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Style Politics Mode, Geschlecht und Schwarzsein in den USA, 1943-1975 Zugl.: Diss., Universität Erfurt, 2011
Style Politics
Mode, Geschlecht und Schwarzsein in den USA, 1943-1975


Zugl.: Diss., Universität Erfurt, 2011

Philipp Dorestal

Reihe: American Studies


Transcript
EAN: 9783837621259 (ISBN: 3-8376-2125-1)
370 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2012

EUR 32,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wie wird Style als Mittel der politischen Intervention eingesetzt? Die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung und afroamerikanische Organisationen wie die Black Panther Party oder die Nation of Islam – aber auch das Blaxploitation-Filmgenre – bedienten sich eines spezifischen Stylings, um darüber politische Identitäten wie Gender, Race und Sexualität zu inszenieren. Mithilfe der Performativitätstheorie und Ansätzen aus den Cultural Studies eröffnet Philipp Dorestal eine neue Perspektive auf die Geschichte der African Americans und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Kulturgeschichte des Politischen.


Rezension
Diese Erfurter Disertation aus dem Jahr 2011 befasst sich kulturwissenschaftlich mit einem ebenso interessanten wie entlegenen Thema: Style wird als Statement begriffen und als Inszenierung von Gender, Race und Sexualität als politische Intervention von African Americans. Dazu untersucht der Autor den Zeitraum zwischen 1943 und 1975, in dem in den USA bedeutsame kulturelle und politische Entwicklungen hinsichtlich der Überwindung der Rassendiskriminierung stattfanden, u.a. die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King, die Black Panther Party und die Nation of Islam. Der Autor zeigt, wie Style vielfältig und gezielt als Mittel des Politischen der African Americans eingesetzt wird. So entstehen "Style Politics" (Buchtitel).

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Mode, Geschlecht, Bürgerrechtsbewegung, Black Panther Party, Nation of Islam, Blaxploitation, Performativität, Style, Politik, African American

Adressaten:
Amerikanistik, Kulturwissenschaften, Gender Studies, Geschichte, Politikwissenschaften, Kulturanthropologie

Autoreninfo:
Philipp Dorestal (Dr. phil.) arbeitet zur Geschichte der African Americans, zu postkolonialer Theorie und zur politischen Philosophie des 20. Jahrhunderts.
WWW: Uni Erfurt

Interview
... mit Philipp Dorestal

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Mein Buch zeigt mit einem interdisziplinären Ansatz, dass ein zuvor für wenig bedeutsam gehaltener Aspekt – nämlich Style – in der Bürgerrechtsbewegung eine große Rolle gespielt hat. Dies ermöglicht eine bessere Einordnung und differenziertere Betrachtung von Gruppen wie der Black Panther Party, der Nation of Islam oder auch dem Blaxploitation-Kino.

2. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
»Style Politics« reiht sich ein in neuere Arbeiten zur US-amerikanischen Bürgerrechts- und Black Power-Bewegung, die einen stärkeren Fokus auf zu wenig berücksichtigte Aspekte der US-Nachkriegsgeschichte richten. In meinem Buch greife ich zudem die besonders in den Geschichtswissenschaften in Deutschland in den letzten Jahren kontrovers diskutierte Frage nach der Kulturgeschichte des Politischen auf.

3. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit Huey P. Newton.

4. Ihr Buch in einem Satz:
In meinem Buch zeige ich, dass Style in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung einen großen Raum einnahm und als eminent politisch verstanden wurde, weil sich darüber Identitäten wie ›Race‹ und ›Gender‹ artikulierten.
Inhaltsverzeichnis
Dank | 9
 
 Einleitung | 11

Aufbau der Arbeit | 18
Forschungsstand | 23

Zur Definition von Stle Politics | 27

Zum Begriff Style | 28
Style und Subkultur bei der Birmingham School | 29
Mode, Körper und Style | 34
Gender und Intersektionalität | 38
Performativität von Geschlecht | 41
Performativität und Drag | 45
Hegemonie | 48
Performing Blackness | 52
Politiken des Widerstandes | 59
Die Diskussion um die Kulturgeschichte des Politischen | 66
Quellen und die Frage der Medialität | 72
  
Die Zoot Suit Riots und Style Politics in den 1940er Jahren | 79

Der Sleepy Lagoon-Mordfall | 89
Pachuco und Pachuca Style | 93
Die Zoot Suit Riots | 101
„When you wear zoot suits, you’re helping Hitler“
– Styling und Diskurse um die Subversion der Nation | 106
 
Bürgerrechtsbewegung und Style Politics | 117

Der Montgomery Bus Boycott,
Martin Luther King, Jr. und die Freedom Rides | 119
Sit-Ins und Wahlregistrierung im Süden | 123
Queering Style: Dragballs,
Homosexualität und die Bürgerrechtsbewegung | 128
Styling, Respektabilität und Schönheit in den 1950er Jahren | 136
Style und „The Frustrated Masculinity of the Negro Male“ | 137
A Black Psychiatrist and Black Power | 140
„Who will revere the Black Woman“ | 142
„If we don’t love our hair, then we don’t love ourselves“ | 144
Becoming Black: Die Rezeption des Afro bei Weißen | 155

Styling the Revolution. Die Black Panther Party | 159

Die Gründung der BPP | 160
Creating a Style | 162
Sacramento | 166
Staging Militancy – Die Free-Huey Rallies | 169
Kritik am Cultural Nationalism | 173
West Coast vs. East Coast Style | 177
Revolutionary Culture und Schwarzsein | 180
Emory Douglas und die Karikatur vom Civil Rights Style | 181
Posing for the Revolution | 184
Radical Chic | 186
Gender und Style | 191
„Sloppy Appearance will not be tolerated
at all!“ – Die neuen Style Politics der BPP | 196
„Walking Softly but Carrying It Big“ Eldridge Cleavers Man Pants | 202
Becoming Black: The Yippies | 211
Styling People of Color | 215

Cultural Nationalism und Style Politics | 219

Hype um Dashikis | 219
A Styling for Us: Die Organisation Us | 220
Performing Blackness: Kwanzaa | 229
Cultural Nationalism und Wahlpolitik in den 1970er Jahren | 231
Der Nationalist Dress Suit | 232
Styling the Candidate | 234
Style Politics in afrikanischen Ländern | 235
„A mast flag of a decaying ship“ der Afro in Afrika | 240
„The Bomb defuses“ Style Politics und das Women’s Movement | 242

Style Politics in der Nation of Islam  | 249

Die Weltanschauung der Nation of Islam | 254
Der Schöfpfungsmythos der NOI | 256
„As Crinkly as Yours, Brother“ | 259
„Shun the Afro!“ Debatten um Hairstyling in der NOI | 264
Styling und die Mimikry von Weißsein | 267
„Civilizing yourself through style“ | 268
Fruit of Islam und die Performanz schwarzer Männlichkeit | 274
Schwarze Frauen in der NOI und das Muslim Girls Training | 278
Respektabilität | 287
Der Diskurs von der Krise der schwarzen Familie und Styling | 290
Veränderungen der NOI nach 1975 | 291
 
Blaxploitation-Kino und Style Politics in den 1970er Jahren | 295

„Why are you wearing white men’s clothes“.
Sidney Poitier und Mittelklassestyling | 300
Queering Style | 303
Pimping the Style | 311
Styling Black Femininity | 320
Blaxploitation-Style und „faggotizing of Black men“ | 329

 Schlussbemerkung  | 335

Literatur | 349


Leseprobe:

Einleitung
Der afroamerikanische Journalist Eldridge Cleaver hatte sich bereit erklärt, am
21. Februar 1967 für das Magazin Ramparts ein Interview mit Betty Shabazz
durchzuführen, der Witwe des schwarzen US-Bürgerrechtlers Malcolm X. Anlass
war die sich an diesem Tag zum zweiten Mal jährende Ermordung ihres
Mannes. Doch als Cleaver im Black House, einem politisch-kulturellen Zentrum
in San Francisco, auf die Ankunft von Betty Shabazz wartete, war er nicht auf
das vorbereitet, womit er dort gleich konfrontiert werden würde. Cleaver
schreibt über den Moment, als sich plötzlich die Tür öffnete:
„There was only the sound of the lock clicking as the front door opened, and then the soft
shuffle of feet moving quietly toward the circle [… ] I spun round in my seat and saw the
most beautiful sight I had ever seen: four black men wearing black berets, powder blue
shirts, black leather jackets, black trousers, shiny black shoes – and each with a gun!“1
Was Cleaver hier als „den schönsten Anblick seines Lebens“ beschreibt, war
seine erste Begegnung mit der radikalen schwarzen Organisation Black Panther
Party for Self-Defense (BPP). Obwohl sich Cleaver in der Zeit vor seiner Anstellung
als Journalist in seiner Jugend als Kleinkrimineller durchgeschlagen hatte,
mehrere Jahre im Gefängnis verbringen musste, und ihm deshalb militantes Auftreten
sicherlich nicht gänzlich fremd war, faszinierte ihn die Erscheinung der
Panther doch ungemein. Denn sie unterschied sich von allem, was Cleaver und
auch viele andere African Americans bei schwarzen Organisationen in den
1960er Jahren bisher zu sehen gewohnt waren. Dies lag zu einem nicht geringen
Teil am uniformen, disziplinierten und selbstbewussten Auftreten der BPP. Der
charakteristische Style der Panther mit schwarzer Lederjacke, schwarzen Son-
1 Eldridge Cleaver: The Courage to Kill: Meeting the Panthers, in: Robert Scheer (Hg):
Post-Prison Writings and Speeches, New York 1969, S. 23-39, hier: S. 29.
12 | STYLE POLITICS
nenbrillen, Baskenmützen und Gewehren war dabei etwas, das nicht nur Cleaver
ins Schwärmen brachte, standen diese Merkmale doch für einen ganz neuen
Typus von Aktivist/innen, die nicht schwarze Untergebenheit, sondern vielmehr
schwarzes Selbstbewusstsein und Black Power symbolisierten. Derartige medienwirksame
Performances dieser politischen Gruppierung trugen dazu bei,
dass sie schnell zu einer der bekanntesten Organisationen der Black Power-Bewegung
avancierte.
Doch auch über die BPP hinaus spielte die Frage von Auftreten und Kleidung
– von Style – eine bedeutende Rolle und wurde zu einem zentralen Moment
der Auseinandersetzungen um das Politische und die Einforderung von Bürgerrechten,
Respekt und schwarzem Selbstbewusstsein. Was Eldridge Cleaver also
stellvertretend für viele African Americans als „the most beautiful sight“ bezeichnete,
deutete auf die nicht bloß ästhetische, sondern eminent politische Bedeutung
von Style hin: auf Style Politics.
Der Begriff Style Politics scheint zunächst ungewöhnlich oder gar ein Oxymoron
zu sein. Style ist zwar etwas, das jeder kennt, das jedoch fast immer als etwas
Ephemeres, Triviales angesehen wird. Die Welt der Mode, mit dem der Begriff
in der Regel assoziiert wird, gilt gewöhnlich als oberflächlicher Schein. Die
Kombination mit dem Wort Politics mag deshalb zunächst befremdlich wirken,
ist doch Politik demgegenüber zumindest dem Anspruch nach in der Vorstellung
vieler ein „ernsthaftes Geschäft“, dem eine wichtige Funktion im Zusammenleben
der Menschen zukommt.
In dieser Arbeit möchte ich indes anhand der Geschichte der African Americans
von Beginn der 1940er Jahre an bis in die Mitte der 1970er Jahre hinein
zeigen, wie das Styling des Körpers in der damaligen Zeit immer auch untrennbar
eine politische Dimension hatte. Mit dem Begriff der Style Politics plädiere
ich für einen weiten Begriff des Politischen, der sich nicht nur auf die Aktivitäten
innerhalb und zwischen Staaten oder in der Erörterung von Parlamentsdebatten
u. ä. erschöpft. Vielmehr verstehe ich meine Arbeit als einen Beitrag zu dem,
was seit einigen Jahren als „Kulturgeschichte des Politischen“ diskutiert wird.
Darunter wird gemeinhin die Analyse kultureller Phänomene unter dem Gesichtspunkt
verstanden, wie diese das Politische artikulieren.2 Ich möchte mit der
Untersuchung von Style Politics zeigen, dass sich die Unterteilung in „harte Politik“
und „weiche Kultur“, die von einigen Kritiker/innen der „Kulturgeschichte
2 Vgl. hierzu den Abschnitt über die Kulturgeschichte des Politischen in Kapitel 1 der
vorliegenden Arbeit.
EINLEITUNG | 13
des Politischen“ vorgenommen wird, nicht aufrechterhalten lässt.3 Vielmehr sind
kulturelle Phänomene wie Style immer schon politisch. Mithilfe von Style werden
Identitäten konstruiert und dekonstruiert. Es handelt sich um eine performative
Praxis, die Strukturkategorien wie Race4, Class, Gender und sexuelle Orientierung
verhandelt. Style, so meine These, ist damit immer schon Style Politics,
selbst wenn eine explizite „politische“ Aussage von den Träger/innen des Styles
gar nicht intendiert ist.
Während die Forschung zur Bürgerrechtsbewegung bereits ganze Bibliotheken
füllt, und auch die Literatur zur Black Power-Bewegung in den letzten Jahren
beständig gewachsen ist, werden Style Politics dabei kaum berücksichtigt.
Gerade aber die Untersuchung dieser Leerstelle – der Inszenierung von Identität
über Styling – lässt meines Erachtens ein neues Verständnis für diese sozialen
Bewegungen zu. Denn performative Praxis, die ein Kernelement von Style ist,
war ein wichtiges Element in den verschiedenen Organisationen, die ich in meiner
Studie betrachte.
Die These, die ich an dieser Stelle vertrete, und die ich anhand des historischen
Quellenmaterials prüfen werde, lautet, dass der Style von African Americans
im untersuchten Zeitraum äußerst disparat ist, der für die Heterogenität als
auch für die internen Auseinandersetzungen innerhalb der unterschiedlichen
Strömungen der Bewegung steht. Dies gilt nicht nur zwischen den verschiedenen
Gruppen selbst, obwohl medial und auch von Vertreter/innen dieser Organisationen
oftmals der Eindruck erweckt wurde, es handle sich bei ihrem Style um einen
eindeutigen und uniformen Block.
Ich konzentriere mich in meiner Arbeit bewusst auf die Jahre 1943 bis 1975. Das
Anfangsjahr der Untersuchung ist dem Ausbruch der sogenannten Zoot Suits
Riots geschuldet, die im Juni 1943 begannen, und deren Betrachtung für die Frage,
wie Styling mit der Analyse von nationaler Identität, mit Patriotismus, Ge-
3 Vgl. Andreas Rödder: Klios neue Kleider. Theoriedebatten um eine Kulturgeschichte
der Politik in der Moderne, in: Historische Zeitschrift 283 (2006): S. 657-688, hier:
S. 686.
4 Ich verwende den englischen Begriff Race, um mich in eine anglophone Forschungstradition
zu stellen, die davon ausgeht, dass es menschliche „Rassen“ nicht gibt, Race
aber in kritischer Absicht als analytische Strukturkategorie verwendet, um soziale Prozesse
der Diskriminierung und der Exklusion aufgrund der Hautfarbe fassen zu können.
Ebenso wie Race sind Class und Gender Strukturkategorien, die dazu dienen sollen,
den Konstruktcharakter gesellschaftlicher Verhältnisse analytisch offen ...