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Gemeinsam lernen - Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule
Gemeinsam lernen - Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule




Bertelsmann Stiftung, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Deutsche UNESCO-Kommission (Hrsg.)

Verlag Bertelsmann Stiftung
EAN: 9783867933346 (ISBN: 3-86793-334-0)
224 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2011, Broschur mit DVD

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Bildung ist ein Menschenrecht! Im März 2009 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Damit haben sich die Bundesländer verpflichtet, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu schaffen. Jedes Kind soll am Unterricht der Regelschulen teilnehmen können. Anders als in vielen anderen Ländern ist es bei uns derzeit noch üblich, Kinder mit Behinderungen, Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten in Förderschulen zu unterrichten. Aber Deutschland ist auf dem Weg: Der Band »Gemeinsam lernen - Auf dem Weg zu einer inklusiven Schule« greift die aktuelle Diskussion zum Thema auf und skizziert Strategien einzelner Bundesländer. Die mit dem »Jakob Muth-Preis für inklusive Schule« ausgezeichneten Schulen zeigen ebenso wie internationale Beispiele, wie ein gemeinsames Lernen konkret aussehen kann.



www.bertelsmann-stiftung.de/verlag
Rezension
Inklusive Schule ist eine Schule, in der Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen, ohne dass sie aufgrund ihrer individuellen Besonderheiten voneinander getrennt werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention, die die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2009 ratifiziert hat, verpflichtet zu einem inklusiven Bildungssystem auf allen Ebenen, d.h. behinderte und nicht behinderte Kinder sind fortan gemeinsam zu unterrichten, behinderte Kinder erhalten Zugang zu allgemeinbildenden Schulen, während heute noch mehr als 80% aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in separaten Schulen unterrichtet werden. Die Frage der Inklusion ist somit eine der zentralen Herausforderungen des Bildungssystems in Deutschland in den kommenden Jahren. Dieser Band dokumentiert den Weg zu einer inklusiven Schule.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Herausforderung Inklusion 7

Inklusion heißt Gemeinsamkeit von Anfang an 11
Hubert Hüppe

Inklusion und Leistung sind kein Widerspruch 15
Jörg Dräger

Inklusive Bildung bei der UNESCO 19
Christoph Wulf

Schulische Inklusion in Deutschland: Stand der Dinge 23

Zum aktuellen Stand inklusiver Bildung in Deutschland 25
Antje Funcke, Nicole Hollenbach, Klaus Klemm

»Wir dürfen nicht so tun, als hätten wir in Regelschulen keine Heterogenität« 46
Interview mit Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz

Inklusive Perspektiven – zwischen Anspruch und Wirklichkeit 51
Rolf Werning, Jessica M. Löser

Lösungsansätze für gelungene Inklusion 67

Inklusion im Schulsystem – das Beispiel Südtirol 69
Edith Brugger-Paggi

Education for All: A Canadian Story 85
Tammy Mitchell, Gareth Neufeld

Inklusion hat viele Gesichter: Schulen auf dem Weg zum Gemeinsamen Unterricht100
Christian Ebel, Nicole Hollenbach, Angela Müncher

Der Index für Inklusion – ein Unterstützungsprojekt und seine Folgen 128
Barbara Brokamp

(Bildungs-)Politische Entwicklungen hin zu einem inklusiven Schulsystem 139

Möglichkeiten der Gestaltung inklusiver Schulsysteme in Deutschland 141
Ulf Preuss-Lausitz

Inklusion in der bildungspolitischen Diskussion 158
Peter Wachtel

Inklusion in Hamburg 170
Angela Ehlers, Ina Döttinger

Inklusive Bildung in Schleswig-Holstein 193
Eckhard Zirkmann, Christine Pluhar

Gemeinsamer Unterricht in Thüringen 204
Susanne Rusche, Tina Brier

Die Autorinnen und Autoren 218


Leseprobe:

Einleitung: Herausforderung Inklusion
Was ist Inklusion? Oder anders gefragt: Was ist inklusive Schule? Die
Antwort ist eigentlich ganz einfach: Eine inklusive Schule zeichnet
sich dadurch aus, dass sie allen Kindern offen steht. Sie ist eine
Schule, in der Kinder und Jugendliche gemeinsam lernen, ohne dass
sie aufgrund ihrer individuellen Besonderheiten voneinander getrennt
werden. Die Antwort ist auch deshalb einfach, weil sie auf erfolgreiche
Inklusion in der Praxis verweisen kann: auf Schulsysteme
im Ausland, in denen Kinder mit und ohne Förderbedarf seit Jahrzehnten
mehrheitlich gemeinsam lernen, und auf Schulen in
Deutschland, die seit Jahren erfolgreich inklusiv arbeiten. Diese
Schulen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu heben, war
und ist das Ziel des Jakob Muth-Preises für inklusive Schule, der seit
2009 gemeinsam vom Beauftragten der Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen, von der Bertelsmann Stiftung und der
deutschen UNESCO-Kommission getragen wird.
In Deutschland erhielt das Thema Inklusion nicht zuletzt durch
die UN-Konvention aus dem Jahr 2009 eine besondere Brisanz, denn
mit der Unterzeichnung hat sich Deutschland dazu verpflichtet, sein
Schulsystem inklusiv zu gestalten und behinderten Kindern den Besuch
einer allgemeinbildenden Schule zu ermöglichen. Und damit
wird die Antwort auf die Frage nach Inklusion und ihrer Umsetzung
schwieriger. Denn auch wenn es international und national gute Beispiele
gibt, so ist Inklusion hierzulande in der Fläche zurzeit noch die
Ausnahme. Rund 82 Prozent aller Kinder mit sonderpädagogischem
Förderbedarf werden heute in separaten Schulen unterrichtet. Besonders
an weiterführenden Schulen scheint der Umgestaltungsprozess
nur langsam voranzukommen. Gleichzeitig verlaufen die Entwicklungen
in den Bundesländern sehr unterschiedlich.
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Hinter der bisher noch dominierenden Praxis getrennter Beschulung
scheint eine Haltung zu stehen, die die eigentliche Schwierigkeit
mit der Inklusion verdeutlicht. Es gibt in der Bevölkerung eine
weitverbreitete Skepsis gegenüber dem gemeinsamen Lernen. Das
zeigte jüngst die bislang größte Online-Bürgerbefragung zur »Zukunft
der Bildung«, die im Frühjahr 2011 durchgeführt wurde. Von
den 130.000 Teilnehmenden befürwortete nur ein Viertel das Lernen
von Kindern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf mit geistig behinderten
Kindern. Auch das gemeinsame Lernen mit verhaltensauffälligen
Kindern fand lediglich bei 44 Prozent positiven Anklang. Nur
als es um den gemeinsamen Unterricht mit körperlich behinderten
Kindern ging, waren 88 Prozent der Befragten dafür. An der Befragung
beteiligten sich vor allem Bildungsinteressierte mit hohen Bildungsabschlüssen.
Es muss also gerade in diesem Milieu Überzeugungsarbeit
geleistet werden, damit Inklusion im allgemeinen Schulsystem
zur Regel wird.
Einfache oder schwierige Antworten – die Frage der Inklusion ist
in jedem Fall eine der zentralen Herausforderungen des Bildungssystems
in Deutschland. Damit Inklusion vorankommt, werden gründliche
Analysen, weiterführende Konzepte und ermutigende Beispiele
gebraucht. Diese stehen im Fokus des vorliegenden Bandes, der von
den Initiatoren1 des Jakob Muth-Preises herausgegeben wird. In den
ersten drei Beiträgen beschreiben der Bundesbehindertenbeauftragte
Hubert Hüppe, Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung,
und Christoph Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCOKommission,
ihren jeweiligen Zugang zur Herausforderung Inklusion.
Den Status quo in Sachen Inklusion nehmen die drei folgenden
Beiträge des Bandes in den Blick: Antje Funcke, Nicole Hollenbach und
Klaus Klemm tragen die aktuellen Zahlen zur Inklusion im deutschen
Bildungswesen zusammen und unterstreichen, dass die Ziele der
eingangs erwähnten UN-Konvention über die Rechte der Menschen
mit Behinderungen in Deutschland bislang nicht annähernd erreicht
wurden. Ulf Preuss-Lausitz plädiert dafür, dass man vor der Heterogenität
in der Regelschule nicht die Augen verschließen darf. Seiner
Meinung nach führt die flächendeckende Inklusion nur in sehr wenigen
Fällen zu einer Heterogenität, die den Unterricht zusätzlich belaste,
solange Lehrkräften gezielte Fortbildungsangebote je nach Bedarf
vor Ort ermöglicht würden. Rolf Werning und Jessica Löser leiten
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über den normativen Anspruch und den aktuellen Stand in Sachen
Inklusion in Deutschland konkrete Handlungsfelder und Perspektiven
für inklusiven Unterricht ab. Dazu gehört ein Unterstützungssystem
für Lehrkräfte ebenso wie didaktisch-methodische Konsequenzen.
Lösungsansätze und Beispiele für gelungene Inklusion finden
sich beim Blick über den Tellerrand wie auch in Deutschland. So
zeichnet Edith Brugger-Paggi die inklusive Entwicklung in der italienischen
Provinz Südtirol seit 1977 nach und beschreibt die aus dieser
Entwicklung deutlich gewordenen Rahmenbedingungen für eine flächendeckende
»Schule für alle«. Und das bei erwiesenermaßen hoher
Leistung: Im internationalen Vergleich (PISA) belegt Südtirol im
Lesen und auch in Mathematik und den Naturwissenschaften die
vordersten Ränge – und zwar unter Beteiligung aller Schülerinnen
und Schüler, auch derjenigen mit Förderbedarf. Tammy Mitchell und
Gareth Neufeld beschreiben die Entwicklung inklusiver Schulen in
der kanadischen Provinz Manitoba seit den 1950er Jahren – und illustrieren
dies ganz plastisch am konkreten Schulentwicklungsprozess
einer Schule.
Und auch in Deutschland gibt es sie: Schulen, die für alle Kinder
zugänglich sind und jedes Kind – unabhängig von seiner sozialen
und ethnischen Herkunft oder möglichen Behinderung – in heterogenen
Lerngruppen individuell fördern wollen. Wie vielfältig inklusive
Praxis vor Ort sein kann, spiegeln die mehr als 200 Bewerber für
den Jakob Muth-Preis der Jahre 2009 und 2010 wider. Christian Ebel,
Nicole Hollenbach und Angela Müncher skizzieren die unterschiedlichen
Zugänge verschiedenster Bewerberschulen und porträtieren die
drei Jakob Muth-Preisträgerschulen des Jahres 2010. Schließlich stellt
Barbara Brokamp vor, wie sich einzelne Schulen mit dem »Index für
Inklusion« konkret auf den Weg zur Inklusion machen können.
Möglichkeiten der Gestaltung eines inklusiven Schulsystems auf
Länderebene nimmt Ulf Preuss-Lausitz in den Blick: Er entwickelt am
Beispiel des Bundeslandes Bremen ein mehrdimensionales Konzept,
wie eine solche Gestaltung konkret aussehen könnte. Peter Wachtel
zeichnet den Verlauf der bildungspolitischen Diskussion in Form eines
Rückblicks und Ausblicks aus der Sicht der Kultusministerkonferenz
nach. Schließlich geben drei Bundesländer exemplarisch Einblick
in ihre Prozesse rund um das Thema Inklusion: Angela Ehlers
und Ina Döttinger zeichnen die Meilensteine auf dem Weg zur inklu10
siven Bildung in Hamburg nach. Eckhard Zirkmann und Christine
Pluhar beschreiben die Entwicklung inklusiver Bildung in Schleswig-
Holstein, wo die Inklusion bundesweit am weitesten fortgeschritten
ist. Susanne Rusche und Tina Brier skizzieren die Entwicklung in
Thüringen seit 1997.
Die Herausgeber danken allen Autorinnen und Autoren für ihre
Beiträge und hoffen, mit dieser Publikation die Diskussion um ein
inklusives Bildungssystem in Deutschland voranzubringen. Der
Übergang zur Inklusion wird nicht von heute auf morgen erfolgen.
Aber unser Bildungssystem befindet sich mitten in einem evolutionären
Prozess, der nur dann gelingen kann, wenn alle Beteiligten mitgenommen
werden. An der Herausforderung Inklusion führt kein
Weg vorbei, wenn wir allen Kindern und Jugendlichen unabhängig
von ihren individuellen Besonderheiten die Chance zur gesellschaftlichen
Teilhabe ermöglichen wollen.

Für die Herausgeber:
Nicole Hollenbach und Ulrich Kober