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Lernschwierigkeiten - Wie exekutive Funktionen helfen können  Grundlagen und Praxis für Pädagogik und Heilpädagogik 2. aktualisierte Auflage
Lernschwierigkeiten - Wie exekutive Funktionen helfen können
Grundlagen und Praxis für Pädagogik und Heilpädagogik


2. aktualisierte Auflage

Monika Brunsting

Verlag Paul Haupt
EAN: 9783258077161 (ISBN: 3-258-07716-9)
217 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2011, 5 Abb., 74 Tab.

EUR 33,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Praktische Hilfe bei Lernstörungen wie ­Legasthenie, Dyskalkulie und ADHS

Exekutive Funktionen sind mentale Prozesse, mit denen Menschen ihr Verhalten steuern. Sie helfen bei allen gezielten Handlungen: beim Setzen von Zielen, bei der Planung, der Entscheidung für Prioritäten, bei der Impulskontrolle usw. Monika Brunsting zeigt in diesem Buch, wie Heilpädagogen/innen Störungen der exekutiven Funktionen - Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS u.a. - erkennen und was sie dagegen im Unterricht unternehmen können. Die Autorin präsentiert eine Fülle von praktischen Möglichkeiten, wie dieses Wissen von Lehrpersonen in unterschiedlichen Lernfeldern und auf verschiedenen Altersstufen umgesetzt werden kann.
Rezension
Bereits nach 2 Jahren erscheint dieses Buch in 2. aktualisierter Auflage. Mit Lernschwierigkeiten haben Personen aller Altersstufen zu kämpfen - keineswegs nur lernbehinderte oder lerngestörte Lernende. Gesellschaftliche Gründe spielen bei Lernschwierigkeiten eine Rolle: Die westliche Welt fordert heute lebenslanges Lernen, vielfältige Freizeitangebote lenken vom Lernen ab, Anstrengung ist in Verruf geraten, Belohnungaufschub selten geworden. Umso bedeutender sind die sog. Exekutiven Funktionen, das sind Kontrollfunktionen, die aus Handlungsplanung, Organisation, Zeitmanagement, Flexibilität, Arbeitsspeicher, Selbststeuerung und Handlungskontrolle bestehen. Es wird nicht ohne Anstrengung gehen (hill), aber diese helfen, den Willen zu entwickeln (will), und bringen neue Fertigkeiten (skill): hill, will and skill (nach Howard Gardner).

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Sachgebiet: Pädagogik/Bildung

Zur Autorin: Monika Brunsting, Dr., hat nach mehrjähriger Lehrtätigkeit Heilpädagogik
(in Basel) und Psychologie (in Zürich) studiert. Nach Abschluss ihrer Dissertation
absolvierte sie eine Psychotherapieausbildung. Sie arbeitete während vieler
Jahre als Schulpsychologin, Sonderpädagogin und Psychotherapeutin und führt seit
1997 das Nordschweizer Institut für Lernfragen (NIL) in Oberuzwil und Zürich. Sie
ist Autorin verschiedener Bücher und Artikel und Dozentin an verschiedenen Institutionen
(z.B. HfH, fhnw Basel) und in der Lehrerweiterbildung.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 2. Auflage 7

Vorwort Prof. Dr. J. Steppacher HfH Zürich zur 1. Auflage 9

Teil 1: Theoretische Grundlagen

1. Einführung 11
2. Kognitive Psychologie, Denken und Lernen: Die Sichtweise der kognitiven Psychologie 16
3. Neurowissenschaften, Denken und Lernen: Die Sichtweise der Neurowissenschaften 21
4. Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen: Wann sind metakognitive Interventionen sinnvoll? 28

Teil 2: Praktische Arbeit

5. Exekutive Funktionen (EF) aufbauen 33
6. Handlungsplanung: Ziele und Prioritäten setzen, Wege finden 41
7. Organisation des Verhaltens (innere und äußere) 65
8. Zeitgefühl und Zeitmanagement 74
9. Flexibilität des Verhaltens 84
10. Arbeitsspeicher 99
11. Selbststeuerung, Selbstregulation 110
11.1 Erste Überlegungen zur Selbststeuerung 111
11.2 Selbstregulation der Aufmerksamkeit 118
11.3 Selbstregulation des Affekts 132
11.4 Impulskontrolle: Erst denken, dann handeln! 144
11.5 Aufgaben anpacken 150
11.6 Aufgaben gut zu Ende führen 158
12. Handlungskontrolle, Handlungsreflexion, Handlungskorrektur 165
13. Metakognitionen 182
14. Zusammenfassung und Ausblick 203
15. Literatur und Links 212


Leseprobe:
Vorwort zur 2. Auflage
Dass die 1. Auflage des Buches so schnell zu seinen Lesern gefunden hat, zeigt, dass
sich mutige Lesende nicht von komplizierten Namen abschrecken lassen. Leider gibt
es nach wie vor keinen anderen Begriff als „exekutive Funktionen“ für das, worum
es hier geht. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als uns mit ihm anzufreunden,
wenn wir dieses Konzept nutzen wollen.
Meine zwischenzeitlichen Erfahrungen als schulische Heilpädagogin in einer
öffentlichen Schule machten deutlich, dass es eine weit grössere Gruppe von Lernenden
gibt, die von besseren exekutiven Funktionen profitieren könnten, als ich
damals dachte. Der Erziehungswissenschaftler, Prof. Oelkers von der Universität
Zürich bestätigt, was ich als Psychologin und schulische Heilpädagogin schon seit
längerem mit Sorge beobachtete, dass nämlich „die Leistungsanforderungen auch
durch die hohe Bewertung der Kompetenz zum selbständigen Lernen tatsächlich
sehr gestiegen“ sind (NZZ, 26.7.2011). Die moderne integrative Schule mit ihren
individuellen Lernaktivitäten, die in aller Regel viel Selbststeuerung verlangen (offene
Fragestellungen, Gruppenunterricht, Projektunterricht, Wochenplan, entdeckendes
Lernen, usw.) setzt sehr gute Lernvoraussetzungen voraus. Der Frontalunterricht mit
seinem „Nehmt das Buch und rechnet S. 24 von Aufgaben 2-8“ hat Aufgabenstellungen
wie „Arbeit am Wochenplan“ Platz gemacht und macht gut organisierten, selbstgesteuerten,
intelligenten und motivierten Lernenden viel Freude. Für Lernende, die
eine oder gar mehrere Bedingungen nicht erfüllen, ist es schwierig geworden (Klauer,
& Leutner, 2007). Da wir an einer „Schule für Alle“ arbeiten, gilt es, die fehlenden
Lernvoraussetzungen aufzubauen. Für Seligman (2011), die heute wohl wichtigste
Figur in der Positiven Psychologie, spielen exekutive Funktionen eine grosse Rolle,
weil sie erlauben, Prozesse zu verlangsamen und damit dem Bewusstsein zugänglich
zu machen. Das Training exekutiver Funktionen wird also wichtiger denn je.
Selbststeuerung ist eine der ganz wichtigen exekutiven Funktionen (Roth, 2011,
Spitzer, 2010). Duckworth & Seligman zeigten (2006), dass diese 75% des Schulerfolgs
erklärt, die Intelligenz nur 25%. Mischel und Mitarbeitern (Eigsti, Zayas, Mischel
et al., 2006), gelang es zu dokumentieren, was eine gute Selbststeuerung langfristig
bewirkt: Kinder, die im Alter von 4 Jahren über wenig Impulskontrolle verfügten,
hatten im jungen Erwachsenenalter eine schlechtere Schullaufbahn, schlechtere
berufliche Qualifikationen, mehr Arbeitslosigkeit und schlechtere soziale Beziehungen
vorzuweisen. Moffitt et al. (2011) berichten von ihrer Langzeitstudie, in der
1000 Kinder von der Geburt bis zum Alter von 32 Jahren untersucht worden waren:
Kinder mit besserer Selbstkontrolle waren gesünder, weniger drogenabhängig, hatten
ihre Finanzen besser unter Kontrolle und weniger mit dem Gesetz zu tun. In
einer andern Kohorte mit 500 Zwillingspaaren zeigte der Zwilling mit der höheren
Selbstkontrolle mehr Erfolge in diesen Gebieten, trotz des gleichen Familienhintergrunds.
Forschungsbefunde wie diese ermuntern sehr, sich auch um die Entwicklung
der Selbststeuerung zu kümmern.
Der Arbeitsspeicher hat in der Zwischenzeit weiter Terrain gewonnen: Forscher
wie Klingberg und Perrig sind weiterhin dabei. Hier zeigt sich interessanterweise,
dass es mit Arbeitsspeichertrainings Verbesserungen in weiteren Lebensbereichen
gibt: ADHS- Kinder zeigten eine weniger ausgeprägte ADHS-Symptomatik (Klingberg
et al., 2005). Im kognitiven Bereich lassen sich Trainings- und Transfereffekte
nachweisen (Thorell et al. 2008). Exekutive Funktionen können bereits im Vorschulalter
trainiert werden (Thorell et al.). Interventionen in Schulen verlaufen vielversprechend
und sind einfach realisierbar (Mezzacappa & Buckner, 2010).
Zur Erfassung exekutiver Funktionen gibt es bis heute kein sinnvolles Instrument
(Barkley, 2011). Die neuropsychologischen Verfahren sind meist zu grob und erfassen
subtile Schwierigkeiten nicht. Deshalb sind wir vorläufig noch darauf angewiesen,
mit unseren eigenen Beobachtungen Informationen zu erhalten. McCloskey et
al. (2009) beschreiben Assessment und Intervention an sechs Kindern theoretisch
wie praktisch sehr differenziert. Peg Dawson & Richard Guare (2004) zeigen Wege
zur Erfassung exekutiver Funktionen und zur Intervention bei Kindern und Jugendlichen.
Trainingsmaterial für exekutive Funktionen gibt es in der Zwischenzeit von einer
Gruppe um Spitzer („Achtung!Fertig!Fex!“ und „4xFex“)
Vieles ist im Fluss: Nach wie vor braucht es im deutschen Sprachraum ein Buch
wie das vorliegende, das aufzeigt, wie man an exekutiven Funktionen in Schule und
Therapie arbeiten kann. So wünsche ich denn auch der zweiten Auflage viel Glück
auf der Suche nach den Lesenden und den Lesenden viel Erfolg und Freude bei der
Arbeit mit Experimenten aus diesem Buch.

Zumikon, Juli 2011
Monika Brunsting