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1998

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Schuld-los-werden

 
ru 2/1999 - Geld

ru 2/1999
Ökumenische Zeitschrift für den Religionsunterricht

Geld



 
Kösel - Verlagswebsite besuchen
ISSN 0341-0005

1999
36 Seiten, geheftet, 21 x 28 cm
 

Dieser Titel ist komplett vergriffen und endgültig nicht mehr lieferbar.
Eine Neuauflage ist nicht vorgesehen.
Zu diesem Heft

Von Harry Noorniann

Euroland ist eröffnet. Während die Mitbürger/innen sich seit Januar an das neue Buchgeld gewöhnen, laufen die Notenpressen auf Hochtouren, um bis zum 1. 1. 2002 allein 13 Milliarden Banknoten unters europäische Volk zu bringen. »Eine der wichtigsten Orientierungen im Leben der Menschen« wird umgestellt (Presse) - Grund genug, in der Schule das Tabuthema anzupacken, das ungehörige, intime; denn »über Geld spricht man nicht«. Auch nicht im Religionsunterricht! Ein Blick in didaktische Daten-»banken« verrät eine allseitige, bemerkenwerte Zurückhaltung bei diesem kalten Gegenstand.

Geld und Religion?
Korrelationsdidaktisches Brainstorming hinterlässt Verlegenheit. Hier Kinderjobs und Kohlemachen, Markenkult und jugendliche Tagträume vom großen Geld, dort der reiche Jüngling, Franz von Assisi und Luthers »allgemeinster Abgott auf Erden« - die Distanz, so will es scheinen, zwischen diesen beziehungslos auseinandergebrochenen Welten ist didaktisch schwerlich überbrückbar. Gesinnungsethische Frontalangriffe auf den rasch ausgemachten Geldpantheismus passen ins Image des Berufsstands und sind schon deshalb verdächtig. Pausbäckige Fundamentalkritik am Konsumismus und der Illusion vom »Leben im Angebot« wirkt fad und wohlfeil, wenn Geld auch für die kleinen Dinge des Alltags schlechterdings unvermeidbar geworden ist. Geld wird zum Problem, weil es sich unentbehrlich gemacht hat. Geld regiert die Lebenswelt, die tausend kleinen Dingen des Alltags wie das Wochenende - 25 % aller Deutschen fieberten zur Premiere der Lotto Show mit den Kandidaten um 1 Million, RTL begnügt sich parallel mit der 100000 Mark Show, weitere Millionen warten gespannt auf die echten Zahlen, »Glück« heißt das Lotto-Magazin, das heiß macht auf den Super-Jackpot. Geld regiert die Lebenswelt, das erfahren Kinder in frühen Jahren, lange bevor sie die gigantomanische Macht erahnen, die sich neuerdings hinter der lateinischen Allerweltsfloskel verbirgt, dass Geld die Welt regiert, hier Länder und Kontinente in den Schuldenturm zwingt und dort die Nachfrage nach Leibwächtern für einen protzig-dekadenten Luxus erhöht. »Geld oder Leben!«, hieß das doppelsinnige Motto vom ersten Euro-Kirchentag von unten in Maastricht 1998. Kann denn das für junge Menschen eine ernstgemeinte These sein?

Wer regiert das Geld der Welt?
»Der Wohlstand der Nationen beruht auf der Verpfändung ihrer Zukunft bei den Wenigen, die das Ganze besitzen« (K. Füssel)

»Mein Garten, sagte der reiche Mann. Der Gärtner lächelt« (rh 1/91, ed.)


Auch ein didaktischer Rückzug ins Reservat der angeblich vom Geld verschonten intimen Fragen nach des Lebens Tiefe und Schönheit hat seine Tücken.
»Und all das Geld und all das Gut / Gewährt zwar viele Sachen; / Gesundheit, Schlaf und guten Mut / Kanns aber doch nicht machen ... « (Matthias Claudius).
Zu vielen Jugendlichen raubt bekanntlich schon die theoretische Aussicht, mit 19 vor dem Nichts zu stehen, ihren guten Mut, finanzielle Sorgen bringen Erwerbslose um ihren Schlaf, und die Gebührenordnungen für Gesundheitsdienste und Pflege unterscheiden penibel nach Kassenpatienten und Klasse Patienten. Ein Mensch in Uganda kann 43 Lebensjahre erwarten, ein Japaner 78. Kinder aus sozial schwachen Familien leiden signifikant häufiger an gesundheitlichen Störungen, und die Sterblichkeitsrate bei Erwerbslosen soll 50% über dem Durchschnitt liegen (W. Krüger 81 f.) - Geld ist »geronnene Gewalt« (Tolstoi).
Die Potenz des Geldes beschränkt sich keineswegs auf's Ökonomische, sie biedert sich für alles an, was uns am Leben lieb und teuer ist und nimmt der verbreiteten Anschauung ihr tröstliches Pathos, das, was im Leben wirklich »zähle«, sei mit Geld nimmer zu bezahlen. Der einzig universale Glaube hat das Credo: Geld ist »geprägte Freiheit« (Dostojewski).

Geld und Religion?
Jugendliche verblüffen mit schlagfertigeren Antworten. Die erste Assoziation: Konfirmation. Damit verdiene man sich den Führerschein und jeder wisse, dass alle das nur wegen der Knete und der Geschenke machten. Schön blöd, wer darauf verzichte. Heuchelei und Opportunismus wittert man weniger bei sich selbst als beim Veranstalter Kirche, dem zweiten Stichwort zur Frage. Unter den Vergleichen mit dem »Machtapparat« fehlt auch das Finanzamt nicht. Tiefer Argwohn gegen Geldgier und Prunksucht (»Paläste«), den »Besitz großer, unverdienter Reichtümer« paart sich mit entschiedener Abwehr gegen den »unverschämten Zwang«, vom endlich einmal selbst verdienten Geld Kirchensteuer zahlen zu sollen. Ungeteilte Anerkennung hingegen finden der kirchliche Einsatz für soziale und humanitäre Belange von Gefangenen, Behinderten, Ausländern, Armen, Engagement für Menschenrechte und die Dritte Welt (H. Barz, 1992, 172f.).
»Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt« (Mk 10,25). Der urchristliche »Stachel im Fleisch der Christenheit« zeigt Wirkung bis heute. Seine Geschichte reicht zurück ins prophetische Israel, geharnischte Kritik an der »Pleonexia« (Habgier) durchzieht die Schriften der Kirchenväter (L. Schottroff, 1995), er wird das Leitmotiv der Ordensbewegung, entzündet Rebellionen gegen Wucher und Ämterschacher im 11.Jahrhundert, inspiriert die Armenbewegungen und Bettelorden im 12. und 13. Jahrhundert. Die Liäson von Geld und Glaube im Ablasswesen löste die Reformation aus und während Karl V. 1543 niederländischen Kaufleuten erstmalig die Zinsleihe erlaubte, verweigerten vielerorts reformierte (!) Gemeinden bis ins 17. Jahrhundert hinein Geldhändlern die Teilnahme am Abendmahl (J. Hörisch, 1996, 31-, J. LeGoff, 1988).
»Die reiche Kirche und das Kind in der Krippe« (Paul Piechowski, 1927) ... Einmal mehr und nun von außen hat sodann die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts die Religionskritik im Gewand einer entwaffnenden Entlarvung der vermeintlichen Doppelmoral einer Kirche radikalisiert, die eher den »Angriff auf 38 von 39 ihrer Glaubensartikel verzeihe als auf 1/39 ihres Geldeinkommens« (Karl Marx). Dieses Bild hat sich unter jungen Menschen offenbar zu einem allgemein verbreiteten Imagestereotyp verfestigt just zu einer Zeit, in der die Kirchen mit dem Mitgliederschwund ihren schwersten Finanzkrisen entgegensehen.

Geld und Religion?
Das Geld und die Kirchen! In die allerwärts beklagte Gleichgültigkeit Jugendlicher gegenüber der Institution mischen sich hier Töne des engagierten, teils aggressiven Einspruchs. Geld fungiert als Nagelprobe christlicher Glaubwürdigkeit. Kirchen und Christen sollen im Umgang mit Geld Maß nehmen am eigenen Anspruch. Die Gretchenfrage an Heranwachsende »Wie hältst du's mit der Religion?« wird beantwortet mit der Gegenfrage an Erwachsene »Wie hältst du es, Christ, Kirche, mit dem Geld?« Spätestens in den höheren Klassen der Sek 1 wird der Religionsunterricht sich auf den Protest in dieser Frage einlassen, selbst wenn sie in unbedachten Sprüchen und bar jeden Wissens danerzukommen scheint. Ins Gespräch gebracht mit der aktuellen Diskussion kann sie Schüler/innen ins Nachdenken bringen über Grundfragen des Christseins in der Zeit (s. Kasten).

Was Sie tun können, damit Ihr Geld nicht stinkt »Saubere Gewinne - Über den ethischen verantwortungsvollen Umgang mit Geld«, heißt das InfoBlatt von epd-Dritte-Welt-Information 6/1997 (epd Postfach 500550, 60394 Frankfurt/M.) über Möglichkeiten ökologisch und sozial orientierter Geldanlagen ausführlicher: W. Kessler (Hg.): Geld, Zins und Gewissen (Publik-Forum Materialmappe) 1993; ferner: Antje Schneewiß: Mein Geld soll Leben fördern. Hintergrund und Praxis ethischer Geldanlagen, Grünewald-Vlg. 1998 (ISBN 3-7867-2062-2).

Unser Heft möchte dagegen andere Akzente setzen:
»Was ist eine Banknote, die doch ein Papier ist / Ohne Gewicht und doch / Das ist Gesundheit und Wärme, Liebe und Sicherheit. / Hat sie nicht ein geistiges Wesen? / Das ist etwas Göttliches ... «(1) Geld umgibt eine Aura des Geheimnisvollen, Göttlichen. Sie stellt sich ganz von selbst ein, orts- und altersunabhängig, während ein 1000-Markschein (in Kopie) durch die Klasse wandert, leuchtet auf in faszinierten Blicken, in Augenwünschen, ihn geschenkt zu bekommen, in Kaufbegehren und Phantasien, die Farben des Lebens würden bunter und heller leuchten, hätte man davon 10 oder 100 oder gar den Jackpot mit mehreren 1000. Seine magische Anziehungskraft geht aus von seiner Fähigkeit, die man gemeinhin nur Menschen zuerkennt. Die Fähigkeit, etwas zu versprechen, das konkrete Versprechen seiner Konvertierbarkeit in x-beliebige Tauschobjekte und das überschießende Versprechen, den Zipfel von Lebensgütern zu erhaschen, die die Welt der Dinge und Sachen hinter sich lassen - Gesundheit und Wärme, Liebe, Sicherheit.

Jesus hat über das Geld mehr gepredigt als über das Gebet ... «

»Das ist einer der Gründe, warum Religionsunterricht an den Schulen Europas heute so wichtig ist, nicht, weil er den christlichen Gemeinden Nachwuchs garantieren soll, sondern weil er den entfremdeten Menschen die Quellen und Vorbilder zugänglich machen kann, die als mögliche Alternativen zur Geld-Kultur zugleich die Keimzellen wachsenden Widerstands werden können« (John Hull: Über die Notwendigkeit christlicher Erziehung heute, EMWHamburg [Hg.] 1995, S. 19).


Was hat es auf sich mit der eigentümlichen Verwandtschaft von Geld und Gott, profan und heilig, Geldmagie und Religion? Erste, angesichts der abstrakten Materie bemerkenswert bündige und verständliche Antworten sind nachzulesen beim Sozial- und Wirtschaftsethiker an der Universität Zürich, Prof. Helmut Kaiser. Das eigenartige Phänomen, dass sich die Wege der Religion mit den Strömen des Geldes semantisch und symbolisch immer wieder schneiden, greifen gleich mehrere Beiträge von Harry Noormann auf: »Erlös und Erlösung«, »Was macht der Stier vor der Börse« und die Zitatencollage über den »Geldtempel«. Aspektreich sind die pädagogischen und didaktischen Anregungen dieses Heftes: Dr. Jan-Uwe Rogge setzt einer moralisierenden Konsumkritik in der Erziehung - wer ist von uns frei davon?? - Vorschläge entgegen, um die Beziehungen in der Erziehung lebendiger zu machen. Jens Felds Beobachtungen unter Berufsschuljugendlichen dürfen besonders unter Kolleg/innen von Interesse sein, die in den höheren Klassen der Sek 1 Schüler/innen auf das Arbeitsleben vorbereiten. Weitere didaktisehe Impulse vermitteln die Bausteine von Ilsetraut Ix, Norbert Weidinger (mit einem Beispiel aus einer ganzen Reihe möglicher Anleihen zum Thema Geld in der populären Musik) und Tobias Franz mit seinem Vorschlag, »Noten lesen« auf andere Art zu üben und die märchenhafte Rückseite des Riesen unter den Geldscheinen einmal kritisch zu beleuchten. Grundschulkolleg/innen, die das Heft enttäuscht in die Hand genommen haben, da das Thema doch erst in höheren Klassen ernsthaft angegangen werden könne, seien nachdrücklich die hellwachen und klugen Äußerungen von Viertklässlern empfohlen, die Gertrud Schmidt in ihren Rollenspielerfahrungen mit den Kindern festgehalten hat.

Literatur:

Barz, Heiner: Postmoderne Religion. Die junge Generation in den Alten Bundesländern, Opladen 1992.

Le Goff, Jacque: Wucherzins und Höllenqualen - Ökonomie und Religion im Mittelalter, Stuttgart 1988.

Hörisch, Joachim: Kopf oder Zahl, die Poesie des Geldes, Frankfurt/M. 1996.

Krüger, Wolfgang: Die Faszination des Geldes. Begierde, Sehnsucht, Leidenschaft, München 1998.


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(1) Bert Brecht: Über den bürgerlichen Gottesglauben, in: Ders.: GW, Bd. 10, Frankfurt/M. 1964, 865, zit. nach Falk Wagner: Der irdische Gott des Geldes, rh 1/1991, 32-37, S.32.

Inhaltsverzeichnis

Geheimnisvolle Kräfte

41 Willkommen beim Habenwollen - Willkommen im Leben
Zu diesem Heft
Harry Noormann

44 Die Bekehrung des Geldbeutels
Ethische Reflexionen zum Geld
Helmut Kaiser

49 Der Erlös des Gläubigers und der Glaube an Erlösung
Vexierbilder aus der Welt der Religion und der Welt des Geldes -
ein religionsgeschichtliches Streiflicht
Harry Noormann

54 Konsumkritik, Konsumverzicht ... ?
Die Beziehungen in der Erziehung stärken!
Jan-Uwe Rogge

57 »Visa« - die Freiheit nehm ich mir
Geld und Jugendliche - Faszination und Versuchung
Jens Feld

60 Was macht der Stier vor der Börse?
Die neue Macht von alten Mythen
Harry Noormann

61 Geldtempel

63 »... das einzige, was zählt auf dieser Welt«!?
Kommentierter Baustein für die Sekundarstufe 1
Norbert Weidinger

64 Kids - Konsum - Knete
Aufklärungsschriften von Werbeträgern und Verbraucherorganisationen als didaktischer Steinbruch
Ilsetraud Ix

65 Geld oder Liebe?
Hans im Glück und der barmherzige Vater im Rollenspiel von Grundschulkindern
Gertrud Schmidt

68 Trügt der Schein?
Tobias Franz

69 Materialbausteine

70 Literaturhinweise:
Geld - Wirtschaft - Moral
Bruno Schmid

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80 ru - im blickpunkt
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71 Organspende -ja oder nein:
Ein Grundkurs 13 findet die Entscheidung im ökumenischen Projektunterricht
Peter Langhorst und Ulrich Platte

76 Der Streit um das Kopftuch
Fulbert Steffensky


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77 ru - Handbibliothek
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79 ru - Magazin
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80 ru - Themen-Menue
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80 ru - Autoren
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80 ru - tschbahn
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