lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Record. Play. Stop. Die Ära der Kompaktkassette Eine medienkulturelle Betrachtung
Record. Play. Stop. Die Ära der Kompaktkassette
Eine medienkulturelle Betrachtung




Pia Fruth

Transcript
EAN: 9783837642209 (ISBN: 3-8376-4220-8)
352 Seiten, 15 x 23cm, Februar, 2018

EUR 34,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
1963 kam der erste Kassettenrekorder auf den Markt: unscheinbar beige-grau, batteriebetrieben und so handlich, dass er in eine Manteltasche passte. In den Jahrzehnten danach eroberte die Kassette in einer stürmischen Erfolgsgeschichte den Alltag der Menschen - etwa als Mixtape, Demoband oder Sprachlernkassette. Eine Kassettenkultur entstand: Mit Walkman, Ghettoblaster und Autoradio waren die Medien plötzlich überall dabei. In einer kurzweiligen und unterhaltsamen Studie spürt Pia Fruth der Geschichte der Kassette aus verschiedenen Perspektiven nach. Mit der Auswertung neuer Quellen, die von internen Materialien der Firma Philips bis zu Zeitzeugen-Interviews reichen, schließt sie eine Lücke in der bisherigen Forschungsliteratur.
Rezension
Bandsalat oder Revival der Kassette?
Auch im digitalen Zeitalter gibt es sie noch, das Abspiel- und Speichermedium der 1970er und 1980er Jahre, die Kompaktkassette. Wer in diesen Jahrzehnten aufwuchs und selbst mittlerweile Kinder hat, der besitzt mit großer Wahrscheinlichkeit einen Kassettenrecorder und Kinderhörspielkassetten. Diese Medien erfreuen sich nur großer Beliebtheit bei den Jüngeren, sondern auch ungebrochen bei Erwachsenen, zumindest wenn sie Fan der „Drei ???“ sind - der einzigen Hörspielserie, die gegenwärtig immer noch auf Kassetten angeboten wird, was nach Angaben des Labels auch so bleiben soll.
Worin liegt die Faszination der Kompaktkassette, die erstmals 1963 auf der Berliner Funkausstellung mit dem „Taschenrecorder“ der Firma „Philipps“ vorgestellt wurde und es 1969 mit der Apollo 12 auf die Mondmission schaffte? Warum konnte sich dieses haptische Medium gegenüber anderen medialen Produkten etwa Tonbändern oder CDs durchsetzen und eine Omnipräsenz erreichen, die erst das Smartphone im 21. Jahrhundert wieder erlangte?
Wissenschaftlich fundierte Antworten auf diese Fragen gibt das Buch „Record.Play.Stop“ von Pia Fruth. Das im Rahmen einer medienwissenschaftlichen Dissertation an der Eberhard Karls Universität Tübingen entstandene Werk, welches sich durch sehr gute Verständlichkeit, anschauliche Details in historischer Kontextualisierung und gelungenes „Cognitainment“(Han) auszeichnet, beleuchtet das Phänomen Kompaktkassette differenziert aus medienkultureller Perspektive. Zur Analyse der Produktion und des Konsums der Kulturobjekte stützt sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin und erfahrene Hörfunkjournalistin auf Primärquellen aus dem Archiv von „Philipps“, umfangreiche Sekundärliteratur sowie auf acht mit Zeitzeugen geführte Interviews - darunter auch eines mit dem bekannten Tübinger DJ und Musiker Markus Bella -, die mithilfe der Grounded Theory ausgewertet werden.
Technikgeschichtliche, sozialhistorische und kommunikationskulturelle Grundlagen der „Kassettenkultur“ werden von der Medienwissenschaftlerin überzeugend erarbeitet. Dem Speichern und Abrufen von Erinnerungen auf massen- und alltagstagstauglichen Kassetten kommt in der „flüchtigen Moderne“(Bauman) demnach ein wesentlicher Beitrag zur eigenen Identitätsbildung zu, man denke nur an die sehr beliebten, selbst erstellten Mixtapes. Fruth kann zudem belegen, dass die Kommunikation mit den Kompaktkassetten nicht kontrollierbar ist. Hierin könnte m.E. auch die besondere Bedeutung dieses mehr als 50 Jahre alten analogen Mediums für die Zukunft liegen. Im Unterschied zum Smartphone ermöglicht es nämlich keine „smarte Diktatur“(Welzer), in der ein permanenter Zugriff auf die Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer erfolgt. Durch die Berücksichtigung medienphilosophischer, insbesondere medienethischer Aspekte hätte das besondere Profil der Kompaktkassette und des Kassettenrekorders im Unterschied zu digitalen Endgeräten noch schärfer elaboriert werden können, denn technische Artefakte und Technologien sind nicht wertneutral, sie sind immer Ausdruck sozialen Handelns.
Das Buch „Record. Play.Stop“, erschienen in „transcript“-Verlag, kann allen Freudinnen und Freunden der Kompaktkassette zur Lektüre empfohlen werden sowie Lehrkräften, die bei der Medienbildung einen Fokus auf den historisch-systematischen Vergleich unterschiedlicher Speichermedien legen möchten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11
1 Einleitung 15
1.1 Ein sprechendes Notizbuch im Weltraum: Kassetten sind überall 15
2 Technische Entwicklungen auf dem Weg zur Kompaktkassette 39
2.1 Mediales Speichern 39
2.2 Die Weltsensation: erste mechanische Aufnahmen aus der Konserve 46
2.3 „I can make a better one“: die Magnetband-Story 55
2.4 Auf dem Weg zur Kompaktkassette: Schwierigkeiten mit dem Tonband 64
2.5 Die Kompaktkassette kommt auf den Markt 84
2.6 Die Kompaktkassette wird erwachsen 91
2.7 „Bye, bye Kassette“ 101
2.8 Zwischenresümee eins 106
3 Tape on me: Versuch einer Sozialgeschichte der Kassette 113
3.1 The American Way of Life: Unterhaltung, Konsum und Massenwaren 122
3.2 Von Moden, Müttern und Medien: Jugend- und Protestkultur 140
3.3 „Always on the run“: Mobilität als Kennzeichen eines modernen Lebensstils 174
3.4 „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt“: Individualisierungen 204
3.5 Zwischenresümee zwei 217
4 „Anybody out there?“: Kassettenkultur als Kommunikationskultur 221
4.1 Kassetten in Kommunikationsnetzwerken 227
4.2 Kassetten als Mittel der wechselseitigen Medienkommunikation 234
4.3 Kassetten als Medien der standardisierten Medienkommunikation 291
4.4 Zwischenresümee drei 326
5 Bandsalat: Eine Schlussbetrachtung 331
Literatur 337