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Mehr Sprache(n) für alle Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft
Mehr Sprache(n) für alle
Sprachunterricht in einer vielsprachigen Gesellschaft




Gerlind Belke

Schneider Verlag Hohengehren
EAN: 9783834010216 (ISBN: 3-8340-1021-9)
259 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2012

EUR 19,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Mehrsprachigkeit ist weltweit und seit einigen Jahrzehnten auch in unseren Schulklassen eher die Regel als die Ausnahme. Der an sich erfreuliche Umstand, dass etwa ein Drittel der nachwachsenden Generation neben der Landessprache Deutsch mit einer weiteren Sprache aufwächst, wird allerdings in der Öffentlichkeit und in den Schulen vorwiegend als Problem gesehen und nicht als Potential, das es zu fördern gilt. Dazu bedarf es nicht zuletzt einer Sprachdidaktik, die sich an der vielsprachigen Realität in unseren Schulen orientiert, indem sie sprachliche Lernprozesse, z. B. beim Erwerb verschiedener Schriftsprachen, koordiniert und den nach wie vor als „Muttersprachenunterricht“ praktizierten Deutschunterricht so gestaltet, dass er für alle Kinder attraktiv und sinnvoll ist. Eine solche Didaktik wird in dem vorliegenden Buch entwickelt, das die traditionell getrennten Sprachdidaktiken für den muttersprachlichen und den fremdsprachlichen Unterricht in einem eigenständigen Konzept zusammenführt und damit den Erfordernissen einer vielsprachigen Schülerschaft im Zeitalter der Globalisierung gerecht zu werden versucht.

Dieses Buch basiert auf langjährigen Erfahrungen im schulischen Umgang mit Mehrsprachigkeit. Es richtet sich gleichermaßen an Lehrerinnen und Lehrer vor Ort, an Fachleiter und Schulamtsleiter sowie an Grundschuldidaktiker, Fachdidaktiker für den Mutter-, Fremd- und Zweitsprachenunterricht und an Pädagogen und soll zu deren interdisziplinärer Zusammenarbeit beitragen. Dazu ist in der Lehrerausbildung an den Universitäten und Studienseminaren und insbesondere in den Schulbuchverlagen im Hinblick auf den Regelunterricht ein Umdenken erforderlich, das sich konsequent von den unterschiedlichen Lernbedürf nissen unserer vielsprachigen Schüler leiten lassen muss. In dem hier vorgestellten Konzept geschieht dies, indem es das Potential literarischer Texte als Medium sprachlichen Lernens systematisch entfaltet und damit die vielfach vernachlässigte, auch für deutsche Kinder wichtige systematische Vermittlung der reading literacy wieder in das Zentrum des Sprachunter richts rückt.



Dr. Gerlind Belke, geb. 1939, von 1970 bis zur Pensionierung Akademische Rätin zunächst an der Pädagogischen Hochschule Ruhr, später Universität Dortmund, mit dem Schwerpunkt Didaktik des Deutschen unter besonderer Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit. Studierte deutsche, englische und skandinavische Philologie. Promotion 1964, bis 1968 Lektorin für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Uppsala (Schweden), danach Gymnasiallehrerin. Veröffentlichungen zur Didaktik des Deutschen als Zweit- und Fremdsprache, zum Schrifterwerb unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit und zu Modellen mehrsprachiger Erziehung im interkulturellen Vergleich.

Ein ausführliches Inhaltsverzeichnis finden Sie auf unserer Homepage www.paedagogik.de
Rezension
Der Deutschunterricht als sog. „Muttersprachenunterricht“ bedarf der dringlichen didaktischen Überprüfung, weil heute an deutschen Schulen ca. 1/3 der Schüler zweisprachig aufwachsen und Deutsch keineswegs mehr die alleinige Muttersprache bildet, wie das noch in der Nachkriegszeit der Fall war. Deshalb suchte das hier anzuzeigende Buch schon früh (es handelt sich um die 5., grundlegend überarbeitete und inhaltlich erweiterte Auflage des 1999 erstmals erschienenen Buches "Mehrsprachigkeit im Deutschunterricht") die traditionell getrennten Sprachdidaktiken für den muttersprachlichen und den fremdsprachlichen Unterricht in einem eigenständigen Konzept zusammenzuführen. Das Buch spiegelt die langjährigen Erfahrungen der Autorin im schulischen Umgang mit Mehrsprachigkeit.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort XIII

1. Umrisse einer Didaktik der Mehrsprachigkeit 1

1.1 Mehrsprachigkeit als Regelfall 2
1.2 Welche Didaktik ist zuständig? DaM - DaZ - DaF oder die Interkulturelle Pädagogik? 4
1.2.1 Der ungeklärte didaktische Status des Deutschen als Zweitsprache (DaZ) 4
1.2.2 Die besondere Verantwortung der Grundschuldidaktik 6
1.2.3 Die „Interkulturelle Pädagogik": Reflexion über Sprache und/oder Sprachvermittlung? 8
1.3 Die notwendige Vernetzung unterschiedlicher Ansätze im Regelunterricht 9

2. Institutionelle Rahmenbedingungen 12

2.1 Fünfzig Jahre Mehrsprachigkeit in einem Einwanderungsland ohne Einwanderungspolitik: 12
2.1.1 Die 60er Jahre: „Wir brauchten Arbeitskräfte, und es sind Menschen gekommen" 12
2.1.2 Die 70er Jahre: Rückkehrpolitik oder Förderung der Zweisprachigkeit? 13
2.1.3 Die 80er Jahre: Die Diskussion um das MEMORANDUM 14
2.1.4 Die 90er Jahre: „Interkulturelle Erziehung" und „Begegnungssprachen" 18
2.1.5 Nach der Jahrtausendwende: Der PISA-Schock, Tests, Englisch ab Klasse 1 21
2.2 Unter welchen Bedingungen kann Mehrsprachigkeit gelingen? Grundtypen zweisprachiger Erziehung 22
2.2.1 Segregation: „Zweisprachigkeit" als Rückkehrpolitik 23
2.2.2 Maintenance: Förderung der Ressource Mehrsprachigkeit 23
2.2.3 Submersion: „Ertränken" in der Mehrheitssprache 25
2.2.4 Immersion: „Sprachbad" als Fremdsprachenunterricht für Mehrheitskinder 25
2.2.5 Zusammengesetzte Klassen: Kombination von Maintenance und Immersion für Minder- und Mehrheitskinder 26
2.3 Drei Sprachen für alle: Sprachenpolitik im Zeitalter der Globalisierung 27
2.3.1 Unterricht in der Landessprache Deutsch 28
2.3.2 Unterricht in einer zweiten Sprache nach freier Wahl 29
- in der eigenen Muttersprache 29
- in einer Fremdsprache 30
- in einer „Begegnungssprache" 30
- in einer Nachbarsprache (Niederländisch, Dänisch, Polnisch, Französisch) 30
2.3.3 Unterricht in der Weltsprache Englisch 30
2.3.4 Vorurteile erschweren die Realisierung des Konzepts 31
2.3.5 Veränderungen müssen in den Köpfen der Verantwortlichen beginnen 32
2.4 Exkurs: Zweisprachige Erziehung in Schweden 35
2.4.1 Die gesetzlichen und organisatorischen Grundlagen der hemspräksreform von 1975 35
2.4.2 Zweisprachige Erziehung in Schweden heute 39
2.4.3 Resümee 40

3. Didaktische Klärungen 43

3.1 Worum geht es im schulischen Sprachunterricht? 43
3.1.1 Unterricht in der „Muttersprache": Sprachvermittlung im Spannungsfeld zwischen der locutio naturalis und der locutio artificialis 44
3.1.2 Unterricht in einer Fremdsprache: Die jeweilige Nationalsprache als Gegenstand des Unterrichts 48
3.1.3 Unterricht in der Zweitsprache: BICS und CALP 49
3.1.4 Unterricht im Spannungsfeld mehrerer Sprachen 50
3.1.5 Zusammenfassung 51
3.2 Sprachenvielfalt und Registerdifferenzierung 53
3.2.1 Äußere und innere Mehrsprachigkeit 53
3.2.2 Wer ist zuständig für den Ausbau des förmlichen Registers? 54
3.2.3 In welcher Sprache ist der schriftsprachliche Ausbau sinnvoll und möglich? 56
3.3 Zur Problematik steuernder Eingriffe in natürliche Spracherwerbsprozesse 57
3.3.1 Impliziter Spracherwerb - implizite Sprachvermittlung - explizite Sprachvermittlung 57
3.3.2 Impliziter Erstspracherwerb durch Motherese 59
3.3.3 Impliziter Zweitspracherwerb durch kommunikative Nutzung 61
3.3.4 Implizites sprachliches Lernen unter institutionellen Bedingungen 63
3.3.5 Interlanguage oder Fossilierung? 65
3.3.6 Zusammenfassung 68

4. Schriftspracherwerb unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit 69

4.1 Probleme beim medialen Schriftspracherwerb 71
4.1.1 Schriftspracherwerb bei Seiteneinsteigern 71
4.1.2 Alphabetisierung in der Mehrheitssprache in Regelklassen 72
4.1.3 Das Problem der Ausgangsschriften 74
4.1.4 Interferenzen aus verschiedenen Ausgangsschriften 75
4.2 Probleme beim Erwerb schriftsprachlicher Normen und beim Erwerb konzeptioneller Schriftsprachlichkeit 80
4.2.1 Irreführende Lehrmaterialien 80
4.2.2 Gefahr des backsliding in der Sekundarstufe 82
4.3 Konsequenzen für eine Didaktik der Schriftsprache 84
4.3.1 Zur Interdependenz von mündlicher und schriftlicher Sprachkompetenz 84
4.3.2 Koordination des Schrifterwerbs in verschiedenen Sprachen 85
4.3.3 Koordination des Sprach- und Schrifterwerbs in der Zweitsprache 86
4.4 Zusammenfassung: Erwerbskontexte für verschiedene Schriftsprachen 88

5. Methodische Sackgassen 92

5.1 Sprachliches Können und sprachliches Wissen 92
5.2 Sprachbücher: Hilfe oder Hindernis? 95
5.3 Fehlentwicklungen beim individuellen Lernen und beim „offenen Unterricht" 105
5.4 Fazit: Auf den Input kommt es an! 109

6. Integrativer Sprachunterricht 111

6.1 Integration der verschiedenen sprachlichen Ebenen 111
6.2 Integration sprachlicher Phänomene in Kontexte und Handlungszusammenhänge 112
6.3 Integration der verschiedenen Bereiche des Deutschunterrichts 115
6.4 Integration der Kinder mit DaZ in einem gemeinsamen Deutschunterricht 115
6.5 Integration der Herkunftssprachen 116
6.6 Integration von Spracherwerb und Sprachvermittlung 117
6.7 Zur projektorientierten Einbindung des Sprachunterrichts 119

7. Literatur als Medium interkultureller sprachlicher Bildung 121

7.1 Zum Stellenwert der Literatur im muttersprachlichen und fremdsprachlichen Unterricht 121
7.2 Poesie und Grammatik: Ein Unterrichtsbeispiel 122
7.3 Grundsätzliche Überlegungen zur sprachlichen Arbeit mit poetischen Texten 124
7.4 „Elementare Literatur" als interkulturelle lungue, die sprachübergreifend zur parole werden kann 126
7.5 Welche Texte ermöglichen eine integrative literarische und sprachliche Bildung? 129
7.5.1 Die Autofunktionalität des sprachlichen Zeichens in poetischen Texten schafft Sprachaufmerksamkeit 129
7.5.2 Das Fiktionale, Hypothetische ist viel interessanter als die platte Realität 130
7.5.3 Die „Einfachheit" der elementaren Literatur erleichtert das Textverständnis und ist nicht trivial 132
7.5.4 Den produktionsorientierten Literaturunterricht und das generative Schreiben kann man in einem integrativen Deutschunterricht miteinander verknüpfen 133
7.6 Textbeispiele für den produktiven Umgang mit Literatur 135
7.6.1 Sprach- und Handlungsstrukturen in Bilderbüchern 135
7.6.2 Literarisches und sprachliches Lernen in den Sekundarstufen 142

8. Generatives Schreiben als methodische Grundlage eines integrativen Sprachunterrichts 150

8.1 Generatives Schreiben ermöglicht ganzheitliches implizites Lernen 150
8.2 Generative Textproduktion ist eine auch außerschulisch praktizierte Lernstrategie 151
8.3 Generatives Schreiben ermöglicht „innere Differenzierung" 154
8.4 Generatives Schreiben erleichtert den Umgang mit sprachlicher Komplexität 157
8.5 Generatives Schreiben über Sprachgrenzen hinweg 160
8.6 Generatives Schreiben in den Sekundarstufen 163
8.6.1 Einfache und komplexe Sprachstrukturen bei der Produktion und Rezeption von Texten 163
8.6.2 Übung einfacher morphologischer Strukturen durch Substitutionen beim generativen Schreiben im Literaturunterricht 166
8.6.3 Förderung kognitiver Fähigkeiten durch Transformationen komplexer schriftsprachlicher Strukturen in Fachtexten 169

9. Mit Sprache(n) spielen 174

9.1 Das Sprachspiel als Universalie 174
9.2 Sprachspiele und Spracherwerb 174
9.3 Sprachspiele und Sprachvermittlung 176
9.4 Verschiedene Sprachen - gemeinsames Spiel 179
9.4.1 Das Sprachspiel als „Naturpoesie" 179
9.4.2 Sprachspiele als Grundlage einer interkulturellen Deutschdidaktik 181
9.5 Strukturen des kindlichen Sprachspiels 183
9.5.1 Textgenese 183
9.5.2 Textmuster 186
9.5.3 Spielregeln 193
9.5.4 Funktionen 194
9.6 Sprachspiele in den Sekundarstufen? 201

10. Das kreative Spiel mit der „Abweichung" 203

10.1 Fehler: Normverstoß oder kreative Abweichung? 203
10.2 Fehler bzw. Abweichungen in mehrsprachigen Lerngruppen 205
10.2.1 Fehler im muttersprachlichen Unterricht 206
10.2.2 Fehler im Fremdsprachenunterricht 207
10.2.3 Fehler beim ungesteuerten Zweitspracherwerb 207
10.2.4 Sprachliche Abweichungen beim Freien Schreiben 208
10.3 Fehlerkultur als Teil der Lernkultur 211
10.3.1 Wie geht man mit Fehlern um? 211
10.3.2 Das bewusste Spiel mit der Abweichung als Alternative zur Fehlerkorrektur 213
10.3.3 Die Wahrnehmung sprachlicher Abweichungen beim Spracherwerb 216
10.3.4 Das Nachdenken über Sprache und die Sprachrichtigkeit 217
10.3.5 Das Spiel mit der Sprachmischung - ein Privileg der Mehrsprachigen? 218
10.4 Wie schwer ist die deutsche Sprache wirklich? 222
10.4.1 Gibt es leichte und schwere Sprachen? 222
10.4.2 Tierbezeichnungen im interkulturellen Vergleich 224
10.4.3 Verführerische Analogien 226
10.4.4 Phonem-Graphembeziehungen in verschiedenen Sprachen 227
10.4.5 Einige tröstliche Gedanken zum Schluss 228

Literaturverzeichnis 230
Textnachweise 242