von Bildung als Transformationsprozess, in dem das Welt- und Selbstverständnis eines Menschen durch die Konfrontation mit neuartigen Problemlagen eine weitreichende Veränderung erfährt“(S. 7). Einen Einblick in seinen Ansatz gibt der Beitrag in dem Tagungsband „Bildung als Welt- und Selbstentwurf im Anspruch des Fremden“, indem Kokemohr insbesondere die Schriften Jacques Lacans und Paul Ricoeurs rezipiert.
Die weiteren Abhandlungen des Buches stammen von Schülern oder Kollegen des Hamburger Pädagogen, die sich im weitesten Sinne mit dem Thema „Bildung und Alterität“ beschäftigen. So erinnert die Vertreterin einer phänomenologischen Pädagogik, die Professorin Käte Meyer-Drawe, an das Verhältnis von „Bildung und Versagung“. Das Fremde begreift sie als „das Lebenselixier von Bildung, Identität dagegen ihr Ende.“(S. 92) Winfried Marotzki, Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Magdeburg, erläutert am Beispiel des Films „Der Spiegel“(1975) von Andrej Tarkowskij die Bedeutung des Bildmediums für biographische Bildungsprozesse. Auch Olaf Sanders setzt sich in seinem Beitrag mit dem Thema „Filmbildung“ auseinander. Verschiedene Facetten des Angstbegriffs beleuchtet der Text mit dem Titel „Angst – Augen – Blick“, in dem u.a. eine Filmszene aus Alfred Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ mit Hilfe von Lacans Ansatz interpretiert wird.
Fazit: In dem Band „Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung“ aus dem „transcript Verlag“ werden Umrisse einer Bildungstheorie vorgestellt, welche den Fremdheitserfahrungen des Menschen angemessen Rechnung tragen. Angesichts der Aktualität des Themenkomplexes „Interkulturalität, Alterität und Bildung“ verdient das Buch auf Seiten der Bildungstheoretiker Beachtung.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Im Zentrum dieses Bandes steht ein Begriff von "Bildung", der Bildungsprozesse als Veränderungen von Grundfiguren des Welt- und Selbstverhältnisses begreift, die sich in Auseinandersetzung mit der Erfahrung des Fremden vollziehen. Konzepte von Waldenfels, Ricoeur und Lacan aufnehmend, entfalten die Beiträger/-innen diesen Bildungsbegriff theoretisch und diskutieren ihn aus unterschiedlichen Perspektiven mit Bezug auf Beispiele aus interkultureller Kommunikation, Psychoanalyse und Film.

Hans-Christoph Koller (Prof. Dr. phil.) lehrt Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind Bildungstheorie und Qualitative Bildungsforschung.
Winfried Marotzki (Prof. Dr. phil.) lehrt Allgemeine Pädagogik an der Universität Magdeburg. Seine Arbeitsgebiete sind Lern- und Bildungstheorie (bes. Medienbildung), Anthropologie, Qualitative Forschungsmethoden sowie Audiovisuelle Kommunikation.
Olaf Sanders (Dr. phil.) ist Studienrat im Hochschuldienst am Seminar für Pädagogik der Universität zu Köln. Seine Arbeitsgebiete sind Bildungstheorie, Phänomene der Pop-Kultur und Cultural Studies.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
HANS-CHRISTOPH KOLLER, WINFRIED MAROTZKI, OLAF SANDERS

Bildung als Welt- und Selbstentwurf 13
im Anspruch des Fremden.
Eine theoretisch-empirische Annäherung
an eine Bildungsprozesstheorie
RAINER KOKEMOHR

Probleme einer Theorie 69
transformatorischer Bildungsprozesse
HANS-CHRISTOPH KOLLER

„Du sollst dir kein Bildnis noch Gleichnis 83
machen...“ – Bildung und Versagung
KÄTE MEYER-DRAWE

Bildungsprozesse – Zwischen erfahrener 95
Dezentrierung und objektivierender Analyse
ALFRED SCHÄFER

Andere Fremde. 109
Annotationen zur Erforschung kultureller Differenz
und interkultureller Kommunikation im Rahmen einer
relationalen Hermeneutik
JÜRGEN STRAUB

Modi komplexer und längerfristiger 141
Lernprozesse.
Beobachtungen und Überlegungen zu einer
Theorie des Lernens und der Bildung
THEODOR SCHULZE

Lehren als Moment im Bildungsprozess 161
KARL-JOSEF PAZZINI

Über das schwierige Finden der verlorenen Zeit. 181
Biographisierungsprozesse im Film aus
bildungstheoretischer Perspektive
WINFRIED MAROTZKI

Filmbildung. 199
Zur filmischen Untersuchung von Bildungsprozessen
am Beispiel von Broken Flowers und Don’t Come Knocking
OLAF SANDERS

Angst – Augen – Blick 219
TIM SCHMIDT, TANJA TREDE-SCHICKER, GEREON WULFTANGE

Anhang
Transkription der Diskussion 239
über Rassismus (Auszug)

Transkription des biographischen 251
Interviews mit „Bernard“ (Auszug)

Autorenverzeichnis 255