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Wer Sturm sät Die Vertreibung der Deutschen
Wer Sturm sät
Die Vertreibung der Deutschen




Michael Brumlik

Aufbau-Verlag
EAN: 9783351025809 (ISBN: 3-351-02580-7)
300 Seiten, kartoniert, 12 x 21cm, Februar, 2005

EUR 18,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Eine Streitschrift für eine verantwortungsvolle Erinnerungskultur



Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges flohen Millionen Deutsche aus

den ehemaligen deutschen Ostgebieten, unzählige wurden Opfer von

Raub, Mord und Vergewaltigung. Micha Brumliks differenzierte Analyse zeigt einen Weg, sich dieser Geschichte zu stellen und einen Ton für die

Debatte zu finden, der allen Opfern gerecht wird.

Die Beschäftigung mit den Vertriebenen gipfelte in den Bemühungen, ihnen mit dem umstrittenen Zentrum gegen Vertreibungen ein Denkmal zu setzen. Micha Brumlik geht es in seinem Buch nicht darum, das Leid der vertriebenen Deutschen zu relativieren. Er betrachtet es jedoch als eine beinahe notwendige Konsequenz der monströsen Vernichtungs- und Umsiedlungspolitik der Nazis. Seine Analyse stellt diese Politik in den historischen Kontext des »Jahrhunderts der Vertreibungen«, vom Genozid der Türken an den Armeniern, der Deportation der Tschetschenen-Inguschen und der Krim-Tataren durch Stalin bis hin zu Bürgerkrieg und Vertreibungen im postkommunistischen Jugoslawien. Wie kein anderes Regime hatte das nationalsozialistische Deutschland diese Tendenzen bis ins Unvorstellbare gesteigert und damit ein »präzedenzloses Verbrechen« (Yehuda Bauer) zu verantworten. Sich dieser Geschichte zu stellen, so Brumlik, muß auf einen Verzicht jeder Gedenkkultur hinauslaufen, die sich allein auf die deutschen Opfer von Vertreibungen bezieht.
Rezension
Die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten wird nicht nur auf den alljährlichen Treffen des "Bundes der Vertriebenen" thematisiert, sondern wurde auch in der Öffentlichkeit angesichts des 60. Jahrestages des Weltkriegsendes und der Debatte um die "Flick Collection" kontrovers diskutiert. Zu erwähnen ist auch die Diskussion eines vom "Bund der Vertriebenen" geforderten deutschen Zentrums der Vertreibung in des Bundeshauptstadt Berlin. Zurecht schreibt der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik daher zu Beginn seines Buches "Wer Sturm sät. Die Vertreibung der Deutschen": "Die Jahre 2004 und 2005 markieren weltweit und zumal in Deutschland eine geschichtspolitische und gedächtniskulturelle Schwelle." (S. 7)
Der streitbare Publizist beleuchtet in seinem fast 300seitigen "Essay" das Thema aus verschiedenen Perspektiven. So werden in den einzelnen Buchkapiteln die Ursachen, die Gründe, die politischen Folgen und die historische Bedeutung der Vertreibung der Deutschen fundiert elaboriert und verständlich dargestellt. Bumlik gelingt es dabei, historische, politische, psychologische und literarische Dimensionen der Kontroverse produktiv miteinander zu verzahnen. Erwähnenswert ist das Kapitel über "Schuld und Versöhnung vor der Geschichte", in dem der Frage tiefenpsychologisch nachgegegangen wird, warum mancher der Vertriebenen revanchistische Ansprüche erhebt. Auch Brumliks Analyse der literarischen Aufarbeitung des Themas 'Vertreibung', zum Beispiel von Günter Grass' (geb. 1927) Novelle "Im Krebsgang"(2002), überzeugt. Bedeutsam für die Kontroverse ist auch Brumliks präzise Bestimmung des Begriffs "Genozid" sowie seine Einbeziehung der weltpolitischen Dimension von Vertreibungen. Der Publizist verweist auf den jungtürkischen Genozid an den Armeniern, auf die Vernichtungspolitik der Roten Khmer und auf das palästinensische Flüchtlingsproblem. Bei dem Themenkomplex "Genozid" hätte Brumlik auch den ersten deutschen Völkermord an den Herero und Nama in Namibia 1904-1908 (vgl. meine Rezension von "Der Völkermord in Deutsch-Südwestafrika" unter lehrerbibliothek.de) erwähnen können.
Fazit: Jedem Geschichts- oder Politiklehrer, der sich in seinem Unterricht reflektiert und differenziert mit dem Thema "Vertreibung der Deutschen" auseinander setzten möchte, kann das Buch "Wer Sturm sät" von Micha Brumlik aus dem "Aufbau-Verlag" zur Lektüre empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek,de
Inhaltsverzeichnis
Statt einer Einleitung: Ein Leserbrief 7

Erstes Kapitel: Flucht und Vertreibung 19
"Völkische Raumbereinigung" - Theodor Schieder 24
Die vielfältigen Ursachen der Vertreibung 29
Die Planung und Vertreibung aus dem deutschen Osten 33
Die Planungen zur Aussiedlung der Deutschen aus Böhmen und Mähren 40
Die Benês-Dekrete - inakzeptables Unrecht oder politische Notwendigkeit? 55
Gab es eine alternative zur Vertreibung der Sudetendeutschen? 67
Die Durchführung der Vertreibung aus Böhmen und Mähren 71
Die Westverschiebung Polens 77
Genozid oder Vertreibung? 85

Zweites Kapitel: Von der "Charta der Heimatvertriebenen" zum "Zentrum gegen Vertreibungen" 91
Verspätete öffentliche Trauer 113
Die Vertreibung - ein Genozid? 125
Franz Werfel - Kronzeuge des "Zentrums gegen Vertreibungen"? 130

Drittes Kapitel: "Sieh hin, zum Donnerwetter noch einmal" - Das deutsche Kriegstrauma in der Literatur 137

Viertes Kapitel: Das Jahrhundert von Völkermord und Vertreibung 167
Genozid - rechtliche Ächtung und theoretische Erklärung 172
Vertreibung und ethnische Säuberung 184

Fünftes Kapitel: Schuld und Versöhnung vor der Gechichte 195
Schuld und Verantwortung, Recht und Moral 199
Kollektive Schuld? 207
Vergeben und Verzeihen 210
Trauer und Trauma 218
Schuld, Verantwortung und Demokratie 222
Schuld und Sühne 231
Moralische Ökonomie 236

Sechstes Kapitel: "Wer ist Siegfried Zoglmann?" - Die Vertreibung der Deutschen und das palästinensische Flüchtlingsproblem 249
Die Entstehung des palästinensischen Flüchtlingsproblems 251
Ethnische Säuberungen in Palästina 262
Akzeptanz und Integration der Flüchtlinge 269
Das Nationalstaatsprojekt - endgültig anachronistisch? 283

Verwendete Literatur 293
Über den Autor 300