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Medienoligarchen Chancen und Grenzen für die Pressefreiheit in der Ukraine
Medienoligarchen
Chancen und Grenzen für die Pressefreiheit in der Ukraine




Marina Sverdel

Reihe: Journalismus International


Herbert von Halem Verlag
EAN: 9783938258774 (ISBN: 3-938258-77-2)
264 Seiten, paperback, 14 x 22cm, 2008

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Ukraine hat eine bewegte Geschichte hinter sich und wandelt sich von einem sozialistischen zu einem demokratischen Staat. Wichtiges Indiz einer Demokratie ist stets die Freiheit der Presse. Doch wie steht es um die ukrainische Presse? Gab es Veränderungen durch die medienwirksame Revolution in Orange? Oder lösten hier nur neue Unterdrücken die alten ab? Marina Sverdel ist diesen Fragen nachgegangen und hat Journalisten interviewt, die die Entwicklungen der letzten Jahre hautnah miterlebt haben. Zudem hat sie ukrainische Zeitungen einer Inhaltsanalyse unterzogen und das Medienrecht analysiert. So ist die erste deutschsprachige Fallstudie entstanden, die die Entwicklung der Pressefreiheit in der Ukraine nachzeichnet.
Rezension
Medienoligarchen stellen eine Bedrohung der Demokratie dar, - wie nicht nur diese durch die Martin-Schmeißer-Medaille geehrte Diplomarbeit im Hinblick auf die Ukraine zeigt; auch ein Silvio Berlusconi in Italien gehört zu den Medienoligarchen, die sich mittels ihrer telecrazia die Macht sichern ... Im Herbst 2004 blickte die Weltöffentlichkeit kurz intensiv in die Ukraine, wo die "Revolution in Orange" das langjährige Regime von Präsident Kucma ablöste und dem neu gewählten Präseidenten Juscenko an die Macht verhalf. Hat die Revolution in Orange tatsächlich einen Demokratisierungsschub gebracht und eine Zunahme der Pressefreiheit - das ist eine zentrale Fragestellung dieser Arbeit. Ergebnis: Die Handlungsfreiheit der Journalisten hat nur leicht zugenommen; denn nach wie vor herrschen in der Ukraine einige Oligarchen über die Medien.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der als Revolution in Orange bezeichnete Widerstand Ende 2004 bot auch die Chance für eine einschneidende Veränderung der staatlichen Strukturen in der Ukraine. Eine Entwicklung hin zu einer demokratischen Gesellschaftsordnung, die mit konsolidierten Demokratien Ostmitteleuropas vergleichbar wäre, erscheint möglich. Eine herausragende Rolle bei einem solchen Transformationsprozess spielen die Massenmedien. Ihre Unabhängigkeit stärkt die Bestrebungen nach mehr Demokratie. Doch trotz der Lösung von der Vorherrschaft Russlands ist es der Ukraine bislang nicht gelungen, unabhängige Massenmedien zu etablieren. Systematischen Lenkungsversuche beherrschen nach wie vor die Medienpolitik.

Die Massenmedien und der Grad der Pressefreiheit stehen im Mittelpunkt der Fallstudie. Ausgehend von den politischen Ereignissen im Jahr 2004 untersucht die Autorin die Entwicklung der Pressefreiheit vor und nach der Revolution. Sie prüft die Berichterstattung in vier ukrainischen Zeitungen und vergleicht bzw. ergänzt die Ergebnisse mit Aussagen von ukrainischen Journalisten.

Marina Sverdel, Autorin der Studie, stammt selbst aus der Ukraine. 1980 geboren und aufgewachsen in Krivoy Rog – einer industriellen Stadt im Osten des Landes – emigrierte sie mit ihrer Familie 1998 nach Deutschland. Nach ihrem deutschen Abitur studierte sie Journalistik und Anglistik an der Universität Dortmund und volontierte beim Westdeutschen Rundfunk. Derzeit arbeitet sie bei einem Online-Portal als Online Marketing Manager in Düsseldorf. Für ihre Diplomarbeit wurde Marina Sverdel mit der Martin-Schmeißer-Medaille geehrt.


zur Reihe:
Journalismus International

In der sich globalisierenden Welt treten auch die verschiedenen journalistischen Kulturen verstärkt in Kontakt miteinander. Die Reihe präsentiert Studien, die deutschen Journalist(inn)en und Medienwissenschaftler(inne)n helfen, über den Horizont der eigenen Berufskultur hinauszuschauen. Schwerpunkte liegen auf Osteuropa und der angelsächsischen Welt. Die Reihe wird herausgegeben von Prof. Dr. Horst Pöttker, Institut für Journalistik der Universität Dortmund.

Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis 10
Abbildungsverzeichnis 11
Vorwort von Horst Pöttker 15

einleitung 17

forschungsstand und quellenlage 20

1. konzepte und theoriediskussion 24


1.1 Demokratie 24
1.2 Medien in der Demokratie 26
1.3 Pressefreiheit 28
1.4 Transformation und Demokratisierungsprozess 30
1.5 Fazit 35

2. fallstudie ukraine 38

2.1 Forschungsfrage 38
2.2 Bisherige Messverfahren der Pressefreiheit 39
2.3 Index der Pressefreiheit 43

3. hintergrund: journalismus und politik in der ukraine 49

3.1 Politische und ökonomische Entwicklung 49
3.1.1 Der Weg zur Unabhängigkeit 49
3.1.2 Systemtransformation nach 1991 50
3.1.3 Präsidentschaftswahlen 2004 und Revolution in Orange 55
3.1.4 Parlamentswahlen 2006 59
3.2 Ukrainische Massenmedien: historische Entwicklung 60
3.2.1 Massenmedien in der sowjetischen Ukraine 60
3.2.2 Massenmedien bis 1994 62
3.2.3 Massenmedien unter Kuçma 64
3.2.3.1 Staatliche Einflussnahme und indirekte Zensur 65
3.2.3.2 Repressionen gegen Journalisten 69

4. empirische untersuchung 73

4.1 Rechtliche Rahmenbedingungen für Journalisten 73
4.1.1 Verfassungsrechtliche Garantien 73
4.1.2 Allgemeine Vorschriften 75
4.1.3 Gründung und Registrierung von Printmedien 77
4.1.4 Akkreditierung 79
4.1.5 Lizenzierung der Rundfunkmedien 79
4.1.6 Gründung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 84
4.1.7 Maßnahmen zur Vorbeugung von Monopolisierung 85
4.1.8 Berufsethik 85
4.1.9 Informantenschutz 87
4.2 Struktur der Massenmedien und Besitzverhältnisse 88
4.2.1 Medienmarkt 88
4.4.2 Besitzverhältnisse 92
4.2.3 Arbeitsverhältnisse 98
4.3 Wahlberichterstattung 2004/2006 99
4.3.1 Methodik der Inhaltsanalyse 99
4.3.2 Themen in der Berichterstattung 107
4.3.3 Anlass der Berichterstattung 110
4.3.4 Quellen und Akteure 112
4.3.5 Ausgewogenheit in der Berichterstattung 118
4.3.6 Grad der Kritik in der Berichterstattung 122
4.4 Leitfadengestützte Experteninterviews 124
4.4.1 Methodik 125
4.4.1.1 Interviewleitfaden 126
4.4.1.2 Rekrutierung der Interviewpartner 129
4.4.1.3 Datenerhebung und -auswertung 130
4.4.1.4 Auswertungsmethodik 131
4.4.2 Auswertungsergebnisse 132
4.4.2.1 Journalistische Praxis 133
4.4.2.2 Restriktionen 140
4.4.2.3 Wahlberichterstattung 144
4.4.2.4 Wandel im Journalismus 145
4.4.2.5 Mediensystem 149

5. zusammenfassung: pressefreiheit in der ukraine 152

schlussbetrachtung und ausblick 133

anhang 1: interviews


Interview mit Serhij H. 166
Interview mit Vachtanh K. 178
Interview mit Andrij K. 186
Interview mit Volodymyr P. 197
Interview mit Natal’ja R. 207
Interview mit Volodymyr S. 215

anhang 2: materialien

Interview-Leitfaden für Journalisten in deutscher Sprache 225
Interview-Leitfaden für Journalisten in russischer Sprache 228
Interview-Leitfaden für Experten in deutscher Sprache 231
Interview-Leitfaden für Experten in russischer Sprache 236
Kategoriensystem für die Inhaltsanalyse 240
Wissenschaftliche Transliteration kyrillisch geschriebener slavischer Sprachen 242
Bezeichnungen von Institutionen und
Forschungseinrichtungen 244
Medienholdings in der Ukraine 246

literatur- und quellenverzeichnis 248

Tabellenverzeichnis


tab. 1: Index der Pressefreiheit 44
tab. 2: Index der Pressefreiheit: Datenerhebung und Bewertung 46
tab. 3: Perioden im Prozess der Wirtschaftstransformation 52
tab. 4: Perioden im Prozess der Medienentwicklung 63
tab. 5: Inoffizielle Anweisungen und ihre Befolgung 68
tab. 6: Mittel der Einflussnahme auf Medien 1996-2005 70
tab. 7: Fernsehgesellschaften und ihre Eigner 96
tab. 8: Typologie der Medienholdings 98
tab. 9: Analysierte ukrainische Tageszeitungen im Überblick 102
tab. 10: Kategoriensystem der Inhaltsanalyse 103
tab. 11: Anzahl der untersuchten Artikel nach Titel und Zeitpunkt des Wahlkampfes 106
tab. 12: Anzahl der aufgegriffenen Themen in den untersuchten Tageszeitungen 108
tab. 13: In den analysierten Artikeln verwendete Hauptquellen in Prozent 113
tab. 14: Übersicht über die Interview-Leitfäden 127
tab. 15: Übersicht über die von der Verfasserin befragten Journalisten 130
tab. 16: Index der Pressefreiheit in der Ukraine 2004 und 2006 161

Abbildungsverzeichnis

abb. 1: bip-Entwicklung 1991-2004 in Prozent (v.l.n.r.) 54
abb. 2: Anteilseigner an der Fernsehgesellschaft Inter 95
abb. 3: Anteil der Artikel nach Anlässen an der Berichterstattung in Prozent 111
abb. 4: Anteil der Artikel an der Berichterstattung aufgeteilt nach Quellenanzahl in Prozent 112
abb. 5: Anteil der Artikel an der Berichterstattung aufgeteilt nach Hauptquellen in Prozent 114
abb. 6: Anteil der Artikel an der Berichterstattung aufgeteilt nach Hauptakteuren in Prozent 117
abb. 7: Anteil der neutralen bzw. wertenden Artikel an der Gesamtberichterstattung in Prozent 119
abb. 8: Anteil der neutralen bzw. wertenden Artikel an der Berichterstattung 2004/2006 in den analysierten Zeitungen in Prozent 120
abb. 9: Anteil kritischer Artikel in den analysierten Zeitungen in Prozent 123


Vorwort
Bilder aus einem Land wie der Ukraine, das der Zusammenbruch der
Sowjetunion hat auferstehen lassen, können für kurze Zeit die Titelblätter
und Monitore westlicher Medien beherrschen. Zuletzt geschah das im
Herbst 2004, als die ›Revolution in Orange‹ dem langjährigen Regime
von Präsident Kuçma ein Ende machte und als das von einem Giftanschlag
gezeichnete Gesicht des neu gewählten Präsidenten Jußçenko um
die Welt ging. Dann allerdings ebbte das Interesse der Medien und ihres
Publikums rasch wieder ab, der Fokus der Weltöffentlichkeit wanderte
weiter, was hinter den dramatischen Fernsehbildern steckte, blieb bei uns
weitgehend unbekannt.
Marina Sverdel ist prädestiniert, Licht in dieses Dunkel zu bringen.
Sie wuchs in der Ukraine auf, kam Ende der 1990er-Jahre mit ihrer Familie
nach Deutschland, hat hier Deutsch gelernt und an der Universität
Dortmund Journalistik studiert. 2006 reiste sie mit Unterstützung der
Martin-Schmeißer-Stiftung in ihr Heimatland, um herauszufinden, ob
die Revolution in Orange tatsächlich einen Demokratisierungsschub,
eine merkliche Zunahme der Pressefreiheit in der Ukraine bewirkt hat.
Dazu wertete sie an Ort und Stelle offizielle Dokumente aus, analysierte
die Berichterstattung von vier ukrainischen Tageszeitungen in den
Wahlkämpfen 2004 und 2006 und führte in Kiev Leitfadengespräche mit
maßgeblichen Journalisten des Landes, darunter dem Vorsitzenden der
Unabhängigen Mediengewerkschaft. Neben diesem Methodenpluralismus
besticht an Sverdels Arbeitsweise, dass sie Kontinuität in die Journalismusforschung
bringt, indem sie einen zuvor von Andrea Czepek
entwickelten Index verwendet, um das Ausmaß der Pressefreiheit in der
Ukraine vor und nach der Revolution in Orange zu messen.
14
Mit ihrem vielfältigen und sorgfältigen Vorgehen kommt die Autorin
zu dem Ergebnis, dass die Pressefreiheit unter Präsident Jußçenko leicht
zugenommen hat, was die Handlungsfreiheit der Journalisten und die
Pluralität ihrer Berichterstattung betrifft, während die rechtlichen und
strukturellen Rahmenbedingungen sowie die Partizipationsmöglichkeiten
sich nicht verändert haben. Und es gibt in der Ukraine nach wie
vor ›Oligarchen‹, die nur über Medien verfügen, um ihre Positionen auf
anderen Marktsektoren abzusichern und Politiker zu beeinflussen, aber
ohne am wirtschaftlichen oder publizistischen Erfolg dieser Medien Interesse
zu haben.
Marina Sverdel konnte 2008 für ihre Untersuchung den Martin-
Schmeißer-Preis entgegennehmen. Damit wurde ein Modell für Forschungen
ausgezeichnet, die sich ähnlich auch in anderen Ländern
bewerkstelligen ließen.
Dortmund im Juli 2008
Horst Pöttker