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Wurst  Rezepte, Legenden, Genuss
Wurst


Rezepte, Legenden, Genuss



Wiglaf Droste, Nikolaus Heidelbach, Vincent Klink

DuMont Literatur und Kunst Verlag
EAN: 9783832179922 (ISBN: 3-8321-7992-5)
160 Seiten, hardcover, 16 x 25cm, September, 2006, mit ca. 40 farbigen Abbildungen

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
In diesem Buch geht es um die Wurst; es enthält Rezepte, Legenden und Genuss rund um die Wurst. Trotz Gammelfleisch: Wurst ist pure Lust. Und wer wäre besser geeignet, eine Kulturgeschichte der Wurst zu schreiben, als Sternekoch Vincent Klink, Zeichner Nikolaus Heidelbach und der Satiriker Wiglaf Droste, der hier der Wurst auf die Pelle rückt und sich ihrer phallischen Form annimmt. Er erklärt die Welt als Wurst, - verbunden mit manch pikanter Zeichnung, die in ihrer Fülle vielleicht doch ein wenig zu phallisch daherkommen. In der bibliophilen Aufmachung aber jedenfalls ein Muß für alle, die die Satire und die Autoren mögen, wie sie bekannt sind aus der gemeinsam mit Vincent Klink von Wiglaf Droste herausgegebenen Zeitschrift „Häuptling Eigener Herd“.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Rezepte, Legenden, Genuss

Es geht um die Wurst – um dieses universelle, weit unterschätzte Kulturgut, die Legende unter den Lebensmitteln. Ob Blut-, Brat-, Hart- oder Mett-, die Wurst ist in aller Munde.
Nur der liebe Gott weiß, was in ihr steckt: Auch wenn diese Redensart zum Siegeszug der Wurst beigetragen hat, löst sie heute Bedenken aus. Es ist an der Zeit, der Wurst ein bisschen auf die Pelle zu rücken.
Starkoch Vincent Klink erinnert sich an blutige, aber beseelte Schlachttage und gibt Wurstrezepte bis hin zum Selberstopfen. Illustrator Nikolaus Heidelbach richtet mit seinen kulinarischen Stillleben die Kalte Platte aufs Liebevollste und Überraschendste an. Und Wiglaf Droste, der »Tom Waits der satirischen Schnappschüsse« (Galore), schlägt den Bogen von der Currywurst zur Wurst als Lustobjekt, von regionalen Vorlieben zum Versuch, die Welt als Wurst zu erklären.

Wiglaf Droste ist Schriftsteller, Kolumnist und Sänger, er lebt unterwegs oder in Berlin.
2003 wurde ihm für seine "Verbindung aus grobem Ton und feinem Stil" der Ben-Witter-Preis verliehen, 2005 der Annette-von Droste-Hülshoff-Preis.
Seit 1999 gibt er zusammen mit Vincent Klink die kulinarische Kampfschrift "Häuptling Eigener Herd" heraus.

Nikolaus Heidelbach lebt in Köln.
Seine Bilderbücher und Illustrationen wurden vielfach ausgezeichnet, für sein Gesamtwerk erhielt er den Sonderpreis des Deutschen Lieraturpreises 2000. Die von ihm ausgewählte und illustrierte Ausgabe der "Märchen der Gebrüder Grimm" von 1995 wurde ebenso gefeiert wie seine 2004 erschienene Ausgabe der Märchen von Hans Christian Andersen.

Vincent Klink kocht in seinem mit einem Michelin-Stern geehrten Restaurant Wielandshöhe in Stuttgart-Degerloch und lässt sich im Fernsehen ("ARD-Buffet", "Vincent Klinks Kochkunst") in die Töpfe schauen.
Er gab unter anderem das kulinarische Jahrbuch "Rübe" bei haffmans und Klett-Cotta's "Kulinarischen Almanach" heraus.
Inhaltsverzeichnis
8 Wie Wurst entstand
10 Was Wurst ist
14 Schlachttag
24 Die Oberarme der Fleischereifachverkäuferin
27 Blutwurstsuppe
29 Wurst und Durst
30 Grundsätzliches. Brüh-, Koch und Rohwürste
40 Die Erde ist eine Scheibe Fenchelsalami
43 Wurstsalat
48 Bauernbratwurst
52 Büchmann: Geflügelte Würste
54 Feine Schweineleberwurst
58 Allah schaut weg
67 Merguez
71 Bock auf Wurst?
76 Historische Kochwürste
84 Orpheus in der Würstchenwelt
86 Boudin Noir nach Escoffier
88 Der Biker, die Bockwurst im zarten Saitling
90 Salami - von wegen Holzprügel
96 Wo die Wurst den Tag umarmt I
100 Gemüseeintopf mit Brätklößchen
106 Kronenhalle in Zürich
112 Hirnwurst nach Henriette Davidis, 1845
115 Es bleibt ein Stück Hannover zurück
118 Feine Wurst vom Reh
120 Bavarian Weißbier-Breakfast
126 Wo die Wurst den Tag umarmt II
129 Blutwurst-Kartoffel-Auflauf
132 Urst Wurst. Die Wurst im Sozialismus
136 Blutwurstkrusteln
138 Metzelsuppe in Thailand
143 Burgunder Petersilienschinken
148 Wo die Wurst den Tag umarmt III
152 Fieser Wurstgulasch »Wielandshöhe«
156 »Alter, reich ein den Riemen!«
Was bleibt?-Wurst!


Leseprobe:

Wie »Wurst« entstand

Einmal sollte Wiglaf Droste den neuesten Harry Potter besprechen und hatte keine Lust. Also schrieb er lieber, wie doof er den Zauberlehrling finde und wie erfreulich es wäre, würden die Kinder und Jugendlichen etwas Besseres lesen, zum Beispiel – nein, kein Wurstbuch – Grimms Märchen, aber bitte die Ausgabe mit Illustrationen von Nikolaus Heidelbach. Von einem so scharfen Kopf empfohlen zu werden, ist hocherfreulich, also rief Heidelbach ihn an, um sich zu bedanken. Dabei kamen sie ins längere Reden und natürlich auch auf die jeweilige aktuelle Produktion. Wiglaf Droste hatte soeben die 25. Ausgabe seiner mit Vincent Klink herausgegebenen Kulinarischen Schrift HÄUPTLING EIGENER HERD fertiggestellt und bot die Bebilderung der nächsten Nummer an. Da das Thema des Heftes noch nicht feststand, schlug Heidelbach Wurst vor. Tags darauf war die Wurst von Vincent Klink und Wiglaf Droste akzeptiert – es sei allerdings schade, dass man nur in Schwarz/Weiß drucken könne. Kein Problem, sagte Heidelbach, Wurst in Schwarz/Weiß, das können wir. Und zeichnete rund 25 Wurstblätter, alle farbig. Sie wurden trotzdem genommen.

Jetzt muss man wissen, wie gerne und viel Wiglaf Droste reist, und dass dies ab dem Sommer 2005 in Begleitung von 25 Wurstblättern geschah, die er überall herumzeigte. Zuerst natürlich Vincent Klink. Bei diesem Treffen kam es zu einer gewaltigen Erweiterung des Wurstbegriffes in Form eines Plans zu einem ganzen Buch über Wurst: Herstellung und Haltung – Verzehr und Verzicht – Aussehen und Ansehen – Würze und Wirkung – alles aus wenigstens drei verschiedenen Blickwinkeln angerichtet, von einem kochenden Schreiber, einem schreibenden Koch und einem hungrigen Zeichner. Lästige Einwände der Art „Wer braucht eigentlich ein Buch über Wurst?“ wurden souverän ignoriert. Und noch souveräner traf Wiglaf Droste auf der weiteren Reise einen Verleger, der blitzartig begreifen musste, dass in seinem Sachbuchprogramm eine Lücke klaffte, die förmlich nach einem Wurstbuch schrie.
Hier ist es.

Was Wurst ist

Ein Rätsel ist die Wurst, ein Mysterium. Rund und knuffig ist die Wurst, eine Verlockung, ein anregendes Versprechen. Was aber verspricht uns die Wurst genau? Was ist Wurst, was ist sie uns?

Ethymologisch ist Wurst ein Gemenge, ein Mischmasch - man weiß nicht, was darinnen ist. Und will man es wissen? Ist es wirklich ratsam, der Wurst ihre Geheimnisse zu entreißen? Werden wir sie anschließend immer noch mögen? Oder unsere Neugierde nicht eher heftig bedauern? Und die Wurst, aufgeklärt über manches Vergehen und Verbrechen, begangen in ihrem Namen, im Namen der Wurst, folglich ächten und verschmähen? Dieses Risiko kann man nicht ausschließen, wir gehen es mit Freuden ein. Ohne Risiko keine Wahrheit, auch nicht über Wurst.

Prall und reizend liegt die Wurst vor uns. Mannigfaltig und prächtig sind ihre Formen: Als grober archaischer Prügel kommt sie daher, als kinderkopfgroßer Presssack, als darmummantelter Salamiklopper, als niedliches Wienerle, als feines Wurstsäckchen. Großzügig zeigt sie ihre Rundungen, lieblich verströmt sie ihre Düfte - Fenchel, Pfeffer, Knoblauch und was es sei. Und immer sagt sie: Iss mich, hier bin ich, bin ich nicht handlich?

O doch, handlich ist sie, die Wurst. Anmutig vereint die Wurst Griffigkeit und Appetitlichkeit und zieht uns in ihren Bann, auf dass wir ihr verfallen, physisch wie metaphysisch. Wer in das Mysterium Wurst eintaucht, dem erscheint es vollendet logisch, das Universum als Wurst zu erklären und zu begreifen.

Ist nicht alles, was ist, Wurst? Im Guten wie im Bösen, im Klugen wie im Blöden? Die ganze ungeschlachte Welt, ist sie nicht Wurst? Und ist nicht sogar Wurst, was doch definitiv nicht Wurst sein kann? In den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts tauchten in der inzwischen untergegangenen DDR diese Kinderverse auf:

Der Mais, der Mais,
Wie jeder weiß,
Der ist ein toller Bengel,
Er ist die Wurst am Stengel.

Hintergrund war eine sowjetische Maiskampagne in jener Zeit. Nikita Chruschtschow hatte bei einem Besuch in den USA die Methoden des Getreideanbaus studiert, kehrte schwer beeindruckt zurück und übernahm die Anbaumethode auf gigantischen Flächen - denn die gab es in der Sowjetunion ja ebenfalls. Die DDR wiederum, als kleines Brüderchen der UdSSR, kopierte ihrereseits diese Maßnahme - nur war die Idee des massenhaften Maisanbaus überhaupt nicht auf das Gebiet der vergleichsweise winzigen DDR-Agrarflächen zu übertragen. Mais und Maiskampagne waren entsprechend unbeliebt. Also wurde propagandistisch (und gewissermaßen maisbietend) gereimt, um dem Mais zu Ansehen zu verhelfen - so wurde er zur "Wurst am Stengel". Denn Wurst ist gut, mit Wurst lockt man Menschen, überall.

So wurde sogar der Mais verwurstet - und damit Teil eines Universums, dem nichts und niemand sich entziehen kann, und das da heißet: Wurst.

Sogar den großen Verweigerer Bob Dylan erwischte die Wurst. Am Schluss des ersten Teils seiner Autobiographie 'Chronicles' schreibt Dylan: "Die Welt stand mir offen. Eines stand fest: Von Gott wurde sie zwar nicht regiert, aber auch nicht vom Teufel."

Sondern - genau: von Wurst. Das Abenteuer beginnt.

Bauernbratwurst, Zutaten

700 g Schweineschulter
300 g Rückenspeck
18 g Pökelsalz
4 g schwarzer Pfeffer
2 g Macis (Muskatblüte)
2 g Zitronenschale
(nach belieben 1 g Kardamom, 1 g Ingwerpulver)

Die Bauernbratwurst

Eine gute Wurst mißt sich immer an dem Schwein, dessen Fleisch in seine eigenen Gedärme gefüllt wurde. Gewiß, ein betrüblicher Vorgang, aber das ist nun mal das Wesen der Wurst, und deshalb sollte man diesem Nahrungsmittel größte Sorgfalt und angemessenen Respekt entgegenbringen. Die artgerechte Aufzucht gewährleistet das zum Teil. Eine gute Sau, der lebende Delinquent der Hausschlachtung, darf nicht so mager sein wie die im Windkanal trainierten Elendsviecher, die mit ihren Koteletts die Auslagen der Supermärkte verunzieren. Eine veritable Bauernsau wächst langsam, mit natürlichem Futter und nicht mit Industrie-Futtermix. Sie darf fast doppelt so schwer sein wie die turbo-gemästeten Tiere.
Es heißt, der liebe Gott wüßte alles, nur nicht, was in der Wurst ist. Welch gemeißelter Spruch. Da bleibt eigentlich nur Resignation. Es sei denn, man schwingt sich dreist über den Aufklärungsstand des Allmächtigen hinauf. Die Antwort auf diese Blasphemie könnte so lauten: Ich muß wissen, von welchem Bauern die Sau aufgezogen wurde, wie es ihr dabei erging und ob sie gut gefüttert worden ist. Oder aber man macht sich auf die Suche nach einem wirklich vertrauenswürdigen Metzger. Der Metzger, der sich selbst über sein artgerechtes Leben Gedanken macht, wird das hoffentlich auch bei seiner Ware tun.
Ein gesundes Schwein braucht viel frische Luft, immer wieder einen Gang auf die Wiese. Hat das Tier ausreichend Bewegung, wird es festes Fleisch mit geringerer Fetteinlagerung haben, es wird dunkelrot sein und die Würste werden eine homogene Bindung bekommen.
Meine liebste Wurst ist die grobe Bratwurst. Im Schwäbischen, meiner Heimat, als Bauernbratwurst angeboten, obwohl kein Bauer darin verwurstet wird. Der Hausmetzger verarbeitet das noch warme Fleisch, was der groben Wurst zu guter Bindung verhilft und ihr unvergleichlichen Geschmack verleiht, der mittlerweile selten geworden ist. Diese Würste kann man sehr einfach selbst machen. Montag ist des Metzgers Schlachttag, gleich morgens besorgt man sich einen Schweinehals und läßt ihn an Ort und Stelle durch den Wolf drehen. Dazu kauft man noch einen Schweinsdarm, genauso dick, wie wir das von roten Würsten gewohnt sind.
Das Hack in eine große Schüssel geben und 18 Gramm Salz pro Kilo Fleisch darüber streuen. Nicht mehr und nicht weniger. Industriemetzger nehmen bis zu 22 Gramm, deshalb müßten sie gegen den Durst noch eine halbe Maß Bier gratis mitgeliefert. Nun kommen frisch gemahlener Pfeffer, Muskatblütenpulver und etwas geriebene Zitronenschale hinzu. Mit den Händen in die saftige Mischung greifen und mindestens fünf Minuten durchkneten. Dies muß gründlich geschehen, besser, man wütet sich zehn Minuten damit ab als zu wenig. Dieser Vorgang sorgt für die Bindung, damit der Wurstinhalt nicht als bröseliges Hackfleisch aus der Pelle purzelt.
Also wütend kneten, bis eine homogene Masse entsteht, die man mit einem Eßlöffel in den gewässerten Schweinsdarm (beim Metzger besorgen) drückt. Idealerweise kann man das auch mit einem Spitzsack erledigen. Den prügelartigen Wurstdarm mit Schnur in passable Längen abbinden. So vortrefflich stranguliert gibt man diese Stimulantien der Lust in die Bratpfanne. Auf sehr kleinem Feuer langsam schmurgeln.
Nach 15 Minuten kann man zur Exekution schreiten. Eine der mühelosesten Delikatessen, um geladene Gäste zu verblüffen. Selbstverständlich kann man diese Wurst roh auf den Grill oder in die heiße Pfanne legen. Aus Gründen der Hygiene sollte das nur mit tagesfrischen Würsten geschehen. Für spätere Verwendung die Würste brühen und dann braten wie gewohnt.