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Metapher
Metapher




Katrin Kohl

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476103529 (ISBN: 3-476-10352-8)
196 Seiten, paperback, 11 x 19cm, 2007, 10 s/w Abb.

EUR 14,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Metaphern gibt es in jeder Art von Kommunikation von der Alltagssprache über Fachsprachen bis hin zur Lyrik. Dieser Band erkundet metaphorische Prozesse zwischen Kognition und sprachlichem Ausdruck sowie die Funktionen der Metapher anhand von zahlreichen Beispielen. Die Autorin grenzt die Metapher von anderen Formen bildlicher Rede ab (z.B. Vergleich, Metonymie, Allegorie und Symbol) und gibt einen Überblick über verschiedene Metapherntheorien.
Rezension
Die Metapher gehört nicht nur zu den am weitesten und in den verschiedensten Kommunikationszusammenhängen verbreiteten rhetorischen Figuren, sie gilt auch als überaus komplex und hat verschiedene Metapherntheorien hervorgebracht. Zugleich muss sie von anderen Formen bildlicher Rede unterschieden werden, wie z.B. Vergleich, Allegorie oder Symbol. Die Metapher (griech. „Übertragung“, von metà phérein - „anderswohin tragen“) ist eine rhetorische Figur, bei der ein Wort nicht in seiner wörtlichen, sondern in einer übertragenen Bedeutung gebraucht wird, und dabei so, dass zwischen der bezeichneten Sache und der übertragen gemeinten Sache eine Beziehung der Ähnlichkeit besteht.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Bedeutung, Theorien, Wirkungsweisen
Mit vielen Beispielen aus Fachliteratur, Dichtung und Presse
Mit Literaturverzeichnis, Personen- und Sachregister

Von "Atemkristall" bis "letzte Reise" – die Metapher in Alltagskommunikation, Fachsprache und Lyrik. Wie wirkt die Metapher? Wie unterscheidet sie sich von Allegorie, Symbol oder Vergleich? Der Band klärt alle Fragen und veranschaulicht anhand vieler Beispiele die Funktion bildlicher Sprache.

Autorin:
Katrin Kohl (geb. 1956) ist Faculty Lecturer an der Universität Oxford und Fellow am Jesus College; Veröffentlichungen zur Literatur des 18. und 20. Jahrhunderts und zur Theorie und Praxis der Metapher
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Abkürzungen VIII

1. Die Metapher zwischen Kognition und Sprache 1

2. ›Bildliche‹ Sprache 8

3. Metapher 19
3.1 Uneigentlichkeit 25
3.2 Konzeptuelle Bereiche 30
3.3 Metaphorische Prozesse 39
3.4 Grammatik der Metapher 46
3.5 Kontextabhängigkeit 50
3.6 Konvention und Kreativität 55
3.7 Funktionen 64

4. Begriffe im Umkreis der Metapher 73
4.1 Vergleich und Analogie 73
4.2 Metonymie und Synekdoche 77
4.3 Gleichnis und Parabel 82
4.4 Allegorie 87
4.5 Emblem 93
4.6 Symbol 99

5. Theoretische Ansätze 106
5.1 Grundlegung: Aristoteles 108
5.2 Wirkung durch Sprache: Cicero, Quintilian, Longin 111
5.3 Das weite Feld nachantiker Metapherntheorie 114
5.4 Kognitive Perspektiven 119
5.5 Ein ganzheitlicher Ansatz 122

6. Die Metapher als interdisziplinäres Mittel der Erkenntnis, Identitätsstiftung und Veränderung 129
6.1 Sprache als Wissenschaft, Praxis und Kunst 134
6.2 Philosophie und andere Geisteswissenschaften 139
6.3 Sozialwissenschaften 143
6.4 Mathematik und Naturwissenschaften 146
6.5 Recht, Politik und Wirtschaft 149
6.6 Künste jenseits der Sprache 153

7. Literaturverzeichnis 157
7.1 Grundlagenwerke 157
7.1.1 Bibliographien, Zeitschriften und Websites 157
7.1.2 Rhetorik 157
7.1.3 Philosophie, Ästhetik, Poetik, Literaturwissenschaft 158
7.1.4 Linguistik und Kognitionswissenschaften 158
7.2 Theorie und Forschung zur Metapher 159
7.3 Andere Quellen 171

Personenregister 178
Sachregister 182


Leseprobe:
1. Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
Es ist kaum kontrovers, dass die folgenden Äußerungen ›Metaphern‹
sind: ›Die Sonne lacht‹, ›Er hat die letzte Reise angetreten‹, ›Rot ist
die Liebe‹ und »Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust« (Goethe:
Faust I, Vor dem Tor; 57). Für die Defi nition bietet die antike Metapherntheorie
noch immer einen hilfreichen Ausgangspunkt: Es
handelt sich um die Verwendung eines Wortes oder einer Wortgruppe
in ›übertragener‹, »uneigentlicher Bedeutung« (Aristoteles:
P, 21; 67) beziehungsweise um einen ›verkürzten Vergleich‹ (Quintilian,
VIII, 6, 8; Bd. 2, 221). So steht das vom Menschen auf die
Sonne ›übertragene‹ Verb ›lachen‹ für das ›wörtliche‹ Verb ›scheinen‹,
und die euphemistische Darstellung des Sterbens als ›letzte Reise‹
lässt sich aus dem Vergleich ›Das Leben ist wie eine Reise‹ (bzw.
›Serie von Reisen‹) herleiten. Vorausgesetzt ist eine logische Beziehung
zwischen dem ›eigentlichen‹ und dem ›uneigentlichen‹ Wort;
fokussiert ist der von der ›wörtlichen‹ Rede abweichende sprachliche
Ausdruck.
Man gelangt allerdings schnell an den Punkt, wo die metaphorische
Struktur nicht eindeutig ist – auf welcher Analogie basiert
zum Beispiel die topische Metapher ›Rot ist die Liebe‹? – oder wo
der Kontext mitwirkt, so bei den Worten des in sich zerrissenen
Faust. Manche Metaphern entziehen sich der logischen ›Aufl ösung‹,
so Paul Celans berühmte »Schwarze Milch der Frühe« (Todesfuge,
V. 1 u.ö.). Eine solche Metapher kann man entweder als ›absolute
Metapher‹ aus der ›normalen‹ Kommunikation ausgrenzen oder aber
als theoretische Herausforderung begreifen, die zur Erkundung der
sprachlichen und kognitiven Funktion von Metaphern reizt.
Schon Aristoteles verweist auf die kognitive Dimension der Metapher,
wenn er bemerkt, das Bilden guter Metaphern beruhe auf
der Fähigkeit, »wie [...] in der Philosophie [...] das Ähnliche auch
in weit auseinander liegenden Dingen zu erkennen« (R, III, 11,
5; 194f.). Im Laufe des 20. Jahrhunderts stellt sich zunehmend
die Frage, was mit dem Terminus ›Metapher‹ eigentlich bezeichnet
ist: ein technisches Merkmal des sprachlichen Ausdrucks, ein klar
defi nierbares semantisches Phänomen oder ein komplexer, mit anderen
mentalen Vorgängen zusammenhängender Prozess. Dabei ist
die Antwort meist abhängig von dem jeweiligen disziplinären Interesse
an der Beziehung zwischen Denken und Sprache. So steht
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tendenziell in der Literaturwissenschaft die sprachliche Form oder
rezeptionsästhetische Funktion der Metapher im Vordergrund; in
der Rhetorik die psychologische Wirkung; in der Philosophie die
Ausgrenzung der Metapher oder Defi nition ihrer kognitiven Leistung;
in der kognitiven Linguistik, Psychologie und Neurologie ihre
mentale Struktur und Wirkung; in den Naturwissenschaften ihre
Gefahr als ›Denkfalle‹ oder ihr Beitrag zur Erkenntnisgewinnung;
in Politik und Wirtschaft ihr Einfl uss auf das Handeln. Generell besteht
die Neigung, je nach Interesse einen Teil des metaphorischen
Prozesses zu isolieren.
Es ist in der Metaphernforschung allgemein anerkannt, dass Aristoteles
die Grundlegung der Metapherntheorie mittels einer metaphorischen
Verwendung des Wortes metaphora (Übertragung) vollzieht
– es handelt sich ja um ein kognitiv-sprachliches Phänomen,
nicht um einen physischen Akt des ›Hinübertragens‹, und der ›Bereich‹,
wo das Getragene herkommt, ist bezüglich seiner Struktur
und Grenzen so metaphorisch wie der ›Bereich‹, in den es getragen
wird. Anerkannt ist ebenfalls, dass in der Folgezeit »die Beschreibung
der metaphorischen Prozedur selbst wieder Metaphern voraussetzt
« (Kurz 2004, 7; vgl. auch Rolf 2005, 3 u. 68). Die daraus
folgende Abhängigkeit jeder Metapherntheorie von Metaphern
wird allerdings zumeist im Interesse einer Durchsetzung der eigenen
Perspektive ausgeblendet. Es ist jedoch notwendig, diese Metaphorizität
der Begriffe und Beschreibungen zu berücksichtigen, um
präsent zu halten, dass die begriffl ichen ›Defi nitionen‹ beziehungsweise
›Abgrenzungen‹ zwar für die wissenschaftliche Arbeit unerlässliche
Hilfsmittel darstellen, aber keinen Absolutheitswert beanspruchen
können. Aus diesem Grunde ist auch eine Einschränkung
jener Begriffe, mit denen der metaphorische ›Übertragungs‹-Prozess
beschrieben wird (s.u., S. 41–43) nicht sinnvoll; hilfreicher ist es,
für unterschiedliche Effekte eine Vielfalt von Beschreibungsweisen
verfügbar zu halten.
Die Leistung der antiken Metapherntheorie besteht nicht zuletzt
darin, dass sie das große Spektrum dessen, was auch heute in Bezug
auf die Metapher und verwandte Phänomene diskutiert wird, entworfen
und terminologisch ausdifferenziert hat. Berücksichtigt ist
sowohl die ›innere‹ mentale als auch die ›äußere‹ artikulierte Sprache
unter Einbezug des rationalen Denkens und der Emotionen, und
über die Rhetorik ist grundsätzlich der körperliche, moralische, handelnde
Mensch miteinbezogen. Angelegt ist schon hier eine Komplexität,
die in der Folgezeit eine breite Vielfalt unterschiedlicher
theoretischer Ansätze hervorbringt – und nicht zuletzt unterschiedliche
Defi nitionen der Metapher.
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
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Die Spannungen erwachsen vor allem aus der Frage, welcher
Stellenwert der Metapher in der Beziehung zwischen Kognition
und Sprache zukommt. Denn sie führt in ein Gebiet, das schon
zwischen Platon und den Sophisten hart umkämpft war und das
in der heutigen Philosophie, Literaturwissenschaft und Linguistik
nicht weniger brisant ist, da hier ›Objektivismus‹ und ›Konstruktivismus‹
und deren weniger radikale Spielarten aufeinandertreffen
(vgl. Ortony 1993b; Drewer 2003, 34–40; vgl. auch grundsätzlich
zum ›sprachlichen Relativitätsprinzip‹ Gardt 1999, 230–245). Kon -
trovers bleiben insbesondere die ›Grenzen‹, die der Defi nition dienen:
zwischen individueller und kollektiver Sprache, zwischen mentaler
und artikulierter Sprache, zwischen mentalen Prozessen.
Eine Diskussion der Metapher ist in diesem Spannungsfeld nie
neutral, und das Unterfangen von Eckard Rolf, mit seiner Studie
Metaphertheorien »sämtliche« Theorien »in vollem Umfang« zu erfassen,
dürfte schon vom Ansatz her verfehlt sein (2005, Umschlag
und S. 1). Wenn er den »Vorteil« geltend macht, »daß ihr keine ›eigene‹
Metaphertheorie zugrundeliegt« (ebd., 5f.), so zeigt sich schon
in diesem Anspruch ein spezifi sch objektivistischer, philosophisch
orientierter Ansatz (s.u., S. 106). Es soll hier kein wie auch immer
gestalteter Überblick über das theoretische Feld geliefert werden. Ziel
ist vielmehr ein breit angelegter Ansatz, der die Wirkungsweise der
Metapher zwischen Denken und Sprache verfolgt. Denn bedenkenswert
ist nach etwa fünfundzwanzig Jahrhunderten der Diskussion um
die Metapher das Fazit des Metaphern-Veteranen M.H. Abrams:
An emerging conclusion is that the diverse accounts of metaphor need not
be mutually exclusive, in that each is directed especially to a particular one of
many kinds of metaphor or functions of metaphor, or focuses on a different
moment in the process of recognizing and understanding a metaphor, or is
adapted to the perspective of a distinctive world view. (Abrams 1999, 157f.)
Wenn dieses relativistische Ergebnis lediglich den Standpunkt unseres
relativistischen Zeitalters refl ektiert, so mag dies als Bestätigung
von Abrams’ These gelten.
Angestrebt wird im Folgenden die Herausarbeitung brauchbarer
Ansatzpunkte für das Verständnis metaphorischer Prozesse und
Funktionen. Unternommen wird dies auf der Basis der von Saussure
entworfenen Sprachtheorie unter Einbezug von Metapherntheorien
der kognitiven Linguistik einerseits und der Rhetorik andererseits.
Vorausgesetzt ist die Ganzheitlichkeit des ›Kreislaufs‹ von Sprecher/
Autor – Äußerung/Werk – Rezipient, bei dem der Rezipient wiederum
zum Sprecher/Autor werden kann und immer auch der Kontext
am gesamten Prozess beteiligt ist (s. Kap. 5.5).
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
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Saussures ›Kreislauf des Sprechens‹
Einem neurowissenschaftlichen Standardwerk zufolge ist Ferdinand
de Saussures – von Schülern überlieferter – Cours de linguistique
générale »the foundational canon of the modern sciences of language
« (Shapiro/Caramazza in Gazzaniga 2004, 803). Wirksam war
Saussures Gründungsakt nicht zuletzt deshalb, weil er die Sprache
in ihrer ganzen Reichweite für die Forschung zugänglich machte.
Das von ihm entworfene Projekt berücksichtigt die ›Rede‹ (langage)
unter Einbezug ihrer physischen, physiologischen und psychologischen
Aspekte, die ›Redefähigkeit‹ (faculté de langage), das ›Sprachsystem
der Sprachgemeinschaft‹ (langue) sowie den individuell verwirklichten
Akt des ›Sprechens‹ (parole) (Saussure 1982, 23–32;
Saussure 2001, 9–18). Wenn auch Saussure die wissenschaftliche
Abgrenzung anstrebte und die Bedeutung der langue hervorhob,
so ist doch festzuhalten, dass er von einem ganzheitlichen Prozess
ausging.
Die Wechselbeziehung zwischen psychologischen, physiologischen
und physischen Prozessen verdeutlicht folgendes Diagramm:
Saussures »Kreislauf des Sprechens« (circuit de la parole), bestehend aus psychologischen,
physiologischen und physischen Prozessen (Saussure 2001,
14)
Das Bild zeigt jene körperbezogenen Grenzen zwischen ›innen‹ und
›außen‹, die für unsere Vorstellung von Sprache zentral sind, beispielsweise
in Redewendungen wie ›Ich bring’s nicht über die Lippen‹
oder ›Sie hat immer ein offenes Ohr für unsere Probleme‹.
Dass hiermit eine fundamentale Frage der Konzeptualisierung von
Sprache ins Zentrum rückt, geht aus der langen Diskussion um die
Bedeutung des logos-Begriffs hervor, den Johann Gottfried Herder
– nicht unkontrovers – ›grenzüberschreitend‹ defi niert: »Es ist be-
A B
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
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kannt, daß λογος das innere und äußere Wort, Vorstellung von innen
und Darstellung von außen bedeute« (Herder 1884, 356). Wenn
Saussure daraus einen ›Kreislauf‹ macht, so verdeutlicht er die fl ießenden
Übergänge zwischen psychologischen, physiologischen und
physischen Prozessen, aus denen sich ›Rede‹ konstituiert. Das Diagramm
macht bewusst, wie mühelos wir zumeist im Akt der Kommunikation
diese Grenzen passieren – denn unsere Sprache ist auf
genau diese ›Übergänge‹ spezialisiert.
Ein zweites Diagramm zeigt ein Modell von den Übergängen
zwischen Vorstellung (concept), ebenfalls mentalem ›Lautbild‹ (image
acoustique) und physischem Laut, wobei nun die ›Köpfe‹ von oben
dargestellt sind:
Saussures »Kreislauf« ›von oben‹ gesehen (Saussure 2001, 14)
Gezeigt wird eine Abfolge: der Übergang von der psychologischen
Vorstellung (concept) in das ebenfalls psychologische Lautbild (image
acoustique) im Gehirn, der Übergang vom mentalen Lautbild in den
physiologischen Akt der Lautgebung (phonation), der – hier nicht
benannte – Übergang in die physischen Schallwellen sowie der entsprechende
rezeptive Prozess, wobei nun der physiologische Akt der
Lautwahrnehmung (audition) wirksam wird.
Das Diagramm gibt einem hochkomplexen abstrakten Vorgang
eine vereinfachte, visualisierbare Struktur, und es ist im Kontext der
Metapherntheorie bedeutsam, dass Saussures Begriff image acoustique
auf die ›bildlich‹-metaphorische Dimension der Vor- und Darstellung
des sprachlichen Elements verweist. Auch wenn Saussure
nicht auf das Phänomen der Metapher eingeht, so liefert doch seine
Zeichentheorie eine produktive Basis. Denn im Zeichen sind concept
und image acoustique verquickt, und es ergibt sich daraus eine
unbegrenzte Verbindung zu den mentalen Prozessen einerseits und
den kommunikativen Prozessen andererseits:
v l
v · Vorstellung
l · Lautbild
v l
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
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Zeichen (signe)
das Bezeichnete (signifi é )
das Bezeichnende / die Bezeichnung (signifi ant)
Saussures Zeichenbegriff (nach Saussure 1982, 99 und 2001, 78)
Grundlegendes Prinzip des Zeichens ist die Arbitrarität der Beziehung
zwischen Bezeichnendem und Bezeichnetem; zudem hebt
Saussure hervor, dass sich das Bezeichnende – anders als das visuelle
Zeichen – in der Zeit entfaltet (Saussure 2001, 82). Beide Prinzipien
sind für die Metapher bedeutsam, denn das erste unterminiert
die von Aristoteles vorausgesetzte Priorität des ›eigentlichen Wortes‹
und das zweite betont die Prozessualität der Sprache auch in ihrem
semantischen Aspekt.
Geht man von Saussures Zeichentheorie im Kontext seiner
Sprachtheorie aus, so stellt sich die ›Konvertierung‹ gedanklicher
Vorstellungen in artikulierte Sprache als hochkomplexer Prozess dar,
dem man nur gerecht wird, wenn man ihn ganzheitlich begreift.
Grundlegende Thesen
• Die Metapher und die mit ihr verwandten Phänomene sind Teil
eines ganzheitlich zu verstehenden kognitiv-sprachlichen Prozesses,
der zwischen Individuum und Kulturgemeinschaft vermittelt.
• Die vom Individuum konzipierte und artikulierte Metapher steht
in Verbindung zur physischen Wahrnehmung, zur körperlichen
Erfahrung, zum rationalen Denken, zu den Emotionen sowie
auch zum physischen und gesellschaftlichen Kontext des Individuums.
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
Vorstellung
Lautbild
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• Metaphorische Prozesse sind nicht physisch ›greifbar‹, sondern
lassen sich nur metaphorisch konzeptualisieren und darstellen.
Die Begriffe, mit denen diese Prozesse beschrieben werden, dienen
insofern der kognitiven Strukturgebung, nicht der Defi nition
einer vorgegebenen, ›festen‹ und absolut bestimmbaren
Struktur.
Die Metapher zwischen Kognition und Sprache
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2. ›Bildliche‹ Sprache
Für den praktischen Umgang mit der Metapher nicht weniger als
für die Metapherntheorie bieten die kanonischen Texte zur Metapher
stabile Orientierungspunkte. Sie ergeben kein schlüssiges System,
aber sie stellen Begriffe zur Verfügung und ermöglichen die
Verortung alter und neuer Ansätze.
Metapher und Tropen
Schon seit der Antike wird die Metapher auf vielerlei Weise defi niert
und kategorisiert, durch verschiedenartige Beispiele erklärt und dadurch
zu verschiedenen Phänomenen in Bezug gebracht. Systematisiert
wird das Feld durch Quintilians Überbegriff ›Tropus‹:
Es ist also ein Tropus eine Redeweise, die von ihrer natürlichen und
ursprünglichen Bedeutung auf eine andere übertragen ist, um der Rede
zum Schmuck zu dienen, oder, wie die Grammatiklehrer meist defi
nieren, ein Ausdruck, der von der Stelle, bei der er eigentlich gilt, auf
eine Stelle übertragen ist, wo er nicht eigentlich gilt. (Quintilian, IX,
1, 4; Bd. 2, 251)
Die Metapher gilt ihm als »wichtigster Schmuck der Rede« (VIII, 2,
6; Bd. 2, 141) und als »der häufi gste und [...] bei weitem schönste«
Tropus (VIII, 6, 4; Bd. 2, 219) und sie erhält auch aufgrund der
Benennung (griech. metaphora u. lat. translatio: Übertragung) eine
prototypische Funktion. Darüber hinaus zählt er zu den Tropen vor
allem Synekdoche, Metonymie, Antonomasie, Katachrese (›notwendige‹
Metapher), Allegorie, Ironie, Periphrase (Umschreibung), Hyperbaton
und Hyperbel (VIII, 6; Bd. 2, 217–249). Den Vergleich
diskutiert er im allgemeineren Kontext des »Wortschmucks« (VIII,
3, 72–81; Bd. 2, 181–185).