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Lösungsorientierte Beratung mit getrennten Eltern Ein Praxishandbuch
Lösungsorientierte Beratung mit getrennten Eltern
Ein Praxishandbuch




Sabine Holdt, Marcus Schönherr

Klett-Cotta
EAN: 9783608891560 (ISBN: 3-608-89156-0)
216 Seiten, paperback, 14 x 21cm, 2015

EUR 24,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wenn Eltern minderjähriger Kinder sich trennen, sind Konflikte vorprogrammiert, die oft sehr emotional und kontrovers ausgetragen werden. Doch wie finden zerstrittene Eltern zu individuell passenden Lösungen für die Neuorganisation der Familie? Beraterinnen und Berater sind herausgefordert, einen hilfreichen Prozess in Gang zu setzen, in dessen Ergebnis die getrennten Eltern wieder mehr Selbstwirksamkeit und Autonomie erlangen. Das Praxishandbuch bietet eine Vielzahl konkreter Interventionsvorschläge und ausführliche Fallbeispiele für den gesamten Beratungsprozess von der Anmeldung bis zum Abschluss.

- Das erste Handbuch, das auch auf die Herausforderung durch hochstrittige Paare eingeht

- Mit vielen Beispielen und konkreten Interventionen
Rezension
Scheidung ist eine gesellschaftliche Realität; mittlerweile wird ein Drittel aller Ehen in Deutschland geschieden und viele Kinder durchleben diese Realität als persönliche Krise. Trennung und Scheidung sind einschneidende Lebensereignisse für Paare, Eltern und - deren Kinder! Dieses Praxishandbuch will Kinder schützen helfen, wenn Eltern hochkonflikthaft miteinander (um die Kinder) streiten. Wenn Eltern sich trennen, leiden die Kinder oft am meisten. In vielen Fällen geht die intensive Beziehung zu einem Elternteil verloren. Doch wie finden zerstrittene Eltern zu individuell passenden Lösungen für die Neuorganisation der Familie? Beraterinnen und Berater sind hier herausgefordert, einen hilfreichen Prozess in Gang zu setzen. Dabei hilft dieses Buch; es zeigt konkrete Interventionsmöglichkeiten bei hochstrittigen Paaren auf.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wie Trennungsberatung auch bei Streitpaaren gut gelingt: Miteinander Auseinander
Sabine Holdt
Studium zur Diplompsychologin an der Universität Leipzig. Im Anschluss daran Weiterbildung zur Systemischen Therapeutin/Paar-und Familientherapeutin und zur Lehrenden für Systemische Therapie (DGSF). Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Ausbildung zur Hypnotherapeutin. Seit 1996 in der Familienberatungsstelle des FamThera Instituts (www.fam-thera.de) tätig. Therapeutische Erfahrungen in der Arbeit mit Einzelnen, Familien und insbesondere mit Elternpaaren. Langjährige Supervisions- und Lehrtätigkeit in der Fort- und Weiterbildung. Stellvertretende Ausbildungsleiterin des FamThera Instituts.
Marcus Schönherr
Im Erstberuf Theatertischler. Abitur auf der Abendschule. Studium der Klinischen Psychologie in Leipzig. Postgraduales Studium zum Fachpsychologen der Medizin, später Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Ab 1990 Weiterbildung zum Familientherapeuten in München. DGSF-Zertifizierung als Systemischer Supervisor und Lehrender für Systemische Therapie. 1991 Mitbegründer des FamThera Instituts (www.fam-thera.de). 1996 Eröffnung einer Familienberatungsstelle in Trägerschaft des Instituts, seitdem deren Leiter. Vielfältige Erfahrungen in der Beratung und Therapie von Familien, insbesondere von Elternpaaren. Leitet bei FamThera die Weiterbildung „Erlebnisorientierte Paartherapie“.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

Familie Esche 13

Einstiegskonstellation 13
Beratungsverlauf 14
Draufsicht 26

1 Die ersten Schritte 28

1.1 Erstkontakt am Telefon 28
1.2 Einladung des anderen Elternteils 29
1.3 Vorgespräche 31
1.4 Die Beratungsvereinbarung 33
1.5 Der Themenkatalog 37

2 Deeskalierende Möglichkeiten 40

2.1 Getrennte Einzelsitzungen 40
2.2 Parallel getrennte Beratung 42
2.3 Für Sicherheitsabstand sorgen 43
2.4 Gesprächsregeln 45
2.5 Friedliche Gesten 46

Familie Kiefer 49

Einstiegskonstellation 49
Beratungsverlauf 50
Draufsicht 62

3 Arbeitsprinzipien 64

3.1 Begegnung mit Vernunft und Gefühl 64
3.2 Führen – Mitgehen – Führen 65
3.3 Starke Rahmung 66
3.4 Schutz vor emotionaler Überforderung 67
3.5 Veränderung braucht Zeit 68
3.6 Lösungsorientierung 70
3.7 Eltern weiterhin als Ganzes betrachten 71
3.8 Arbeit im Co-Team 74
3.9 Psychohygiene der Berater 78

4 Vorgehen bei einzelnen Fragen 80

4.1 Wie sagen wir’s unseren Kindern? 80
4.2 Wie den Austausch zwischen den Eltern sichern? 82
4.3 Wie sich gut abgrenzen und gleichzeitig ausreichend im Kontakt bleiben? 85
4.4 Wo soll der Lebensmittelpunkt der Kinder sein? 86
4.5 Wie die Umgangskontakte regeln? 89
4.6 Erarbeitung eines integrierten Wechselmodells 92
4.7 Diff erenzierung des Umgangs bei mehreren Kindern 97
4.8 Kontaktgestaltung zwischen abwesendem Elternteil und Kind 98
4.9 Wie Feierlichkeiten des Kindes gestalten? 99
4.10 Was tun, wenn der zuständige Elternteil verhindert ist? 99
4.11 Absprache zur Rolle neuer Partner 101

Familie Linde 103

Einstiegskonstellation 103
Beratungsverlauf 104
Draufsicht 114

5 Elternidentität zurückgewinnen 116

5.1 Verbindliche Absprachen umsetzen 117
5.2 Die Eltern stellen ihre Kinder vor 118
5.3 Eltern und ihre Kinder wertschätzen 119
5.4 Gegenseitige Würdigung 120
5.5 Direkter Dialog 123
5.6 Perspektivwechsel 124
5.7 Metaphern und Geschichten 125

6 Kinderperspektive einbeziehen 128

6.1 Der Auft rag des Kindes 128
6.2 Der symbolische Platz 129
6.3 Die Familienskulptur 130
6.4 Einzelkontakt mit dem Kind 132

Familie Weide 135

Einstiegskonstellation 135
Beratungsverlauf 136
Draufsicht 158

7 Vergangenheitsbewältigung des Paares 161

7.1 Ein Bild der Paarbeziehung 161
7.2 Austausch zu Gefühlen von damals und heute 164

8 Abschluss und Berichte 170

8.1 Wie Elternvereinbarungen entstehen 170
8.2 Irgendwann ist jede Beratung zu Ende 176
8.3 Abschlusssitzung 178
8.4 Berichte ans Gericht 180

Familie Zeder 184

Einstiegskonstellation 184
Beratungsverlauf 186
Draufsicht 193

9 Schlussbetrachtungen 195

9.1 Navigation im Prozess 195
9.2 Verlaufsmerkmale der Beratung 197
9.3 »Leporello-Familien« – eine Würdigung 202

Danksagung 206
Ergänzende und empfohlene Literatur 207
Abbildungsverzeichnis 210



Leseprobe:

Vorwort
Als wir einem Vater in der abschließenden Beratungssitzung die Frage
stellten, welche Überschrift er der zurückliegenden Trennungsphase
geben würde, antwortete er: miteinander auseinander. Treffender kann
man es nicht ausdrücken, dachten wir. Neun Monate zuvor hatte sich
die Mutter an uns gewandt. Sie wollte mit ihm ins Gespräch kommen,
um Klarheit zu schaffen und Absprachen für die Zukunft zu treffen. In
mehreren gemeinsamen Sitzungen, flankiert von einigen Einzelterminen,
war es beiden Eltern möglich, sich über wesentliche Fragen der
Trennung zu verständigen und handhabbare Lösungen zu finden.
Bereits 1994 war bei uns die Idee entstanden, ein spezielles Beratungsangebot
für getrennte Eltern zu etablieren. Das neue Kinder- und
Jugendhilfegesetz war in Kraft getreten, die Kindschaftsrechtsreform
stand bevor. Bei der Regelung der Trennungs- und Scheidungsfolgen
und der damit verbundenen Konfliktbewältigung sollte die Autonomie
der Eltern gestärkt werden. Ein großer Beratungsbedarf war abzusehen.
In einer Befürwortung des zuständigen Jugendamtes zu unserem
Beratungsstellenprojekt hieß es im Mai 1995: Beratung in Fragen der
Partnerschaft, Trennung und Scheidung wurde als neues Angebot der Jugendhilfe
in den Leistungskatalog des KJHG aufgenommen und ist seit
dem 1. 1. 1995 als Pflichtaufgabe festgeschrieben. Ergebnisse von Längsschnittuntersuchungen
weisen darauf hin, dass das »Wie« der Scheidung
für das Wohl der Kinder langfristig bedeutsamer ist als die Scheidung als
solche. Das war damals insofern eine wichtige und weitreichende Einschätzung,
als dadurch der Fokus darauf gerichtet wurde, wie Eltern im
Trennungsgeschehen miteinander umgehen, und somit der Ansatz der
Beratungsarbeit dort zu suchen ist.
Wir erinnern uns: Im Vergleich zu heute waren noch in den 1990er-
Jahren viele Beratungsanliegen und Vorgehensweisen symptomorientiert.
Oft meldeten sich die Mütter wegen Verhaltensauffälligkeiten
oder psychosomatischer Beschwerden des Kindes und erwarteten eine
kindzentrierte Behandlung. Sowohl bei den Eltern als auch bei vielen
Beratern wurden erst später die Familienbeziehungen – wie zum Bei10
spiel bestehende Trennungssituationen – als möglicher Stressfaktor gesehen.
Inzwischen hat sich die Situation deutlich verändert: Eltern
melden sich heute bei den Beraterinnen oft direkt mit dem Beziehungsthema
an und sagen: Wir sind getrennt und können nicht miteinander
reden. Wir möchten etwas tun, damit es unsere Kinder gut überstehen.
Berater arbeiten mehr familienorientiert und oft mit systemischem
Blick. Etwa die Hälfte der Anmeldungen zur Trennungsberatung erfolgt
inzwischen durch die Väter. Andere Eltern werden direkt vom
Familiengericht in die Beratung geschickt.
Wenn wir insgesamt auf die Entwicklung der letzten 20 Jahre
schauen, hat sich eine deutlich veränderte Beratungssituation ergeben,
für die die Mitarbeiter nach passenden Handlungskonzepten suchen.
Zwischen den verschiedenen Herangehensweisen zeichnen sich Übereinstimmungspunkte
ab, z. B. dass die Beratungsarbeit mit getrennten
Eltern eine stärkere Rahmung und Strukturierung braucht. Unterschiedliche
Auffassungen existieren bezüglich der Frage, wie sich die
Einbeziehung der Kinder sinnvoll gestalten lässt. Hier wird nach einer
guten Balance zwischen dem Schutz vor zusätzlicher Belastung einerseits
und einer ausreichenden Wahrnehmung und Unterstützung der
Kinder andererseits gesucht. Auch bezüglich des Versuches, die Paarund
Elternebene zu trennen, gibt es variierende Ansätze. Inwieweit
sollte die Konfliktdynamik des Paares in den Beratungssitzungen unter
Kontrolle gehalten werden? Wie kann sich andererseits die notwendige
Verarbeitung der gemeinsamen Beziehungsgeschichte vollziehen?
Mit dem vorliegenden Buch wollen wir Beraterinnen und Beratern,
die mit getrennten Eltern zu tun haben, methodische Anregungen für
das praktische Vorgehen an die Hand geben. Dabei verzichten wir bewusst
auf die Unterscheidung des Eskalationsgrades aufseiten der
Eltern. Einerseits haben wir die Erfahrung gemacht, dass die beschriebenen
Vorgehensweisen bei der Arbeit mit getrennten Eltern durchgängig
anwendbar sind. Andererseits wollen wir einer defizitorientierten
Kategorisierung entgegenwirken, die die »Hochstrittigen« zu
besonders schwierigen Klienten dämonisiert, die Problemorientierung
verfestigt und eine gesonderte Herangehensweise impliziert. Sicher
machen uns hoch konflikthafte Trennungseltern den Beratungsalltag
gelegentlich schwer. Aber wäre es nicht hilfreicher, stattdessen lösungsorientiert
den Grad der Kooperationsfähigkeit zu unterscheiden? So
betrachtet, könnten wir Eltern, die gerade sehr zerstritten sind, als
Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf ansehen. Oder, wie
Alfred Winkelmann in seinem Artikel Ressourcenorientierte Arbeit mit
hoch strittigen Trennungseltern formuliert: als »höchst engagierte Eltern,
die um das Wohl ihrer Kinder ringen, so wie sie es nach bestem
Wissen und Gewissen verstehen«.
Wenngleich die zerstrittenen Eltern sehr im Fokus stehen, wollen
wir die Aufmerksamkeit auch auf die Gruppe von getrennten Eltern
lenken, die ebenso in großer Not und mit erheblichem Leidensdruck zu
uns in die Beratung kommen: aus einem starken Schuldgefühl ihrem
Partner und vor allem den Kindern gegenüber wollen diese Eltern alles
Erdenkliche tun, um die Begleiterscheinungen der Trennung möglichst
verträglich zu gestalten. Sie sind sehr konsensorientiert. Das ist zwar
ein achtenswertes Motiv, aber solche Eltern setzen sich unter einen
enormen Druck. Auch sie brauchen unsere Unterstützung.
Wir wollen in diesem Praxishandbuch die Kenntnis des lösungsorientierten
und des damit verbundenen systemischen Beratungsansatzes
voraussetzen, weil beides in der Fachwelt als hinreichend beschrieben
und erklärt angesehen werden kann. Eine entsprechende Vorbildung
und Praxiserfahrung in dieser Richtung würde eine günstige Voraussetzung
zur Umsetzung der in diesem Buch beschriebenen Vorgehensweise
sein, stellt aber keine zwingende Bedingung dar. Gute Erfahrungen
haben wir mit der Arbeit im Co-Team, welche ausführlich
beschrieben wird.
Wir verbinden mit diesem Buch das Anliegen, konkrete methodische
Schritte für den gesamten Beratungsprozess detailliert zu beschreiben.
Dabei bevorzugen wir es, zuerst einen Einblick in die Praxis zu
geben und später das Vorgehen zu erklären. So können Sie sich als Leserin
oder Leser entweder über die methodischen Erläuterungen der
Thematik annähern oder auch über die Fallgeschichten.
Die Eltern Esche (die Namen sind frei erfunden) ringen insbesondere
um eine Gleichverteilung der Kinderbetreuung sowie um gegenseitige
Wertschätzung und die Verarbeitung der Kränkung. Bei den Eltern
Kiefer geht es darum, wie sie sich außergerichtlich überhaupt auf
irgendetwas einigen können. Die Eltern Linde wollen alles Erdenkliche
für eine gute Trennung tun und gehen dabei über ihre eigenen Grenzen.
In der Beratung mit den Eltern Weide steht die Kompromissfindung
zwischen verbindlichen Regelungen einerseits und flexibler Lebensgestaltung
andererseits im Vordergrund. Und schließlich bietet der
Beratungsverlauf von Familie Zeder einen Einblick, wie begleiteter
Umgang den Verständigungsprozess der Eltern unterstützen kann.
Die im Buch beschriebenen Praxisbeispiele sollen unterschiedliche
Familiensituationen exemplarisch widerspiegeln. Dabei sind wir uns
dessen bewusst, dass wir die Vielfalt des Lebens nicht abbilden können
und es immer einer Anpassung an die Gegebenheiten bedarf.

Sabine Holdt & Marcus Schönherr