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Philosophie in der veränderten Welt
Philosophie in der veränderten Welt




Walter Schulz

Klett-Cotta
EAN: 9783608910407 (ISBN: 3-608-91040-9)
907 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, 2001

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Aus einem Interview



Schulz: Ich habe in Vorlesungen und Büchern immer versucht, durch den positiven oder negativen Bezug auf die Tradition die Gegenwart zu analysieren. Das ist meistens gut angekommen. Die akademische Philosophie schon lange die einfachen, großen Fragen, etwa jene nach dem Tod und der Unsterblichkeit oder nach der Einzigartigkeit der menschlichen Vernunft in der Natur, nach der Chance des Guten angesichts der Grausamkeit des Menschen, nach der Chance der Vernunft in der Geschichte. Also die alten Fragen der Metaphysik – sie werden meistens ausgespart oder zur Privatsache erklärt. Das habe ich immer für falsch gehalten.

Spiegel: Mit der Konsequenz...

Schult: ... daß ich mir stets auch die Fragen von Platon bis Schelling gestellt habe; wobei ich immer wieder grübeln mußte: Was ist eigentlich am Ende dieser Tradition passiert – mit Marx, Freud, Darwin und schließlich Heidegger? Sie haben die Schwächen der idealistischen Denktradition aufgezeigt und die immense Bedeutung des Ökonomischen, des Unbewußten, des Körperlichen, der alltäglichen Todeserfahrung entdeckt. Aber damit sind doch die alten Fragen, etwa auch jene nach der Wechselwirkung zwischen Weltverständnis und Selbstbewußtsein, nicht einfach erledigt. DER SPIEGEL 26/1996


Rezension
Walter Schulz (1912-2000), Tübinger Professor für Philosophie (1955-1978), legte 1972 der Öffentlichkeit sein 907 Seiten umfassendes Hauptwerk vor. Dieses Buch erschien im Jahre 2001 in siebter Auflage im Verlag „Klett–Cotta“. Mit seinem opus magnum verfolgt der Philosoph die Intention, einen Beitrag zur Orientierung in der Gegenwart durch deren philosophische Analyse zu leisten. Seine Hauptthese lautet dabei: „die Philosophie orientiert sich über sich selbst, indem sie die Zeit bin Gedanken zu erfassen sucht.“ (S. 8) Schulz gliedert seine „Gegenwartsanalyse“ in fünf Teile, die sich philosophischen Teildisziplinen zuordnen lassen: Wissenschaftstheorie, Metaphysik, Anthropologie, Geschichtsphilosophie und Ethik. Der Philosoph bedient sich in seinem Hauptwerk des historisch-systematischen Ansatzes, so dass die einzelnen Großkapitel des Werks eine Geschichte ausgewählter Gegenwartsprobleme liefern
Stellt man sich die Frage, ob das Werk von Schulz, das vor mehr als 30 Jahren erstmals erschien, für den heutigen Diskurs noch eine Bedeutung besitzt, so muss dieses bejaht werden. Zunächst einmal imponiert angesichts der Universalitätsansprüche mancher Neurowissenschaftler das Bestreben des Tübinger Philosophen eine umfassende Zeitanalyse aus der Perspektive der Philosophie (!) zu geben. Gegenüber dem Rückzug der Philosophie in Randbereiche belegt Schulz zudem die Aktualität der traditionellen Fragen der Metaphysik, z. B. nach dem Guten und Bösen, dem Verhältnis von Leib und Seele, der Stellung des Menschen in der Geschichte.
Außerdem enthält Schulz` Buch Kapitel zu Themen des Philosophie- und Ethikunterrichts wie Logischer Positivismus, 'nichtspekulative Anthropologie', Historismus oder Psychoanalyse Freuds.
Besondere Bedeutung für den Ethikunterricht kommt Schulz` „Aufriß einer zeitgemäßen Ethik“ (S. 698-840) zu. Der Philosoph unternimmt den Versuch eine Ethik-Konzeption zu entwerfen, die nicht an metaphysische Voraussetzungen gebunden ist. In das Zentrum dieses Entwurfs rückt er den Begriff der „Verantwortung“. Des Weiteren trifft er die fruchtbare Unterscheidung zwischen „Ethik im Nahhorizont“ und „Ethik im Fernhorizont“. Wie in seinen oft überfüllten Vorlesungen gelingt es Schulz auch in seinem Hauptwerk, philosophisch schwierige Sachverhalte in einer gut verständlichen Sprache zu formulieren, ohne deren Komplexität zu nivellieren. Das Hauptwerk des Philosophen kann daher jedem Philosophie- und Ethiklehrer, der sich mit philosophischen Grundfragen auseinandersetzen möchte, nur empfohlen werden.

Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Dietrich, Böhler, Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Das Opus magnum von Walter Schulz ist eine so umfassende wie umsichtige, das Selbstverständnis unserer Epoche aufklärende Topik von Grundproblemen der verwissenschaftlichen Zivilisation."

Richard Schaeffler, Philosophische Rundschau
"Wer wissen will, was Philosophie leisten muß, um zu klären, was Verantwortung heute verlangt, wird an diesem Buch nicht vorbeigehen können."

Walter Schulz (1912-2000) ist unter den bedeutenden deutschen Philosophen der Nachkriegszeit eine Ausnahme: Auch in der Erörterung komplizierter metaphysischer Themen bleibt seine Sprache klar und verständlich, fast populär, doch ohne populistische Anbiederung. Gleichwohl wurde er von seinen berühmten, anspruchsvollen Lehrmeistern Hans-Georg Gadamer und Martin Heidegger stets geschätzt. Walter Schult lehrte von 1955 bis 1978 an der Universität Tübingen.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt


Vorwort 7


Erster Teil
Verwissenschaftlichung 11
A. Der Bezug von Philosophie und Wissenschaft unter dem
Aspekt der gegenwärtigen Philosophie 17
1. Kapitel: Husserl 21
2. Kapitel: Der Logische Empirismus 29
3. Kapitel: Karl. R. Popper 79

B. Strukturen der gegenwärtigen Wissenschaft 88
1. Kapitel: Der gebrochene Gegenstandsbezug 97
2. Kapitel: Theorie und gesellschaftliche Realität 145
3. Kapitel: „Denkbezug“ und Information 208


Zweiter Teil
Verinnerlichung 247
A. Philosophie als Bewegung zum Unendlichen 253

B. Die Philosophie der Existenz als Bewegung der Verendlichung 272
1. Kapitel: Kierkegaard 276
Exkurs: Husserl 285
2. Kapitel: Heidegger 291
3. Kapitel: Sartre 302
4. Kapitel: Jaspers 315

C. Zur Überwindung der Philosophie der Subjektivität 326


Dritter Teil
Vergeistigung und Verleiblichung 355
A. Die metaphysische Anthropologie unter dem Prinzip der Vergeistigung 339

B. Die metaphysische Anthropologie unter dem Prinzip der Verleiblichung 369
1. Kapitel: Feuerbach 371
2. Kapitel: Der späte Schelling 377
3. Kapitel: Kierkegaard 388
4. Kapitel: Schopenhauer 399
5. Kapitel: Nietzsche 408

C. Die Epoche der nichtspekulativen Anthropologie 419
1. Kapitel: Scheler 421
2. Kapitel: Plessner 433
3. Kapitel: Gehlen 442

D. Die Aufhebung der philosophischen Anthropologie 457


Vierter Teil
Vergeschichtlichung 469
A. Zur Entwicklung der Geschichtsproblematik von den Griechen bis zur Aufklärung 473

B. Stufen des Historismus 492
1. Kapitel: Hegel 494
2. Kapitel: Die Aufhebung der Geschichtsphilosophie Hegels in den Geschichtskonzeptionen des späteren 19. Jahrhunderts 508
3. Kapitel: Dilthey 514
4. Kapitel: Die Existenzphilosophie 523
5. Kapitel: Die Vollendung des geschichtlichen Bewußtseins 531
Exkurs: Die gegenwärtigen Chancen der historischen Geisteswissenschaften 542
6. Kapitel: Marx 553
7. Kapitel: Geschichtskonzeptionen im Gegenzug zum Historismus 567

C. Tendenzen zur Enthistorisierung in der gegenwärtigen Wissenschaft 581

D. Anmerkungen zu einer zeitgemäßen „Philosophie der Geschichte“ 595
1. Kapitel: Die Dialektik von Macht und Ohnmacht in der Geschichte 602
2. Kapitel: Die Frage nach dem Sinn der Geschichte 610
3. Kapitel: Zur Revision der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft 614
4. Kapitel: Die Menschheit als werdendes Subjekt der Geschichte 624


Fünfter Teil
Verantwortung 629
A. Das Problem der Ethik in der Tradition 635

B. Zur Situation der Ethik in der Gegenwart 643
1. Kapitel: Die gegenwärtigen ethischen Grundeinstellungen 643
2. Kapitel: Die Protestaktionen der Intellektuellen 665
3. Kapitel: Die Psychoanalyse und ihre Auswirkungen 673

C. Aufriß einer zeitgemäßen Ethik 698
1. Kapitel: Voraussetzungen und Grundbegriffe 700
2. Kapitel: Gut und Böse 718
3. Kapitel: Ethische Maximen der Gegenwart 738
4. Kapitel: Instanzen der Ethik 748
5. Kapitel: Die Dialektik von Freiheit und Unfreiheit als Grundproblem der Ethik 752
6. Kapitel: Sittlichkeit und Moralität 781
7. Kapitel: Zur Ethik im Nahhorizont 791
8. Kapitel: Zur Ethik im Fernhorizont 798


Nachwort. Dialektische Wirklichkeit 841
Anmerkungen 855
Namenregister