Als ich klein war, ging ich regelmäßig samstagabends mit meinen Großeltern in die Kirche.
Jedesmal war ich das jüngste Kind in der Kirche. Jedesmal setzten sich meine Großeltern auf "ihren" Platz in der drittletzten Reihe am Mittelrand, machten einen tiefen Knicks beim Eintreten in die Bank und platzierten ihre großen Regenschirme und ihre sorgfältig eingebundenen, mit nach 40 Jahren Ehe bereits abgegriffenem Goldrand versehenen, Gesangsbücher auf der Buchablage. Jedesmal kroch ich zwischen meine Großeltern auf meinen Platz und platzierte ebefalls mein Buch auf der Ablage. Mein Buch war nicht eingebunden und hatte keinen Goldrand, es hatte auch viel weniger Seiten und dafür umso mehr Bilder. Ich glaube es zeigte Bilder von Kindern, die zur Kirche gingen. (Natürlich wusste ich genau, was in diesem Büchlein zu sehen war.) Jedesmal hüpfte ich auf Zehenspitzen auf der Kniebank auf und ab um doch wenigstens einen Blick auf den Priester und die Messdiener zu erhaschen und jedesmal saß ich nach einiger Zeit da und vertrieb mir die Zeit mit meinem eigenen Büchlein, das nur in der Kirche ausgepackt wurde.

Heute lebt meine Oma nicht mehr. Mein Opa sitzt noch immer regelmäßig samstagsabends in der Bank in der drittletzten Reihe auf "seinem" Platz. Ab und zu kriecht auch heute wieder ein kleines einjähriges Mädchen neben ihn auf die Bank, streckt die Nasenspitze in die Höhe um doch wenigstens einen Blick auf den Priester und die Messdiener zu erhaschen und greift dann nach ihrem Büchlein um dieses zu lesen und sich so die Zeit zu vertreiben.
Das kleine Mädchen ist seine Urenkelin und meine Tochter. Sie liebt Bücher über alles, besonders solche mit Lesezeichen. Hier erfährt sie, was das, was sie in de rKirche alles bestaunen darf, eigentlich bedeutet.

Ina Lussnig, Lehrerbibliothek.de

1/2007
16 S., durchgehend vierfarbig illustriert, mit Ausstanzungen und hochgeprägten Details im Innenteil
14,8 x 21 cm, Pappbilderbuch mit partieller Glanzlackierung auf dem Umschlag und mit Kirchenmaus am Band