Ben Willikens (*1939) zählt zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwartsmalerei. Er studierte zunächst Philosophie und Literaturwissenschaft, dann Malerei in Stuttgart und London. 1970 und 1972 erfolgten ein einjähriger Aufenthalt in Florenz und Rom. Ab 1982 war Willikens Professor für Malerei und Grafik an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, von 1991 bis 2004 an der Akademie der Bildenden Künste, München. Der vielfach ausgezeichnete Künstler gilt aufgrund seiner als Grisaillen ausgeführten Bilder von Räumen (z. B. Triptychon „Abendmahl“(1976-1979), „Anstaltsbilder“, „Räume der Moderne“, „Orte“ und „Gegenräume“) als der „Graue Star“ unter den Malern.
Seine Bildgestaltung führt der Künstler in seinen autobiographischen Reflexionen auf zwei existenzielle Erlebnisse zurück, die Bombardierung Leipzigs und den fast einjährigen Aufenthalt in der Psychiatrie. In seinen als Grisaillen ausgeführten, menschenleeren Raumbildern versinnbildlicht er die „transzendentale Obdachlosigkeit“(Lukács) des modernen Menschen, die Stellung des Menschen in einer von Sinnverlusten gekennzeichneten Welt, in einer Welt nach dem Ende der Religion und in der auch die Frage nach dem Ende der Philosophie gestellt wird. Willkens` Sichtweise auf die Welt und den Menschen kommt in seinem Zitat zum Ausdruck: „Die Welt ist eine Anstalt und der Mensch ihr Insasse.“ Als Hauptproblem der Inhumanität identifiziert er „anonyme Machtausübung“.
Versinnbildlicht werden diese Aussagen des Künstlers durch seine Arbeiten in der Retrospektive „Ben Willikens Kälte – Räume Cold – Chambers”. Diese war vom 4.3.2022 bis zum 1.5.2022 in der Albertina in Wien zu sehen. Werke aus Willikens`„Anstaltsbildern”, „Orte 2”, „Räume der Moderne” sowie das „Abendmahl” und andere leere Räume konnten dort bestaunt werden. Zu dieser sehenswerten Austellung ist im Kerber Verlag ein hervorragender deutsch-englischer Bildband erschienen, herausgegeben von Klaus Albrecht Schröder, Generaldirektor der Albertina und von seiner Wissenschaftlichen Assistentin Constanze Malissa. Zur Erschließung des Werks des Künstlers hilfreich sind auch der Text von Walter Grasskamp und das Interview von Sandy Willikens mit ihrem Vater.
Lehrkräfte der Fächer Bildende Kunst und Philosophie werden durch das Buch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht mit dem Œuvre von Willikens problemorientiert auseinanderzusetzen. Anhand von Willikens` Werken lässt sich über Freiheitsspielräume des Menschen in der Spätmoderne diskutieren. Verständlich werden seine Werke erst durch das Identifizieren seiner kunstgeschichtlichen Vorbilder und der von ihm zitierten historischen Orte der Inhumanität. Voraussetzung dafür ist, dass diese im kulturellen Gedächtnis präsent sind. Willikens` Werke weisen durch ihre historische Zitation - Kunst als „Kunst über Kunst“- einen doppelten Bezug zur Geschichte auf.
Fazit: Der zweisprachige Ausstellungskatalog „Ben Willikens Kälte-Räume” verdient einen Platz in jeder guten Bibliothek zur Gegenwartskunst.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Ben Willikens
Kälte – Räume
Seine großformatigen Gemälde, die zumeist streng komponierte, menschenleere Räume zum Hauptmotiv haben, machten Ben Willikens (*1939) in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre berühmt. Die Ausstellung und der dazugehörige Katalog zeigen knapp fünfzig Werke, die zwischen 1971 und 2021 entstanden sind, und spannen so einen Bogen über das gesamte Œuvre des Künstlers. Drei Werkgruppen bilden die Hauptsäulen: Die Anstaltsbilder der 1970er Jahre, in denen Willikens einen düsteren Abschnitt seines Lebens motivisch verarbeitet sowie die Serien ORTE und ORTE 2, die Willikens´ Auseinandersetzung mit der Architektur der NS-Zeit zum Thema haben. Darüber hinaus werden einige Arbeiten aus dem Zyklus Räume der Moderne präsentiert.

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