lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Beherzte Freiheit
Beherzte Freiheit




Paul Kirchhof

Herder Verlag
EAN: 9783451811838 (ISBN: 3-451-81183-9)
367 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, September, 2018

EUR 26,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Beherzte Freiheit!
Diese Selbsvergewisserung unserer freiheitlichen Demokratie von einem ihrer prominentesten Wächter, dem Verfassungsrichter Paul Kirchhof, kommt zur richtigen Zeit: Wenn sich latenter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft einzunisten drohen, wenn Konsum und Ökonomie zu Ideologien werden ohne Rücksicht auf die ökologischen Auswirkungen, braucht es eine Rückbesinnung auf die gemeinsame Grundlage unserer Gesellschaft: Freiheit, Solidarität und die unantastbare Menschanwürde.

Wer aber von Kirchhofs Buch ein leicht konsumierbares(!) flammendes Plädoyer erwartet, wird enttäuscht.
367 engbeschriebene Seiten und ein kleinschrittiges und vielseitiges Inhaltsverzeichnis bilden eher eine umfangreiche rechtsphilosophische und kulturgeschichtliche Gesamtschau zur Freiheit.
Ein Buch zum Durcharbeiten mit vielen Details und Zusammenhängen.
Es ist auch ein Nachschlagewerk zur Selbstvergewisserung, ein Lehrbuch, vermutlich zu anspruchsvoll um die breite Masse der Menschen zu erreichen.

Trotzdem wäre es wünschenswert, dass alle Menschen die Essenz Kirchhofs Gedanken verinnerlichen würden: Freiheit ist Pflicht und Aufgabe jeden einzelnen Menschen. Jeder ist verantwortlich für das, was in unserer Gesellschaft geschieht und jeder ist Gestalter seines Lebens. Das ist anstrengend, aber die einzige Möglichkeit. Und dieses mitgestaltende, beherzte Eintreten für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, das uns zu wahrhaft freien Menschen macht, ist so letztlich die Grundlage für ein glückendes, sinnhabendes Leben.

Christoph Ranzinger, lehrerbilbiothek.de
Verlagsinfo
Was wir selbst verantworten sollten – und was nicht

Paul Kirchhof plädiert für eine neue Kultur der Freiheit. An zahlreichen Beispielen zeigt er, wie uns Recht und Politik aus falschem Wohlmeinen einschränken und wie wir uns dem fügen, wie uns Globalisierung und Digitalisierung von handelnden Subjekten zu lenkbaren Objekten machen. Wenn wir die Sorge für die Freiheit allein dem Staat überlassen, verkümmert die innere Kraft zur Freiheit. Wir müssen wieder unterscheiden zwischen dem, was ein demokratischer Staat zur Gewährleistung der Freiheit tun kann, und dem, was wir selbst dazu beitragen müssen. Echte Freiheit, so zeigt Kirchhof, lässt sich in einer an Gütern, Chancen und Informationen übervollen Gesellschaft nicht allein durch Verbesserung unserer äußeren Lebensbedingungen gewinnen. Die Menschen brauchen wieder Mut zur Freiheit, aber auch Gleichmut gegen sich selbst. Das Buch weist einen neuen Weg zu einer beherzten und verantworteten Freiheit.
Inhaltsverzeichnis
Ein einführendes Wort 13

I. Freiheit von Fremdbestimmung und Herrschaft über sich selbst 17

1. Beherzt denken 18

2. Freiheit und Staat 23
a. Von der Freiheit der Wölfe zur Freiheit der Vernünftigen 23
b. Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit . 25

3. Die innere Kraft zur Freiheit 26
a. Freiheit als Wagnis 26
b. Freiheitsrecht und Freiheitsethos 27
c. Verstand und Unvernunft 29

4. Freiheit und Grenzen 30
a. Freiheit als begrenztes Recht 30
b. Freiheit und Staatsgrenzen 31
c. Flucht und Zuflucht 32
d. Aufbau freiheitsgerechter Lebensbedingungen 36

5. Reichtum des Armen und Armut des Reichen 38

6. Geregelte, gelenkte und selbstbestimmte Freiheit 39
a. Gesetz, Anreiz, Eigenmotiv 39
b. Individuelle Freiheit und gesamtwirtschaftliche Daten 41
c. Der goldene Zügel: das anstrengungslose Einkommen 43
d. Nähe und Distanz von Staat und Wirtschaft 46

7. Freiheit als Gemeinschaftskultur und individueller Auftrag . 47



II. Gelassenheit befreit 49

1. Der Tanz auf dem Seil 50

2. Idealisierte Freiheit: Selbstlosigkeit und Selbstvergessenheit 51

3. Distanz zum Alltäglichen und Harmonie unter Freunden 53

4. Gelassenheit in Jugend und Alter 55

5. Aufmerksam für das Ungewisse 57

6. Muße 60
a. Einstimmung auf Aufgaben in Staat und Gesellschaft 61
b. Muße und Müßiggang 61
c. Spielerische Muße 62
d. Arbeit und Muße 62

7. Gelassenheit stärkt Freiheit 63



III. Die Kraft der Freiheitsidee in der Entwicklung zum Verfassungsstaat 65

1. Der Philosoph arbeitet auf Papier, die Zarin auf menschlicher Haut 66

2. Gelassene Freiheit in der Antike 68
a. Sokratische Mäßigung . 68
b. Epikureische Ausgeglichenheit . 69
c. Stoische Gelassenheit 70
d. Rom: Gelassenheit im Recht 70

3. Das Wiederaufleben der autonomen Persönlichkeit 71
a. Wiedergeburt des Schöpferischen, Aufbruch des idealisierenden Menschen 72
b. Die »reine Lehre« unmittelbarer Gottesbeziehung 73
c. Vernunftbestimmter Neuanfang 74
d. Der späte Blick auf den Untergang Roms 76

4. Diktat der Vernunft und Hoffnung auf vernünftige Freiheit . 81

5. Das Fanal einer neuen Zeit in Deutschland 83
a. »So viel Anfang war nie« 84
b. Die Kraft einer Nation ohne Staat . 87
c. Erlösung im Untergang 88

6. Freiheit in staatlicher Einheit . 91
a. Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 . 91
b. Die Weimarer Verfassung . 917. Der Nationalsozialismus . 93

8. Aus schier auswegloser Lage zu Wertordnung und Wirtschaftswunder . . . . . . 94

9. Der Rechtsstaat wagt allgemeines Freiheitsvertrauen . 96

10. Der Fall der Mauer . 99

11. Der rechtliche Umbruch braucht den Mut zur Freiheit . 101

IV. Der freie Mensch muss Ungewissheiten ertragen 103

1. Fragen an das Orakel . 104

2. Der Mensch muss fragen, aber Unbegreifbares ertragen 105

3. Wesentliche Fragen bleiben offen 106

4. Hoffen und Vertrauen . 108

5. Vergessen und Erinnern 110

6. Das Bilden von Werten ohne die Frage nach dem Warum . 112

7. Freiheit in der Selbstbescheidung 113



V. Freiheit, Gleichheit, Sicherheit . 115

1. Das schwankende Boot 116

2. Brüderlichkeit, Solidarität, Sicherheit . 117

3. Freund und Feind: Frieden 121

4. Vom Freiheitsaufbruch zum Freiheitsalltag . 125
a. Der Staat gestaltet Freiheitsvoraussetzungen und ist rechtlich gebunden 125
b. Freiheit ins Ungewisse . 126
c. Freiheit heißt, sich unterscheiden zu dürfen 127
d. Freiheit ist notwendig, nicht geboten 127
e. Freiheit fordert die Kraft zur Bindung 127
f. Freiheit verlangt Mut 129

5. Gleichheit fordert Unterscheidungen 129
a. Das Gesetz als Instrument des Unterscheidens . 129
b. Rechtfertigung gesetzlicher Unterscheidungen 130
c. Unterscheidung nach Ziel der Regelung 131
d. Generelle Norm und individuelle Billigkeit 132
6. Der Staat gewährt Sicherheit, nicht Glück 133
7. Zusammenklang von Freiheit, Gleichheit, Sicherheit . 134
a. Abwehr von Freiheitseingriffen und Schutz vor Freiheitsgefahren 134
b. Freiheit entlastet und beansprucht den Staat 136
c. Freiheitsgerechte Abstufung der Sicherheit 137



VI. Frei sein in guter Verfassung . 141

1. Der Prager Fenstersturz und andere Traditionen . 142

2. Staatsverfassung und persönliche Verfassung 143

3. Vertraute Regeln und Gesetzgebungsautorität 144

4. Die Verfassung: Unveränderlicher Kern und stete Erneuerung . 148

5. Verlässlichkeit der Urkunde . 150
a. Sicherheit im Text 150
b. Europarechtliche Labilität der Urkunde 151

6. Rationalität des Sprachlichen 153

7. Das Menschenbild der Verfassung 157

8. Keine Verfassung garantiert sich selbst . 159

9. Das Staatsvolk garantiert die Verfassung . 162




VII. Gesetzmäßigkeiten der Natur und Gesetzedes Menschen . 165

1. Die Kräfte der Natur 166

2. Freiheit naturwissenschaftlich widerlegt? . 168

3. Recht im Einklang mit der Natur 172

4. Entmutigung und Aufbruch . 174

5. Erfahrung und Einsicht . 176
a. Beobachten nach Erfahrung und Plan . 176
b. Vier Naturfreunde, vier Natursichten . 177

6. Lebenskunst und historische Erfahrung . 179
a. Gemeinsinn und Spiel 179
b. Gegenwart im Spiegel des Vergangenen und im Licht der Zukunft 180

7. Der Mensch wird sich in Freiheit vertragen 183

8. Handeln nach Maßstab und Mehrheit: »Naturrecht« 187
a. Disziplinierte Einfalt und guter Rat 187
b. Stetiges Recht, ähnlich den Naturgesetzmäßigkeiten überzeitlich wirksam 189
c. Volksentscheide 193

9. Der Mensch liest nicht im Buch der Natur 194



VIII. Quellen der Freiheit . 195

1. Mensch ohne mitmenschliche Begegnung? . 196

2. Herkunft und Zugehörigkeit 197
a. Maßstabsbildung in geordneter Gemeinschaft . 197
b. Gebundenheit in Natur, Familie, Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

3. Das unbekümmerte Sprechen . 200

4. Zugänge zur realen Welt . 204
a. Sehen, Hören, Lesen, Vertrauen . 204
b. Die unsichtbare Welt wird im Gleichnis sichtbar 205
c. Vergangenheit wird in historischen Zeichen gegenwärtig 206

5. Ideale, Leitgedanken, Autorität 207

6. Erkennen und Verstehen . 210

7. Vermuten, Einschätzen, Werten . 212

8. Freiheit wurzelt in Gemeinschaft, entfaltet sich in eigenständiger Distanz . 214




IX. Kulturerfahrungen als Freiheitshilfen . 215

1. Die begrenzte Aufnahmefähigkeit des Magens . 216

2. Die heile Welt 216

3. Das gute Leben . 218
a. Das Wahre, Schöne, Gute 218
b. Freiheit von »banausischer Arbeit« 219
c. Schlichtes Leben . 221
d. Erfassen der ungekünstelten Wirklichkeit 222
e. Aufmerksamkeit für das Sinnhafte, das Wesentliche . 224
f. Die moderne Verheißung der Einfachheit: der PC 225
g. Nur das einfache ist gerechtes Recht: das Steuerrecht 227

4. Sich von der Welt ansprechen lassen 232
a. Vollkommenheit, Harmonie, Glanz . 232
b. Schimmer des Ungreifbaren und des Erhabenen . 232
c. Schönheitsideale im Wandel der Zeit 234
d. Schein und Sein 236

5. Sich verzaubern lassen . 239

6. Verheißungsvolle Ziele . 241



X. Der Mensch muss sich zur Freiheit qualifizieren 243

1. Die Kultur des Maßes . 244

2. Freiheit lernen . 244
a. Freiheit wird in der Persönlichkeit gebildet 245
b. Freiheit muss verantwortet werden . 246
c. Im Wettbewerb fair bleiben: Wirtschaft, Politik, Sport 247
d. Den Ich-Maßstab durch den Wir-Maßstab ersetzen . 250
e. In Eigenständigkeit »Mechanismen« begegnen 252
f. Im Forscherdrang den Irrtum bedenken . 254

3. Andere sind mitbetroffen 258
a. Die Summe individueller Freiheitswahrnehmungen schafft Gemeinwohl 258
b. Arbeiten für andere . 259
c. Sichtbare Begegnung, privates Geheimnis 260

4. Der Staat gestaltet, ermöglicht und begrenzt Freiheit 262

5. Der Freie wehrt Fremdbestimmung ab und gewinnt Kraft zur Selbstbestimmung 263



XI. Freiheitliche Mitgestaltung der Demokratie . 265

1. Zum Einklang mit dem Staatsvolk beitragen . 266
2. Freiheit in der Kultur des eigenen Staates 267
a. Das Staatsvolk verhält sich zum Staat wie die Hand zum Handschuh 267
b. Demokratische Eigenständigkeiten und internationale Gemeinsamkeiten 269
c. Sinnstiftende Eigenheiten ohne Eigensinn . 270
d. Alltagsgepflogenheiten 273

3. Freiheitsgefährdung durch Verschuldung . 274
a. Entwicklung der Verschuldungsmaßstäbe . 274
b. Die betroffenen Freiheitsberechtigten . 276
c. Armut des Staates ist Armut der Bürger 279

4. Freiheit garantiert der Staat, nicht die Parteien . 281
a. Übertragene Herrschaft 281
b. Der Gesetzgeber lässt den Freiheitsraum offen . 282
c. Parteien organisieren den Staat 283
d. Das Recht setzt auf die einzelne Person 284

5. Verständlichkeit des politischen Lebens . 285
a. Verheißung einer »guten, alten Zeit« . 285
b. Die Reaktion: »Alternativlosigkeit« der eigenen Vorstellungen . 286
c. Wiederherstellung der Verfassungsstruktur . 287

6. Freiheit bestimmt die Demokratie und Demokratie befreit . 292




XII. Neue Freiheitsräume in einer technisch veränderten Welt 293

1. Werde 100 Jahre alt! 294

2. Technik als Stütze und als Bedrohung der Freiheit . 294

3. Freiheitliche Distanz zur Technik 296

4. Gezählte Ordnung und erzählte Vielfalt 299
a. Die Teilrationalität des Zählens . 300
b. Messen und Ermessen 301
c. Messtechniken und nicht zählbare Realität 303
d. Sicherheit in Programmvorgaben . 304

5. Menschliche Erfahrung und Algorithmen . 306
a. Selbstbestimmung und Fremdsteuerung: die formatierte Freiheit 306
b. Künstliche Intelligenz? . 308
c. Systeme vollziehen den Willen von Menschen . 309

6. Die moderne Technik als Akt der Befreiung 310
a. Ein klassisches Freiheitsideal wird erstmals erfüllbar 310
b. Die Chance ideeller Freiheit . 311
c. Arbeit für alle und Einkommen für jeden . 311

7. Freiheit als Macht zur Selbstbestimmung 314



Anhang 317

Anmerkungen 317

Abkürzungsverzeichnis . 364