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Verlorene Welten Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas
Verlorene Welten
Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas




Aram Mattioli

Klett-Cotta
EAN: 9783608949148 (ISBN: 3-608-94914-3)
464 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 15 x 22cm, April, 2017

EUR 26,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Niemals zuvor ist die Geschichte des indianischen Nordamerika und seiner Vernichtung im deutschsprachigen Raum so erzählt worden wie in diesem Buch: Eindringlich beschreibt Aram Mattioli den langen und gewaltsamen Prozess der Kolonisierung durch die weißen Siedler. Zugleich bezieht er stets die Sicht der Besiegten gleichberechtigt in die Betrachtung mit ein und zeigt eindrucksvoll, wie die indianischen Nationen ganz unterschiedlich auf die Landnahme reagierten. Daneben kommen die kulturellen Leistungen der First Peoples ebenso zur Sprache wie die vielfältigen indianischen Lebensformen. In diesem umfassenden Panorama werden nicht nur die entscheidenden Kämpfe geschildert, sondern auch das begangene Unrecht offen beim Namen genannt. In packenden Szenen zeichnet der Autor lebendige Porträts der Indianer und ihrer weißen Gegenspieler. Ein anregendes und brisantes Buch über die Verwandlung der amerikanischen Welt, das nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart der USA neues Licht wirft.
Rezension
Ein sehr aktuelles Buch. Durch seine kompakte Zusammenschau ist es eins der grundlegenden Werke zur Geschichte Amerikas, z.T. Europas und der Welt.
Es kann zu dem Verständnis und zielgerichteten Hinterfragen der Grundhaltungen heutiger Politiker der USA beitragen.

Aram Mattioli beschreibt die rasante und erbarmungslose Inbesitznahmen des nordamerikanischen Kontinents im Zeitraum von 1700 – ca. 1910. Dabei beleuchtet er die politischen Motive und die kulturellen Entwicklungen der Siedler und der First Peoples.

In sieben Kapiteln, gleich Zeitabschnitten, skizziert er die unterschiedlichen Etappen und durchaus auch unterschiedlichen Einstellungen beider Seiten sehr deutlich.
Dabei stellt er diese in den kontinentalen, umwelt- (Ausbruch des Tambora…) und weltpolitischen Rahmen der jeweiligen Zeit. Sehr klar werden die Verflechtungen mit Europa und dessen Kolonialpolitik.
Einzelne Ereignisse bearbeitet er sehr gründlich, um deren exemplarische Bedeutung für die Zeit und Handlungsweisen heraus zu heben. Dadurch verhilft er zu einem tieferen Verständnis der Zusammenhänge, ohne sich in zu detaillierten Darstellungen zu verlieren.

Es ist ein Buch von zu tiefst erschütterndem Leid auf beiden Seiten. Dabei bleibt er nicht stehen. Mattioli hinterfragt die inneren Haltungen der Menschen, setzt soziologische Akzente. Deutlich wird, dass eine (noch) schwache oder rassistisch geprägte Zentralgewalt, zu Ausschreitungen ermuntert. Menschen, die sich der Aufklärung verpflichtet sahen, blieben trotzdem dem kolonialen Gedankengut verhaftet. So wurden Grundhaltungen verfestigt, die bis heute u.a. in den USA zu finden sind.
Genauso klar wird, dass beide Seiten um die Lebensformen, Ziele, Gedanken des anderen kaum wussten oder auch kaum Interesse daran hatte, es zu erfahren. Dadurch waren falsche Erwartungen und somit Zusammenstöße vorprogrammiert.
Um einer finanziellen, ökonomischen, geistigen Enge im alten Mitteleuropa zu entfliehen, wurde alles auf das Spiel gesetzt und rigoros um einen wirtschaftlichen und lebenswerten Neubeginn gekämpft. Dabei wurden grundlegende Werte (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Bürgerrechte, Selbstbestimmung, politische Partizipation…) mit über Bord geworfen, bzw. nur einseitig interpretiert.
Für die dramatische Zerstörung der First Nations benennt Mattioli folgende Punkte:
- Verheerende Epidemien, die nicht bewusst durch die weißen Siedler ausgelöst wurden
- Fast totale Ausrottung der Büffel u.a. Subsistenzgrundlagen („Politik der verbrannten Erde“)
- Koloniales Denken gepaart mit einseitig ausgelegter Aufklärung (Paternalismus)
- Uneinigkeit und gegenseitiges Bekämpfen, streben nach dem eigenen Vorteil, der Indianer untereinander
- „Kolonialer Besiedlungsprozess in derart (noch nie dagewesenem Anm.) hohem Tempo“ ,s. 347, in Kombination mit Empire Building, Industrialisierung, Urbanisierung
- Verkehrsrevolution, S. 348
- Starke globale Nachfrage nach Baumwolle, Bisonleder… weltweit S.348
- Goldfieber, S.348…

Mattioli spricht in einigen Situationen von möglichem Genozid, doch in der letzten Phase der Inbesitznahme von einem Ethnozid (Aberziehen der eigenen Kultur, Sprache, Glaubens…)an den First Nations.
Doch die Indianer sind nicht vernichtet.

Das Buch lässt sich hintereinander gut lesen, nicht gut hintereinander verkraften.
Aram Mattioli´s Sprache wird bei den Verhaltensweisen von Siedlern durchaus auch emotional und wertend. Bei grausamen Akten der Indianer ebenfalls. Sonst bleibt sein Sprachstil lebendig, zeitgemäß und flüssig.
Das Buch ist komprimiert in seinen Fakten, doch es erschlägt nicht durch zu viele Einzelheiten.
Karten, Zeittabelle und Namensregister ermöglichen ein Nachschlagen und tragen so zum Verständnis der jeweiligen Entwicklungen bei.

Ein Glossar(Frontiers, Wigh...) und eine physische Karte hätten noch stärker zu einem leichterem Verständnis beitragen können.


Claudia- Maria Maruschke für die Lehrerbibliothek (lbib.de)
Verlagsinfo
Aram Mattioli
Verlorene Welten
Eine Geschichte der Indianer Nordamerikas 1700 - 1910
Aram Mattioli erzählt die Geschichte Nordamerikas zwischen 1700 und 1900 aus der Sicht der »First Peoples«. Eingehend ergründet er die politischen Motive aller Seiten im erbarmungslosen Kampf um den Kontinent, der zur Vernichtung der Lebensformen und der Kultur der Indianer führte.

»Der Schweizer Aram Mattioli hat in seinem Buch "Verlorene Welten" die Geschichte der Indianer Nordamerikas zwischen 1700 und 1910 so aufgeschrieben, dass man das Buch, einmal angefangen, nicht mehr zur Seite legt.«
Jochen Siemens, Stern, 01.06.2017
ISBN: 978-3-608-94914-8
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
VORWORT
1. Einleitende Bemerkungen
2. NORDAMERIKA IN DER ERSTEN KOLONIALZEIT
Geteilte Welt, getrennte Schicksale
Imperiale Rivalitäten und Zäsur von 1763
Pontiac und der Widerstand der Ohio-Nationen
Die Missachtung des Siedlungsstopps
Der andere Unabhängigkeitskrieg
Eine neue Welt der Gewalt

3. DIE WEISSE SIEDLERREPUBLIK UND DIE "WILDEN"
Das Janusgesicht der Republik
"Expansion with honor"
Der Vorstoß in den "Old Northwest"
Thomas Jefferson und die Zukunft der Nation
Lewis und Clark im indianischen Westen
Assimillation oder panindianischer Wierstand

4. DIE UMSIEDLUNGSÄRA: DAS PROJEKT DES INDIANERFREIEN OSTENS
Der Britisch-Amerikanische Krieg als historische Zäsur
Andrew Jackson, der erste Frontier-Präsident
Umsiedlung - die neue, demokratisch legitimierte Indianerpolitik
Die Deportation der Choctaw
Die Tragödie der Cherokee
Der bewaffnete Widerstand der Seminole

5. KALIFORNIEN IN DER GOLDRAUSCH-ÄRA
Gesellschaft im Umbruch und "Manifest Destiny"
Der neue Expansionsschub unter James K. Polk
Alta California in der spanischen Kolonialzeit
Die mexikanische Ära: Zeit der Ranchos
Der Goldrausch und die Invasion der Glücksritter
Frontiergewalt und die Komplizenschaft des Staates

6. DIE UNTERJOCHUNG DER PLAINS-NATIONEN
Die Welt der nomadisierenden Bisonjäger
Vorboten der weißen Invasion
Abraham Lincoln und die Erschließung des Westens
Kriegszone der besonderen Art
Der Widerstand der Sioux, Cheyenne und Araphao
Das letzte Aufbäumen

7. DIE PULVERISIERUNGSMASCHINE UND DIE ERFINDUNG DES "WILDEN WESTENS"
Endstation Reservatsleben
Versuchter Ethnozid: "Töte den Indianer, rette den Menschen"
Der "Dawes Act" und die Privatisierung des Reservatslandes
Wovoka und die Geistertanzbewegung
Sitting Bulls Ende und das Massaker von Woundet Knee
Die Eroberung des Westens in der frühen Massenkultur

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