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Auf den Spuren des Gebets Methoden und Ergebnisse der empirischen Gebetsforschung
Auf den Spuren des Gebets
Methoden und Ergebnisse der empirischen Gebetsforschung




Hans U. Hauenstein

Asanger Verlag
EAN: 9783893343959 (ISBN: 3-89334-395-4)
279 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2002

EUR 29,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Was tun Menschen, die beten, und was empfinden sie dabei? Seit gut einem Jahrhundert werden diese Fragen in der Religionspsychologie gestellt. Hans Ulrich Hauenstein überprüft empirische Gebetsuntersuchungen und zeigt, dass deren Ergebnisse entscheidend von religiösen und theologischen Traditionen abhängen. Dasselbe gilt für das, was Betende selbst über ihr Tun und Erleben berichten. Ihre Schilderungen und Konzepte stehen in einem Wechselverhältnis zu bestimmten religiösen, kulturellen, sozialen und lebensgeschichtlichen Bedingungen. Hauenstein untersucht diese Zusammenhänge und macht Vorschläge für die weitere empirische Forschung.

Dieses Buch wendet sich an Forschende und Lehrende in den Bereichen Religionspsychologie, Theologie, Sozial- und Kulturpsychologie, an Pfarrer/innen sowie an Pädagogen und Pädagoginnen mit Interesse an der religiösen Entwicklung von Kindern und Erwachsenen.



Hans Ulrich Hauenstein ist Träger des Eduard-Adolf-Stein-Preises der Universität Bern.
Rezension
Gebet ist ein grundlegendes religiöses und religionspsychologisches Phänomen in den meisten Religionen. Es ist von daher gleichermaßen Gegenstand der Theologien wie der Religionswissenschaften und der Religionspsychologie: Wie lässt sich das, was wir beim Beten tun und empfinden, psychologisch verstehen? Zugleich ist das Beten auch ein bedeutsames religionspädagogisches Thema, besonders in der Elementarerziehung und in der Grundschule. Gebet begegnet eben auch in Sozialisations- und Lernprozessen und ist bedeutsam für eine gesunde oder ungesunde religiöse Entwicklung eines Kindes. Insofern ist das Buch auch für die Religionspädagogik von besonderem Interesse. - Gelegentlich wird auf diesem Gebiet auch empirisch geforscht und gearbeitet; Ergebnisse empirischer Gebetsforschung werden in diesem Buch einer kritischen Prüfung unterzogen. Es setzt weniger theologisch als vielmehr psychologisch an. Die Deutungskategorien müssen letztlich den Subjekten überlassen bleiben und entziehen sich somit weitgehend einem empirischen Zugriff. In der Forschung vermengen sich nicht selten dogmatisch und empirisch begründete Gebetsauffassungen. Im empirischen Befragungsvorgang werden die Gebetskonzepte der untersuchten wie der untersuchenden Personen miteinander vermittelt.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
„...eine gewinnbringende Arbeit für eine Reise durch die Psychologie auf den Spuren des Betens.“ (Theologische Literaturzeitung, 129, 2004)

„... Beim Lesen wird man Schritt um Schritt den Spuren des Gebets entlanggeführt, und diese Spuren erhalten eine sehr genaue Umschreibung, Handlungen, Äußerungen, Empfindungen und Wahrnehmungen einzelner Personen, von ihnen selber als Gebet verstanden oder von anderen als Aspekt des Betens beschrieben, werden als Gebetsvorgänge beschrieben. ... Hauensteins Spurensuche erfolgt akribisch und ist für Pfarrpersonen und andere am Gebet interessierte spannend und äußerst aufschlußreich. Besonders wer sich über die Forschungslage auf dem religionspsychologischen Feld informieren will, ist mit der Lektüre gut beraten; wen das Thema unambitiös interessiert, erkennt durch den jedes Kapitel einleitenden Überblick und die jeweils abschließende Zusammenfassung den Gesamtzusammenhang.“
(Bücher extra, Praktische Theologie, S. 14)

Wie lässt sich das, was wir beim Beten tun und empfinden, psychologisch verstehen? Seit gut einem Jh. werden diese Fragen in der Religionspsychologie gestellt. Hauenstein überprüft empirische Gebetsuntersuchungen und zeigt, dass deren Ergebnisse entscheidend von kontextuellen Faktoren abhängen, zu denen auch religiöse und theologische Traditionen gehören. Auch die Konzepte von Betenden stehen in einem Wechselverhältnis zu bestimmten religiösen, kulturellen, sozialen und lebensgeschichtlichen Bedingungen.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1

Geleitwort: Prof. Dr. Ingrid Josephs 3

1 Einleitung 5

1.1 Ausgangspunkte und Ziele 5
1.2 Religionspsychologie 7
1.3 Theologie 9

1.3.1 Überblick 9
1.3.2 Positionell-normative Theologien 11
1.3.3 Komplexe Wechselbeziehungen 13
1.3.4 Mein eigener Standpunkt 14

2 Empirische Zugänge zum Gebet 17

Überblick 17
2.1 Was heisst „beten“? 17
2.2 Gebetsvorgang und Gebetskonzept 20
2.3 Empirische Gebetsforschung 24
2.4 Zusammenfassung 27

3 Beobachtung und Experiment 28

Überblick 28
3.1 Beobachtung 28
3.1.1 Eigenes Gebet 29
3.1.2 Persönliches Gebet Erwachsener 32
3.1.3 Rosenkranz 35
3.1.4 Gottesdienst 38
3.1.5 Gebete von und mit Kindern 39
3.1.6 Tischgebet 42
3.2 Experiment 44
3.3 Zusammenfassung 49

4 Analogien zum Gebet 51

Überblick 51
4.1 Arbeitsdefinition 51
4.2 Selbstgespräch 55
4.3 Egozentrisches Sprechen bei Kindern 58
4.4 Zusammenfassung 65

5 Äusserungen über das Gebet 67

Überblick 67
5.1 Typen von Äusserungen über das Gebet 67
5.2 Autobiographische Äusserungen 69
5.3 Informelle Äusserungen in Gesprächen 72
5.3.1 Gespräch zwischen Mutter und Kind 72
5.3.2 Gespräch unter Industriearbeitern 76
5.3.3 Gespräch mit älteren afro-amerikanischen Frauen 84
5.4 Offene Interviews 90
5.5 Halbstrukturierte schriftliche Umfragen 94
5.6 Semistrukturierte Leitfaden-Interviews 98
5.7 Schriftliche Befragungen 108
5.8 Befragungen mit standardisierten Fragebogen 119
5.9 Zusammenfassung 132

6 Wovon hängt es ab, ob und wie wir beten? 136

Überblick 136
6.1 Kontextualisierung von Gebetsaspekten 137
6.2 Soziokultureller Kontext 139
6.2.1 Soziodemographische Faktoren 139
6.2.2 Funktion religiöser Literatur für das Gebet 143
6.2.3 Kontextuelle Bedingungen schriftlicher Gebete 146
6.2.4 Soziale Funktionen des Gebets 155
6.3 Gebet in Sozialisations- und Lernprozessen 158
6.3.1 Gebet als Sozialisationsfaktor 158
6.3.2 Aspekte des Lernens und Tradierens 161
6.4 Entwicklungsbezogene Aspekte des Gebets 168
6.4.1 Entwicklung von Gebetskonzepten und Gebetseinstellungen 170
6.4.2 Gebet und Biographie 173
6.5 Sprache und Kommunikation 176
6.5.1 Gebet als spezifische Sprach- und Sprechweise 177
6.5.2 Reziproke Interaktionen 182
6.5.3 Gebet als kommunikativer Vorgang 185
6.6 Gebet als Handlung 190
6.6.1 Gebet als Ritual 192
6.6.2 Gebetsmotivation 198
6.6.3 Kontrollüberzeugungen 202
6.6.4 Subjektive und objektive Gebetswirkungen 205
6.6.5 Gebet als spezifisches Copingverhalten 210
6.7 Gebet als Persönlichkeitsfaktor 215
6.7.1 Wahrnehmende und urteilende Dimensionen der Persönlichkeit 215
6.7.2 Neurotische und psychotische Persönlichkeitsmerkmale 218
6.8 Das vielfältige Subjekt: Psychodynamik des Gebets 220
6.8.1 Psychologie des Unterbewussten: Vertiefung des Ich 224
6.8.2 Sozialpsychologie: Kontextualisierung des Ich 226
6.8.3 Soziale Repräsentationen 230
6.9 Empirische Gebetsforschung und Theologie 233

7 Zentrale Ergebnisse 238



Anmerkungen 241

Bibliographie 266

Namenregister 289



Geleitwort: Prof. Dr. Ingrid Josephs 3

Religiöse Phänomene sind in der modernen, zeitgenössischen Psychologie, mit Ausnahme der innerhalb der psychologischen Forschungslandschaft eher marginalen Religionspsychologie, kein Thema. Dies war nicht immer so, wie die leider so oft vorschnell ad acta gelegte Geschichte der Psychologie deutlich belegt. Aber gerade der heutigen naturwissenschaftlich orientierten Psychologie, einer Psychologie, der daran liegt als „harte Wissenschaft“ zu gelten, scheint dieser Themenkreis in all seiner Bedeutungshaltigkeit und -lastigkeit „nicht geheuer“ zu sein. Wie will man auch die Bedeutung religiöser Sinnkonstruktionen, die Bedeutung von Symbolen und Ritualen im Leben einzelner Personen innerhalb des vorhandenen und akzeptierten Methodenkanons „messen“? Wie will man dem komplexen, dynamischen Zusammenspiel von kulturellen Sinnsystemen und individueller Bedeutungskonstruktion innerhalb einer ausschließlich quantitativen Forschungsmethodologie beikommen? Die Antwort ist schlicht: In einer Psychologie, die sich ausschließlich von den Methoden her definiert, wird dies nicht funktionieren. In einer Psychologie jedoch, die vom Phänomen und den Fragen, die das Phänomen aufwirft, ausgeht, um in einem zweiten Schritt eine Methodologie zu entwickeln, die der Erforschung des jeweiligen Phänomens gerecht wird, werden wir auch komplexen Phänomenen auf die Spur kommen können und sie nicht links liegen lassen müssen.

Religiöse Phänomene sind im Leben realer Menschen ein zentrales Thema. Der Glaube versetzt nicht nur Berge, sondern trägt auch zu Konflikten, ja sogar zu Kriegen bei, und dies durchaus in unserer modernen Welt. Der durch eine bestimmte Religion gespeiste Glaube ist auf inter- und intrapsychischer Ebene ein Akt, der eigenen Welt Sinn zu verleihen, sie als bedeutungsvoll wahrzunehmen und demzufolge in ihr zu handeln. Das Gebet als ritualisierte oder spontane Ansprache, ja vielleicht sogar als dialogischer „Austausch“ mit einer anderen Instanz, wie auch immer diese konzipiert wird, hat darin seinen wichtigen Stellenwert.

Aber wie soll und kann man sich dem Gebet, hier verstanden als Akt des Betens, psychologisch nähern? Was genau meinen wir, wenn wir sagen, daß wir beten, oder wenn wir jemanden beobachten, der „offensichtlich“ betet? Ist ein ritualisiertes, gemeinschaftlich gesprochenes Tischgebet, bei dem wir „insgeheim“ daran denken, was wir am Tag noch alles erledigen müssen, in dieselbe Kategorie einzuordnen wie ein abendliches inneres Zwiegespräch mit einer „höheren“ Instanz, von der wir weiter keine konkrete Vorstellung haben? Und wie steht es mit einem aus Panik entstandenen „Stoßgebet“ vor einer Prüfung, in dem wir (un)mögliche Versprechungen formulieren, die gelten sollen, wenn wir nur erst einmal eben jene Prüfung bestanden haben? Wo beginnt das Konzept des Betens, und wo hört es auf?

Die Psychologie operiert mit Konstrukten, wie zum Beispiel der Emotion, der Intelligenz, dem Gedächtnis, dem Gebet. Konstrukte entziehen sich der direkten Beobachtung. Lediglich aufgrund von anderen, beobachtbaren Daten, die unter einer bestimmten theoretischen Prämisse generiert wurden, kann auf sie geschlossen werden. Man wird also nie Auskunft darüber geben können, was denn nun Beten „wirklich“ sei, sondern immer nur unter einer bestimmten Arbeitshypothese, die theoretisch fundiert ist, Beten in einem bestimmten Sinne definieren können. Damit scheint in der Psychologie eine sorgfältige, reflektierte und informierte Konzeptanalyse ein unerläßlicher Ausgangspunkt jedweder Forschung zu sein. Und gerade dies, in der heutigen Psychologie leider eher die Ausnahme als die Regel, leistet das vorliegende Werk, interessanterweise von einem Theologen geschrieben, in höchst eindrucksvoller Weise.

Pointierter ausgedrückt: Wer in der Zukunft über das Beten forschen möchte, „kommt um Hauenstein nicht herum“. Sein Werk, eine Reise durch die Psychologie auf den Spuren des Betens, erschließt dem Leser historische und zeitgenössische Bausteine zum Verständnis des Gebets aus vielfältigen theoretischen und damit verknüpft methodologischen Richtungen. Da werden ansonsten isolierte Erkenntnisse wie Puzzleteile aus der Religions-, Entwicklungs-, Sprach-, Sozial-, Persönlichkeits- und Kulturpsychologie sowie der kognitiven Psychologie herausgefiltert und anschließend zusammengefügt, um fundierte Annäherungen an das Konstrukt des Betens zu leisten. Da wird ein substantieller Brückenschlag zwischen Psychologie und Theologie hergestellt, der befruchtend für beide Wissenschaften ist. Die Akribie, mit der dabei über Theorien und Methoden kritisch reflektiert wird, ist bemerkenswert. Wir sehen uns allerdings bei der Lektüre nicht mit einem „verlängerten“ Sammelreferat konfrontiert, denn an vielen Stellen wird ausgeführt, wie konkret empirische Forschung zum Gebet aussehen könnte, ja sogar müßte.

Das Gebet, der Akt des Betens, kann also sehr wohl Thema einer modernen Psychologie sein. Hauensteins Arbeit mit einer Fundgrube an Einsichten, Ideen und weiteren Fragestellungen liefert dazu einen wichtigen Beitrag. Wir sollten ihn in der Zukunft produktiv nutzen.
Prof. Dr. Ingrid Josephs
Lehrstuhl für Persönlichkeitspsychologie
Universität Nijmegen, Niederlande