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Preise, Markt und Ideologie Zur Kritik von Hayeks Theorie des Wissens
Preise, Markt und Ideologie
Zur Kritik von Hayeks Theorie des Wissens




Karl-Heinz Brodbeck

Metropolis Verlag
EAN: 9783731614678 (ISBN: 3-7316-1467-7)
177 Seiten, kartoniert, 14 x 21cm, April, 2021

EUR 19,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Siehe Verlagsinfo.
Rezension
Deregulierung, Privatisierung, Flexibilisierung sind bekannte politische Forderungen des Neoliberalismus. Historisch nachgewiesen ist, dass er zur Panökonomisierung aller Lebensbereiche führt, globale soziale Ungleichheiten legitimiert, Demokratie delegitimiert und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen forciert. Nach der Finanz- und Bankenkrise 2008 wurde geunkt, diese ökonomische Theorie habe ihr Kapital in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft verspielt. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein, selbst in Zeiten der Corona-Pandemie besitzt der Neoliberalismus ein Beharrungsvermögen als gesellschaftspolitisch dominanter Ordnungsdiskurs. Dieses resultiert sicherlich auch daraus, dass Hauptvertreter neoliberaler Ökonomik wie zum Beispiel der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek ihre Theorie als ideologiefrei und empirisch begründet präsentieren, was ihnen seitens der Öffentlichkeit vielfach immer noch abgekauft wird.
Dass die Neoliberalismusvariante von Hayeks keine Wertneutralität für sich beanspruchen kann, deckt Karl-Heinz Brodbeck (*1948) überzeugend in seinem Buch „Preise, Markt und Ideologie. Zur Kritik von Hayeks Theorie des Wissens“ auf. Erschienen ist die Monographie, welche auf Aufsätzen aus den Jahren 2001 bis 2021 basiert, im Metropolis-Verlag. Der Professor im Ruhestand an der Hochschule für angewandte Wissenschaft in Würzburg-Schweinfurt und an der Hochschule für Politik in München zählt zu den profiliertesten kritischen Ökonomen im deutschsprachigen Raum. Bekanntheit erlangte er u.a. durch seine Werke „Entscheidung zur Kreativität“(1995, 4. Aufl. 2010), „Buddhistische Wirtschaftsethik“(2002, 2. Aufl. 2011) und „Die Herrschaft des Geldes“(2009, 3. Aufl. 2022). Brodbeck unterscheidet in seinen Arbeiten klar zwischen neoklassischer und neoliberaler Ökonomie.
In seinem neuen Buch kritisiert Brodbeck fundamentale Annahmen von Hayeks zum Preismechanismus, zur Zinstheorie und zum Wissensbegriff. Dabei gelingt es ihm sehr gut, logische Widersprüche, argumentative Unzulänglichkeiten sowie eine Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards in den Ausführungen des Wirtschaftsnobelpreisträgers - anhand einer genauen Analyse seiner Schriften - zu identifizieren. Lehrkräften der Fächer Ethik, Philosophie, Politik und Wirtschaft liefert die ideologiekritische und wissenschaftstheoretisch reflektierte Untersuchung von Brodbeck produktive Materialien zur kritischen Auseinandersetzung mit der neoliberalen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Wissenstheorie im schulischen Unterricht. Im baden-württembergischen Bildungsplan 2016 für das Fach Ethik wird beispielsweise von den Schüler:innen gefordert, John Rawls` egalitaristische Gerechtigkeitstheorie mit einer weiteren zu vergleichen, zum Beispiel mit der von Friedrich August von Hayek.
Fazit: Karl-Heinz Brodbeck leistet mit seinem tiefschürfenden Buch „Preise, Markt und Ideologie“ einen fundierten Beitrag zur Aufklärung über die noch immer in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft wirkungsmächtige Ideologie des Neoliberalismus.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Friedrich August von Hayek gilt als einer der politisch einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler. Man betrachtet ihn vielfach als Gegenpol zu allen sozialen und sozialistischen Gesellschaftstheorien. Zunächst versuchte er, die Unmöglichkeit einer geplanten Wirtschaft preis- und zinstheoretisch nachzuweisen. Nach einigen Versuchen zog er sich aber aus der kapitaltheoretischen Diskussion zurück und entwickelte eine Theorie des Wissens, in der Preise die zentrale Rolle der Koordination verstreuter Informationen spielen. Schließlich verallgemeinerte er diese Gedanken zu einer sozialen Evolutionstheorie, für die er auch eine Wahrnehmungspsychologie entwickelte.
Das vorliegende Buch greift diese verschiedenen Aspekte seiner Theorie kritisch auf und erklärt, weshalb Hayeks Kapital- und Zinstheorie als Grundlage einer Kritik des Sozialismus scheitern musste. Auch seine Psychologie wie seine Theorie des Wissens weisen an zentralen Punkten Widersprüche und zirkuläre Denkformen auf, die erkenntnistheoretisch unhaltbar sind. Es zeigt sich, dass eine immer wieder durchscheinende ideologische Überzeugung sich in den vermeintlich rein wissenschaftlichen Aussagen durchsetzt und Hayek so theoretisch in die Irre führt. Seine Überlegungen werden jeweils kontextualisiert und mit den Theorien von Karl Marx, Piero Sraffa, John Maynard Keynes und zeitgenössischen Philosophen konfrontiert. Hayeks Kritik totalitärer Staatsformen entpuppt sich zudem - gemeinsam mit Vorstellungen anderer Ökonomen der Österreichischen Schule (Friedrich von Wieser, Ludwig von Mises) - als zwiespältig: Er verteidigt durchaus auch diktatorische Gewalt zur Durchsetzung "freier Märkte".
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 7
2. Hayeks fragwürdige Grundlegung des Neoliberalismus 17
2.1 Einleitung 17
2.2 Markt und Information 21
2.3 Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren? 23
2.4 Regeln des Handelns und Erkennens 29
2.5 Geist als Komplex von Regeln 36
2.6 Neoliberalismus und Deregulierung 39
2.7 Evolutionäre oder planende Vernunft? 42
3. Zur Ökonomik des Wissens 47
3.1 Was ist Wissen? 48
3.2 Einheit und Teilung des Wissens 51
3.3 Die ökonomische Vergesellschaftung des Wissens 53
3.4 Die Rolle der Bilder 55
3.5 Wissen als Teil der Wirklichkeit 59
3.6 Hayeks Theorie des Wissens: Eine Kritik 61
3.7 Hayek als Ideologe 67
4. Keynes, Sraffa und Hayek über den Zins 69
4.1 Zur Kapitaltheorie im Kontext 69
4.2 Das Scheitern von
Hayeks kapitaltheoretischen Versuchen 72
4.3 Kapital und Arbeit als Aggregate 81
4.4 Was heißt Reproduktion, und was heißt Überschuss? 84
4.5 Geldökonomien und langfristige Gleichgewichte 88
4.6 Ungewissheit und die Wirksamkeit des Geldes 94
4.7 Diskussion 98
5. Hayeks Irrwege in der Theorie des Wissens 111
5.1 Die dunkle Seite des Liberalismus 111
5.2 Markt und Wissen 117
5.3 Hayeks Begriffvon „Wissen“ 121
5.4 Zur Theorie des Wissens 124
5.5 The Sensory Order 128
5.6 Hayeks Flirt mit der Kybernetik 131
6. Preise und manipulierte Meinungen 137
Literatur 165