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Religion im öffentlichen Raum / La Religion dans l'espace public Deutsche und französische Perspektiven / Perspectives allemandes et françaises
Religion im öffentlichen Raum / La Religion dans l'espace public
Deutsche und französische Perspektiven / Perspectives allemandes et françaises




Bernd Schröder, Wolfgang Krauß (Hrsg.)

Reihe: Jahrbuch des Frankreichzentrums


Transcript
EAN: 9783899429220 (ISBN: 3-89942-922-2)
474 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2009

EUR 32,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Laizität hier, ›hinkende‹ Trennung von Staat und Kirche da – diese beiden Schlagworte zeigen an, dass »Religion« und die Religionen im öffentlichen Leben in Frankreich und Deutschland einen sehr unterschiedlichen Stellenwert haben. Kaum ein anderes Thema wird in beiden Ländern so kontrovers gehandelt.

Der Band zeichnet diese Unterschiede nach: Deutsche und französische Autoren behandeln die Fragen, welche Rolle Religionen in ethischen Debatten, im kulturellen Leben, in der Schule spielen, welches Gewicht den christlichen Kirchen, dem Islam und dem Judentum zukommt – und nicht zuletzt, welcher Art die Kontakte zwischen Religionsgemeinschaften in Frankreich und Deutschland sind.
Rezension
Frankreich und Deutschland haben seit dem Ende des zweiten Weltkriegs endlich und zunehmend eine tiefe Völkerfreundschaft und kulturelle Verbundenheit an die Stelle ehemaliger Feindschaft gesetzt und sind zu Generatoren der Europäischen Integration geworden. In vielerlei Hinsicht haben sich die Nachbarn einander deutlich angenähert, - in Fragen der Religion aber könnte der kulturelle Unterschied größer kaum sein: volle Laizität in Frankreich (vergleichbar mit der Türkei islamischerseits), ›hinkende‹ Trennung von Staat und Kirche in Deutschland. Dieser Band zeichnet die Unterschiede nach: Deutsche und französische Autoren behandeln die Fragen, welche Rolle Religionen in ethischen Debatten, im kulturellen Leben, in der Schule spielen, welches Gewicht den christlichen Kirchen, dem Islam und dem Judentum zukommt – und nicht zuletzt, welcher Art die Kontakte zwischen Religionsgemeinschaften in Frankreich und Deutschland sind.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Religion, Islam, Judentum, Kultur, Kirche, Frankreich, Deutschland

Adressaten:
Theologie, Geschichte, Soziologie, Literaturwissenschaft, Interkulturelle Kommunikation, Judaistik, Islamwissenschaft, Jura

Bernd Schröder (Dr. phil.) ist Professor für Evangelische Theologie/Religionspädagogik an der Universität des Saarlandes. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die vergleichende Religionspädagogik.
Wolfgang Kraus (Dr. theol.) ist Professor für Neues Testament an der Universität des Saarlandes. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Übersetzung und Kommentierung der Septuaginta.
WWW: www.uni-saarland.de/fz
Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort der Herausgeber 11

2 Themenschwerpunkt: Religion im öffentlichen Raum.
Deutsche und französische Perspektiven

Sektion 1: Religion und Öffentlichkeit – Zonen der Interferenz


KARL GABRIEL: Pluralisierung und Individualisierung von Religion –
Tendenzen und Reaktionen in Religionsgemeinschaften und Gesellschaft 19

JEAN-PIERRE BASTIAN: Pluralisation et individualisation de
la religion: analyse des recompositions religieuses en Alsace 37

MICHAEL GERMANN: Religion und Staat in der Bundesrepublik Deutschland: rechtliche Maßgaben 47

FRANCIS MESSNER: Le droit des religions en France 67

BERND SCHRÖDER: ‚Religion‘ als Gegenstand schulischer Bildung?
Konzeptionen und Erfahrungen aus Deutschland 89

MIREILLE ESTIVALÈZES: L’enseignement sur les religions à l’école en France 107

STEFAN GROTEFELD: Religion und ihr Beitrag zu ethischen Streitfragen – Beispiele und Einschätzungen 119

DENIS MÜLLER: La contribution éthique de la religion dans l’espace public francophone 139

GEORG LANGENHORST: ‚Religion‘ als Thema der deutschen Gegenwartskultur – Literarische Perspektiven in Epik und Lyrik 157

MYRIAM WATTHEE-DELMOTTE: La religion en tant que sujet
littéraire – exemples de la littérature contemporaine française 173

Sektion 2: Religionsgemeinschaften im Vergleich

MICHAEL N. EBERTZ: Katholische Kirche in Deutschland – Von der
Glaubensgemeinschaft zur Dienstleistungsorganisation 193

EMILE POULAT: L’Eglise catholique dans l’espace public français 219

MICHAEL NÜCHTERN: Innere Entwicklungen, öffentliche Wahrnehmungen und Herausforderungen der
evangelische(n) Kirche(n) in Deutschland 231

ELISABETH PARMENTIER: Les Eglises protestantes en France:
développements, prises de conscience publiques et défis 247

JOHANNES HEIL: Juden, Judentum und Antisemitismus in Deutschland nach der Shoa 263

PATRICK CABANEL: Judaïsme et antisémitisme dans la France contemporaine 287

NIKOLA TIETZE: Die Muslime Frankreichs: ein gegenwartsgeschichtlicher Überblick 301

Sektion 3: Grenzüberschreitende Kooperation in Religionsgemeinschaften und Religionswissenschaften

ANDREA HÄUSER: Die Konferenz der Kirchen am Rhein –
La Conférence des Eglises riveraines du Rhin 321

GÉRALD ROSENFELD: Les relations entre les communautés juives des deux côtés du Rhin 331

WOLFGANG KRAUS: Septuaginta Deutsch (LXX.D): Probleme und
Perspektiven einer Übersetzung der griechischen Bibel ins Deutsche 335

EBERHARD BONS: Graeca veritas. Von der Ablehnung der Septuaginta im Altertum zur Neubegründung der Septuagintaforschung in Frankreich unter Marguerite Harl 347

BERNDT HAMM: Grenzüberschreitender Glaube. Die Martin-Bucer-
Briefedition als internationaler Zugang zu einem untypischen Reformator 365

3 Rezensionen

Angermüller, Johannes: Nach dem Strukturalismus. Theoriediskurs und
intellektuelles Feld in Frankreich, Bielefeld 2007 (Joseph Jurt, Basel) 385

Bahr, Petra [u. a.] (Hg.): Protestantismus und Europäische Kultur,
Gütersloh 2007 (Thomas Schmidt-Lux, Leipzig) 387

Bernou-Fieseler, Anne/Théofilakis, Fabien (Hg.):
Das Konzentrationslager Dachau: Erlebnis, Erinnerung, Geschichte. Deutsch-Französisches Kolloquium zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau, München 2006
(Holger Thünemann, Münster) 390

Bertrand, Michel/Cabanel, Patrick (Hg.): Religions, pouvoir et violence, Toulouse 2004 (Franz Winter, Wien) 392

Bock, Wolfgang (Hg.): Islamischer Religionsunterricht? Rechtsfragen,
Länderberichte, Hintergründe, Tübingen 22007 (Peter Schreiner, Münster) 393

Brandstetter, Nicole: Strategien inszenierter Inauthentizität im
französischen Roman der Gegenwart, München 2006 (Virginie Geisler, Saarbrücken) 396

Braun, Guido/Lachenicht, Susanne (Hg.): Hugenotten und deutsche Territorialstaaten. Immigrationspolitik und Integrationsprozesse/ Les Etats allemands et les huguenots. Politique d’immigration et processus d’intégration, München 2007 (Alice Perrin-Marsol, Tours) 397

Bugs, Monika/Demouy, Patrick (Hg.): Botschaft der Steine. Mittelalterliche Steintafeln und zeitgenössische Frottagen im Dialog, Tübingen 2007 (Georg Minkenberg, Aachen) 399

Cabanel, Patrick: Les Mots de la laïcité, Toulouse 2004 (Bernd Schröder, Saarbrücken) 401

Caron, Maxence (Hg.): Hegel, Paris 2007 (Alain Patrick Olivier, Paris) 402

Damamme, Dominique [u. a.] (Hg.): Mai-Juin 68, Paris 2008 (Joseph Jurt, Basel) 403

Debray, Régis: Dieu, un itinéraire. Matériaux pour l’histoire
de l’Eternel en Occident, Paris 2001 (Bernd Schröder, Saarbrücken) 407

Diner, Dan: Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt,
Berlin 32006 (Abbas Poya, Freiburg) 409

Engels, Jens Ivo: Kleine Geschichte der Dritten französischen Republik
(1870–1940), Köln [u. a.] 2007 (Guillaume Dondainas, Heidelberg/Saarbrücken) 412

Erdmann, Eva: Der postromantische Brief. Zum Briefwechsel von André
Gide und Paul Valéry (1890–1942), München 2007 (Judith Stein, Potsdam) 417

Espagne, Michel: En deçà du Rhin. L’Allemagne des philosophes
français au XIXe siècle, Paris 2004 (Jörn Albrecht, Heidelberg) 419

Freigang, Christian/Schmitt, Jean-Claude (Hg.): Hofkultur in Frankreich und Europa im Spätmittelalter/La Culture de cour en France et en Europe à la fin du Moyen Age, Berlin 2005
(Brigitte Kasten, Saarbrücken) 421

Gilzmer, Mechthild: Denkmäler als Medien der Erinnerungskultur in
Frankreich seit 1944, München 2007 (Christoph Vatter, Saarbrücken) 423

Girard, René: Achever Clausewitz. Entretiens avec Benoît Chantre, Paris 2007 (Joseph Jurt, Basel) 426

Greschat, Martin: Protestantismus in Europa. Geschichte – Gegenwart –
Zukunft, Darmstadt 2005 (Yves Bizeul, Rostock) 429

Kostka, Alexandre/Lucbert, Françoise (Hg.) : Distanz und Aneignung. Relations artistiques entre la France et l’Allemagne (1870–1945) / Kunstbeziehungen zwischen Deutschland und Frankreich 1870–1945, Berlin 2004 (Axelle Fariat, La Chapelle) 431

Lachmann, Rainer/Schröder, Bernd (Hg.): Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts in Deutschland. Ein Studienbuch, Neukirchen-Vluyn 2007 (Gérard Janus, Strasbourg) 434

Link-Heer, Ursula/Hennigfeld, Ursula/Hörner, Fernand: Literarische Gendertheorie. Eros und Gesellschaft bei Proust und Colette, Bielefeld 2006 (Jörg Theis, Saarbrücken) 436

Müller, Elfriede/Ruoff, Alexander: Histoire noire. Geschichtsschreibung
im französischen Kriminalroman nach 1968, Bielefeld 2007 (Albrecht Buschmann, Potsdam) 437

Pfeil, Ulrich (Hg.): Deutsch-französische Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen im 20. Jahrhundert. Ein institutionengeschichtlicher Ansatz, München 2007 (François Genton, Grenoble) 439

Pollack, Detlef: Säkularisierung – ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland, Tübingen 2003 (Sylvie Le Grand- Ticchi, Paris) 443

Roy, Olivier: Der islamische Weg nach Westen: Globalisierung,
Entwurzelung und Radikalisierung, München 2006 (Martin Riexinger, Göttingen) 445

Vieillard-Baron, Jean-Louis: Hegel. Système et structures théologiques, Paris 2006 (Dietmar Köhler, Witten) 446

Weyel, Birgit/Gräb, Wilhelm (Hg.): Religion in der modernen Lebenswelt. Erscheinungsformen und Reflexionsperspektiven, Göttingen 2006 (Bernd Schröder, Saarbrücken) 450

Wirth, Michael: Die deutsch-französischen Beziehungen während der
Kanzlerschaft von Helmut Schmidt (1974–1982). „Bonne entente“ oder
öffentlichkeitswirksame Zweckbeziehung?, Berlin 2007 (Adolf Kimmel, St. Ingbert) 452

Wolf, Stefan: Ausbau, Krise und Reform des französischen Wohlfahrtsstaats.
Französische Sozialpolitik von 1945 bis 2002, Berlin 2007 (Wolfgang Neumann, Ludwigsburg) 454

Zotz, Nicola: Intégration courtoise. Zur Rezeption okzitanischer und französischer Lyrik im klassischen deutschen Minnesang, Heidelberg 2005 (Nine Miedema, Duisburg-Essen) 456

Autorenverzeichnis 461


Bernd Schröder und Wolfgang Kraus
Vorwort der Herausgeber

Religion im öffentlichen Raum in Frankreich und Deutschland – so lautet
das Thema dieses Bandes in der Reihe der Jahrbücher des Frankreichzentrums.
Religion im öffentlichen Raum?
Im Blick auf Deutschland, das einzige traditionell bi-konfessionelle
Land in Europa, und seine vermeintlich hinkende Trennung von Staat und
Kirche leuchtet die Bedeutung dieser Thematik womöglich selbst solchen
Zeitgenossen ein, die Religionen und ihrer Wechselwirkung mit modernen
Gesellschaften skeptisch gegenüberstehen: Zumindest die beiden großen
Kirchen, die römisch-katholische und die evangelische, dazu aber auch der
Islam und das Judentum sind hierzulande an den meisten gesellschaftlichen
Debatten um ethische und wertbezogene Fragen beteiligt; das Erbe namentlich
des Christentums prägt zahllose Traditionen und Normen der bundesrepublikanischen
Gesellschaft – ganz zu schweigen von dem Umstand, dass
nach wie vor mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihre Religion praktiziert.
Im Blick auf das laizistische Frankreich mag die Auswahl dieses Gegenstandes
demgegenüber begründungsbedürftig erscheinen. Doch wer einmal
im Laufe seines sommerlichen Frankreich-Urlaubs auf Mariä Himmelfahrt
als staatlichen Feiertag aufmerksam wurde, wem am 14. Juli die zivilreligiösen
Momente der nationalen Selbstbesinnung Frankreichs bewusst werden
und wer schließlich in Medien und Kulturleben, etwa in Michel Houellebecqs
Les Particules élémentaires1 oder im Cycle de l’invisible 2 von Eric-Emmanuel
Schmitt, etlicher Spuren religionskritischer oder überhaupt religionsbezogener
Reflexion gewahr wird, dem ist deutlich: Zwischen dem Laizismus
des französischen Staates einerseits und dem religiösen Innenleben der
Religionsgemeinschaften in Frankreich andererseits bleibt hinreichend Platz
zur Entfaltung, Reflexion und Kritik von Religionen im öffentlichen Raum.
Bernd Schröder und Wolfgang Kraus
Vorwort der Herausgeber
1 Houellebecq, Michel: Les Particules élémentaires, Paris: Flammarion, 1998.
2 Schmitt, Eric-Emmanuel: Le Cycle de l’invisible/La Trilogie de l’invisible, Paris: Albin
Michel. Bd. 1: Milarepa (1997); Bd. 2: Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran (2001); Bd. 3:
Oscar et la dame rose (2002).
Dieses Jahrbuch sucht Schneisen durch eine Thematik zu schlagen, die in
der (Post-)Moderne keineswegs an Bedeutung verliert,3 sondern sich angesichts
der Pluralisierung der Religionen und einer Verflüssigung religiöser
Phänomene breit auffächert: ‚Religion‘ ist in modernen Gesellschaften
keineswegs nur mehr dort zu finden, wo Religionsgemeinschaften aktiv
sind – vielmehr nimmt nicht nur das Christentum eine „dreifache Gestalt“
an: neben der institutionell-‚kirchlichen‘ eine private und eine öffentliche.4
Für die adäquate Beschreibung und Reflexion von Religion sind prinzipiell
und so eben auch hier verschiedene Wissenschaften in Anspruch zu
nehmen.5 In diesem Buch spannt sich der Bogen von grundsätzlichen juristischen
und (religions-)soziologischen über religions- und literaturwissenschaftliche
Reflexionen bis hin zu Beiträgen aus den verschiedenen Subdisziplinen
der Theologie.
Thematisch kommt auf diese Weise ein weites Spektrum von Sachverhalten
und Herausforderungen in den Blick. Die erste Sektion, „Religion
und Öffentlichkeit – Zonen der Interferenz“, spannt den Rahmen von der
Pluralisierung des Phänomens Religion über das rechtliche Verhältnis zwischen
Staat und Religionsgemeinschaften bis hin zur Rezeption von ‚Religion‘
in der Gesellschaft. Als Exempel für diese öffentliche Wirkung und
Rezeption werden die Behandlung von Religion im schulischen Unterricht
und damit ihr Gewicht für die ‚Bildung‘ nachfolgender Generationen, ihre
Einspeisung in ethische Diskussionen sowie – stellvertretend für das kulturelle
Leben – ihre Aufnahme in der Belletristik als einer maßgeblichen Form
der Selbstexplikation von Lebenseinstellungen gewählt.
Die zweite Sektion, „Religionsgemeinschaften im Vergleich“, ist der
Außenwirkung und Außenwahrnehmung einzelner Religionsgemeinschaften,
namentlich der katholischen wie der evangelischen Kirche, des Judentums
und des Islam, gewidmet. Der besondere Reiz des vorliegenden Bandes
besteht auch hier darin, die jeweiligen Verhältnisse in Deutschland und
Frankreich von Autoren aus beiden Ländern beschreiben und interpretieren
zu lassen, die Ergebnisse nebeneinanderzustellen und so einem impliziten
Vergleich zuzuführen – ein derartiges Unterfangen hat es zu dieser Thematik
im Blick auf diese beiden Länder in dieser Vielschichtigkeit bislang noch
nicht gegeben. Um bei aller Unterschiedlichkeit des Umgangs mit ‚Religion‘
auch die zahlreichen einschlägigen Brücken zwischen Frankreich und
Deutschland bewusst werden zu lassen, setzt die in Sektion 3 behandelte
12 Bernd Schröder und Wolfgang Kraus
3 Vgl. etwa Joas, Hans/Wiegandt, Klaus (Hg.): Säkularisierung und die Weltreligionen, Frankfurt/
M.: Fischer, 2007.
4 So mit Rössler, Dietrich: Grundriß der Praktischen Theologie, Berlin, New York: de Gruyter,
21993, § 6.
5 Vgl. dazu Weyel, Birgit/Gräb, Wilhelm (Hg.): Religion in der modernen Lebenswelt. Erscheinungsformen
und Reflexionsperspektiven, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2006 (Besprechung
in diesem Band).
Frage nach der grenzüberschreitenden Kooperation sowohl zwischen Religionsgemeinschaften
als auch zwischen Religion erforschenden Wissenschaften
den Schlusspunkt im thematischen Reigen dieses Bandes.
Den Herausgebern ist dabei wohl am deutlichsten und schmerzlichsten
bewusst, welche Themenfelder in diesem Spektrum nicht oder nur unzureichend
zur Geltung kommen (etwa die mediale Rezeption und Beurteilung
von Religionen in beiden Ländern, die Suche nach prägenden Spuren religiöser
Tradition in Kultur und Gesellschaft oder auch die jeweiligen Traditionen
der Religionskritik) und welche wissenschaftlichen Reflexionsstränge
hier nicht explizit angesprochen werden oder gar ausgeblendet bleiben (etwa
die theologische Rekonstruktion aktueller ideeller Entwicklungen innerhalb
der diversen Religionstraditionen, die Medienforschung oder auch die
Religionsphilosophie). Doch es geht eben nicht um Vollständigkeit – und
kann auch gar nicht darum gehen –, sondern um exemplarische Reflexionen
und die Einladung, den hier aufgenommenen Faden fortzuspinnen.
Bei der Auswahl der Themen orientieren sich die Herausgeber zunächst
an einem substanziellen Religionsbegriff, der den historisch und empirisch
bedeutsamsten Religionen in beiden Ländern einen prominenten Platz in
Wahrnehmung und Reflexion zuweist. Allerdings hat es damit nicht sein
Bewenden; für die Analyse der vielgestaltigen (post-)modernen Verhaltensmuster
und Interpretationen im Umgang mit ‚Religion‘ erweist sich komplementär
die Arbeit mit einem funktionalen Religionsverständnis als
unverzichtbar, das im Kern diejenigen Phänomene, Praktiken und Selbstkonzepte
als ‚religiös‘ ernst nimmt, die von ihren primären Akteuren und
Interpreten als religiös in Anspruch genommen werden.
Das Axiom, das diesem Jahrbuch zugrunde liegt, lautet, dass die so
facettenreich verstandene ‚Religion‘ sowohl in Deutschland als auch in
Frankreich in den öffentlichen Raum hineinwirkt bzw. konstitutiv an dessen
Ausgestaltung teilhat. ‚Öffentlichkeit‘ meint dabei in erster Linie den
Kommunikationszusammenhang, der innerhalb einer Gesellschaft im Blick
auf „die gemeinsamen Interessen und Bedürfnisse, Rechte und Pflichten“
ihrer Glieder besteht;6 das Zustandekommen und Funktionieren einer solchen
‚Öffentlichkeit‘ setzt allerdings eine entsprechende soziale Kohäsion
sowie kulturelle, ökonomische, politische und nicht zuletzt auch religiöse
Institutionen voraus, die an der Herstellung und Pflege dieser Öffentlichkeit
interessiert sind. Die Rede von ‚Öffentlichkeit‘ wird hier also kommunikations-
und institutionstheoretisch gefüllt.
Die strukturierende, oben bereits angedeutete Grundidee des Bandes
besteht darin, im Blick auf Frankreich wie Deutschland mutatis mutandis
jeweils dieselben Fragestellungen oder dieselben Themenfoki aufzugreifen
Vorwort der Herausgeber 13
6 So im Anschluss an Huber, Wolfgang: Kirche und Öffentlichkeit, München: Kaiser, 21991,
hier S. 45.
7 Lediglich in einem Fall (zum Thema „Entwicklungen im Islam und Einstellungen zum
Islam“) ist die geplante Kopplung je zweier Beiträge krankheitshalber nicht zustande
gekommen; bedauerlicherweise ließ sich zudem ausgerechnet zur grenzüberschreitenden
Zusammenarbeit unter Muslimen kein Autor gewinnen, sodass der Islam ungewollt zu
kurz kommt.
14 Bernd Schröder und Wolfgang Kraus
und auf diese Weise französische und deutsche Autorinnen bzw. Autoren
über die jeweils gleichen Aspekte von Religion im öffentlichen Raum in
einen wissenschaftlich-literarischen Dialog hineinzuziehen.7 Für die Autoren
ist dies eine Herausforderung, insofern sie explizit oder implizit die
Verhältnisse im Nachbarland in den Blick nehmen (müssen) – auch wenn
ihnen die ausgearbeiteten Beiträge ihrer Gegenüber bei der Abfassung nicht
vorlagen. Für die Leserschaft mag so neben den individuellen Herangehensweisen
und den fachlichen Akzentsetzungen auch die unterschiedliche
‚Brille‘ aufschlussreich sein, durch die eine Thematik jeweils wahrgenommen
wird. Auf jeden Fall werden explizit oder implizit immer wieder die
zwischen Frankreich und Deutschland kontroversen Wahrnehmungs- und
Urteilstraditionen im Blick auf ‚Religion‘ deutlich – zusammengenommen
mit der Fülle an religiösen Phänomenen und Herausforderungen, die material
zur Sprache kommen, gibt dies der Themenwahl dieses Jahrbuchs recht.
Abgerundet wird das Jahrbuch durch einen umfangreichen Rezensionsteil,
in dem zu einem guten Teil Publikationen mit einem Bezug zum Thema
des Bandes besprochen werden. Darüber hinaus wird die Aufmerksamkeit
der Leserinnen und Leser wie gewohnt auf Veröffentlichungen jüngeren
Datums zum Gegenstandsfeld der deutsch-französischen Kulturbeziehungen
insgesamt gelenkt.
Abschließend ist neben den zahlreichen Autorinnen und Autoren insbesondere
dem Leiter des Frankreichzentrums der Universität des Saarlandes,
Prof. Dr. Manfred Schmeling, und seinen Mitarbeiterinnen, v. a.
Anne Rennig und Jeanne Ruffing, zu danken. Ohne ihre Aufmerksamkeit
und Sorgfalt hätte der Band nicht in dieser gelungenen Form erscheinen
können.
Bernd Schröder Wolfgang Kraus