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Moral ohne Prinzipien? Zur Kritik normativer Moraltheorien
Moral ohne Prinzipien?
Zur Kritik normativer Moraltheorien




Tobias Gutmann

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826063190 (ISBN: 3-8260-6319-8)
264 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2018

EUR 49,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Für viele Philosophen besteht die zentrale Aufgabe der Moralphilosophie darin, Prinzipien zu formulieren. Diese Prinzipien sollen uns im moralischen Denken und Handeln anleiten und sie sollen die letzte Begründung für unsere moralischen Urteile liefern. Ausgerüstet mit dem Handwerkszeug der analytischen Philosophie untersucht Gutmann die diesem Bild der Moralphilosophie zugrundeliegenden Voraussetzungen. Dabei weist er nach, dass wir nicht notwendigerweise der Prinzipien bedürfen, um adäquat über moralische Fragen nachzudenken, und dass Prinzipien auch keinesfalls als Endpunkt jeglicher moralischer Rechtfertigung angesehen werden können. Darüber hinaus erläutert Gutmann die immensen Schwierigkeiten, Prinzipien auf eine so klare und eindeutige Weise zu formulieren, dass sie tatsächlich eine Hilfe bei der Lösung moralischer Fragen sein können. Ergänzt werden diese eher negativen Befunde durch eine Konzeption moralischer Erkenntnis, die zeigt, auf welche Art und Weise sich begründete moralische Urteile auch ohne die Anwendung moralischer Prinzipien gewinnen lassen.

Der Autor Tobias Gutmann studierte Philosophie, Neuere Deutsche Literatur und Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und promovierte mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Duisburg-Essen. Derzeit forscht und lehrt er an der Technischen Universität Chemnitz.
Rezension
Prinzipien spielen in der Ethik eine große Rolle, vor allem eine deontologische Ethik gründet auf unumstößlichen Prinzipen und Grund-Normen. Je situationsethischer es wird, um so mehr scheinen Prinzipien nicht mehr unumstößlich zu sein, gleichwohl sind sie vorhanden, auch in den Nicht-Pflichten-Ethiken wie den Utilitaristischen Ethiken. Diese überarbeitete Dissertion spürt kritisch der Frage nach, inwieweit Prinzipien für die Moralphilosophie notwendig sind und zeigt auf, dass wir nicht notwendigerweise der Prinzipien bedürfen, um adäquat über moralische Fragen nachzudenken. Normative Moraltheorien sind folglich nicht zwingend die Quelle und das Fundament unseres morlaischen Wissens und müssen beim Nachdenken über moralische Fragen keineswegs eine zwingende Rolle spielen. Die Anwendung moralischer Prinzipien ist nicht der Königsweg zur Lösung moralischer Fragen.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 11
Einleitung 13

Kapitel 1: Moralische Prinzipien und Urteilskraft 17

1. Moralische Prinzipien 17
1.1 Wozu moralische Prinzipien? Sind sie bloß nützlich oder gar notwendig? 17
1.2 Skeptische Fragen 22
1.3 Gemeinsamkeiten mit der Anti-Theorie und dem Partikularismus 26

2. Moralische Prinzipien 30
2.1 Was sind moralische Prinzipien? 30
2.2 Verschiedene Arten moralischer Prinzipien 35
2.2.1 Sollens- und Gründeprinzipien 35
2.2.2 Brücken- und intramoralische Prinzipien 36
2.2.3 Vier Arten moralischer Prinzipien 37

3. Urteilskraft und moralische Prinzipien 38
3.1 Die Notwendigkeit der Urteilskraft 38
3.1.1 Die Fähigkeit zum korrekten Schlussfolgern 39
3.1.2 Die Fähigkeit zum Erkennen der moralisch relevanten Eigenschaften 39
3.1.3 Genuin moralische Urteilskraft 40
3.2 Kann Urteilskraft die Prinzipien ersetzen? 42
3.3 Urteilskraft als Fähigkeit zum Erkennen von Ausnahmen? 44

4. Zusammenfassung und Vorschau 46

Kapitel 2: Muss es moralische Prinzipien geben? Kann es sie geben? 49

1. Argumente zugunsten der Existenz moralischer Prinzipien 49
1.1 Supervenienz 51
1.2 Universalisierbarkeit 54
1.3 Andere Bedeutungen von „Universalisierbarkeit"? 57
1.4 Die Erklärbarkeit moralischer Urteile 59

2. Der Holismus der Gründe als Argument gegen Prinzipien 63
2.1 Funktionieren Gründe holistisch? 65
2.1.1 Überwogene Gründe? 66
2.1.2 Komplexe Gründe? 72
2.1.3 Führt der Holismus zu einer Nivellierung der moralischen Landschaft? 76
2.2 Spricht der Holismus der Gründe gegen moralische Prinzipien? 77
2.3 Der Holismus der Gründe als indirektes Argument? 80

3. Fazit 82

Kapitel 3: Außermoralische Begründung von Prinzipien? 85

1. Allgemeine Überlegungen zur außermoralischen Begründung moralischer Prinzipien 86
1.1 Schlüsse vom Sein aufs Sollen 86
1.2 Schlüsse vom nichtmoralischen aufs moralische Sollen 88
1.3 Reduktionen vom Sollen aufs Sein und vom moralischen aufs nichtmoralische Sollen 90

2. Zwei konkrete Vorschläge zur Begründung moralischer Prinzipien 94
2.1 Hares Begründung eines utilitaristischen Prinzips 94
2.1.1 Hares Argumentation 95
2.1.2 Woher kommt Hares „Sollen" 99
2.1.3 Was heißt es, einen Imperativ zu akzeptieren? 100
2.2 Korsgaards Begründung der „Moral der Aufklärung" 106
2.2.1 Korsgaards Argumentation 106
2.2.2 Sind verständliche Gründe Gründe für alle? 111
2.2.3 Muss man sich selbst als Mensch für wertvoll halten? 112

3. Fazit 114

Kapitel 4: Wie man Prinzipien testen kann 117

1. Die Begründung moralischer Prinzipien 118
1.1 Eine Analogie zum Vorgehen in den empirischen Wissenschaften 118
1.2 Moralische Urteile, die sich aufdrängen 118
1.3 Ist das moralisches Sehen? Sind das moralische Intuitionen? 120
1.4 Wovon handeln sich aufdrängende moralische Urteile? 122

2. Kann man sich aufdrängenden moralischen Urteilen vertrauen? 125
2.1 Verzerrung durch Darstellung, Reihenfolge und Kontext 125
2.2 Verzerrung durch evolutionäre Einflüsse 127
2.3 Weitere Gründe, sich aufdrängenden moralischen Urteilen zu misstrauen? 130
2.4 Ein letzter Einwand: Die Divergenz der moralischen Urteile 133
2.4.1 Wie sehr divergieren die moralischen Ansichten? 135
2.4.2 Was erklärt diese Divergenz? Was folgt aus ihr? 139
2.4.3 Fazit 142

3. Exkurs: Die Normativität moralischer und epistemischer Urteile 142
3.1 Normative epistemische Tatsachen 143
3.2 Motivationale Aspekte 146
3.2.1 Muss man stets motiviert sein, entsprechend der moralischen Urteile zu handeln? 147
3.2.2 Keine Motivation ohne Wunsch? 148

4. Fazit 151

Kapitel 5: Schwierigkeiten bei der Formulierung moralischer Prinzipien 153

1. Der kategorische Imperativ 154
1.1 Die Universalisierungsformel 154
1.1.1 Gegenbeispiele 157
1.1.2 Eine Modifikation des Prinzips zur Rettung? 158
1.2 Die Selbstzweckformel 161
1.2.1 Geht es um Würde? 161
1.2.2 Geht es um Zustimmung? 162

2. Utilitarismus 163
2.1 Handlungsutilitarismus 163
2.1.1 Gegenbeispiele 164
2.1.2 Rettung durch allgemeine moralische Urteile? 165
2.1.3 Utilitarismus mit anderen Werten? 168
2.2 Regelutilitarismus 172
2.2.1 Gegenbeispiele 172
2.2.2 Rettung durch eine Modifikation des Prinzips? 173

3. Gründeprinzipien und ihre Modifikationen 175
3.1 Ross' Prinzipien 175
3.1.1 Besteht stets ein moralischer Grund, sich an seine Versprechen zu halten? 176
3.1.2 Besteht stets ein moralischer Grund, die Wahrheit zu sagen? 179
3.1.3 Besteht stets ein moralischer Grund, nicht zu töten? 181
3.1.4 Allgemeine Beobachtungen zu den diskutierten Gründeprinzipien 184
3.2 Prinzipien mit dichten ethischen Begriffen? 185
3.2.1 Wechsel der Valenz bei dichten ethischen Begriffen? 186
3.2.2 Schwierigkeiten mit dichten ethischen Begriffen 189

4. Fazit 194

Kapitel 6: Moralisches Urteilen ohne Prinzipien 201

1. Argumente zugunsten der Notwendigkeit moralischer Prinzipien 202
1.1 Prinzipien oder Willkür? 202
1.2 Nachdenken über Moral als rein deduktive Tätigkeit? 204
1.2.1 Die Begründung von moralischen Prinzipien 205
1.2.2 Gegenbeispiele 206
1.2.3 Alternativen zum deduktiven Modell 208
1.2.4 Rechtfertigung als deduktive Tätigkeit? 210
1.3 Prinzipien als beste Erklärung für „practical wisdom"? 214
1.4 Prinzipien konstituieren die Urteilskraft? 217

2. Regelfetischismus? 219

3. Genuin moralische Urteilskraft 222
3.1 Geheimnisvolle Urteilskraft 222
3.2 Urteilskraft — passiv und aktiv 223
3.2.1 Erkennen, was Sache ist 225
3.2.2 Erkennen, ob verzerrende Faktoren vorliegen 227
3.2.3 Vergleiche von Fällen 228
3.2.4 Erkennen, was moralisch relevant ist 232
3.3 Aktivische Urteilskraft und sich aufdrängende Urteile 238
3.4 Fazit 240

4. Moralische Prinzipien — Anspruch und Wirklichkeit 241
4.1 Moralische Prinzipien sind kein notwendiger Bestandteil der Moral 242
4.2 Moralische Prinzipien haben keine besondere Autorität 242
4.3 Moralische Prinzipien taugen kaum zur Lösung drängender moralischer Fragen 244
4.4 Erklärungen unter Berufung auf moralische Prinzipien sind optional 246
4.5 Moral und normative Moraltheorien 247

Literaturangaben 251
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