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"Lasset uns Menschen machen"
Christliche Anthropologie im biotechnologischen Zeitalter




Ulrich H. J. Körtner

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406535130 (ISBN: 3-406-53513-5)
240 Seiten, paperback, 12 x 20cm, 2005

EUR 17,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Ulrich Körtner zeichnet in diesem Buch die Crundzüge einer christlichen Anthropologie, die das Recht des Menschen auf Unvollkommenheit ebenso verteidigt wie sein Recht, sich den medizinischen Fortschritt zunutze zu machen. Ein grundsätzliches, nachdenkliches Buch, das weit über die Kirchen hinaus die Diskussionen über «Bio-Ethik» neu beleben wird.



Ulrich H. J. Körtner ist Professor für Systematische Theologie und Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien sowie Mitglied der österreichischen Bioethikkommission.
Rezension
Unter christlichen Zeitgenossen sind Vorbehalte gegen neue medizin- und gentechnische Verfahren wie Präimplantationsdiagnostik oder Stammzellenforschung weit verbreitet. Der Wiener Ordinarius für Systematische Theologie ist als Mitglied der österreichischen Bioethikkommission und Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien auf diesem Gebiet einschlägig ausgewiesen und hat zahlreiche Veröffentlichungen dazu vorgelegt. Er wägt vor dem Hintergrund einer christlichen Anthropologie sorgfältig und differenziert Pro und Contra ab, betont Chancen wie Gefahren gleichermaßen, verteidigt das Recht des Menschen auf Unvollkommenheit ebenso wie das Recht des Menschen, den medizinischen Fortschritt zu nutzen. Ein sehr ausgewogenes Buch, wohl abwägend und frei von jeder Voreingenommenheit, ein Buch, das sich gerade wegen seiner Differenziertheit auch zur Berücksichtigung im schulischen Religions- und Ethikunterricht eignet. Ein Sach- und Personenregister schließen den Inhalt zusaätzlich auf, weiterführende Literatur ist komprimiert vermerkt.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Christentum und Bioethik – Grundzüge einer neuen Anthropologie

Ulrich Körtner zeichnet in diesem Buch die Grundzüge einer christlichen Anthropologie, die das Recht des Menschen auf Unvollkommenheit ebenso verteidigt wie sein Recht, sich den medizinischen Fortschritt zunutze zu machen. Ein grundsätzliches, nachdenkliches Buch, das weit über die Kirchen hinaus die Diskussionen über „Bio-Ethik“ neu beleben wird.

Die neuen Anthropotechniken wie Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung oder Hirnforschung setzen auf die technische Manipulation des menschlichen Körpers bis hinein in die kleinsten Bausteine. Gerade Christen haben diesen Möglichkeiten bisher mit Formeln wie „Bewahrung der Schöpfung“ ein entschiedenes Nein entgegengesetzt. Aber besteht wirklich Anlaß, alarmiert zu sein? Widersprechen die neuen Life Sciences einem christlichen Menschenbild?

Ulrich Körtner setzt einer verbreiteten Fortschritts- und Technikfeindlichkeit eine Anthropologie entgegen, die ein dynamisches Verständnis der Schöpfung nicht ausschließt und uns lehrt, das Menschsein unter heutigen Lebensbedingungen mit anderen Augen zu sehen. Mit genauer Kenntnis der neuen Biotechnologien verknüpft er ethische Einzelfragen mit anthropologischen Grundeinsichten und zeigt, worin deren orientierende Kraft für das biotechnologische Zeitalter besteht. Damit liegt erstmals seit Jahrzehnten wieder eine christliche Anthropologie vor, die es erlaubt, auf gleicher Augenhöhe auf neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Möglichkeiten zu reagieren.

Der Autor
Ulrich H. J. Körtner, geb. 1957, ist Professor für Systematische Theologie, Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin der Universität Wien sowie Mitglied der österreichischen Bioethikkommission. 2001 wurde er vom österreichischen Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten als „Wissenschaftler des Jahres“ ausgezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT 9

EINLEITUNG:
EIN BILD, DAS UNS GLEICH SEI 11

I. WISSENSCHAFTSETHIK UND MENSCHENBILD 23

1. «Life Sciences» und «Converging Technologies» 23
2. Das Wesen der Technik 25
3. Ethik und technische Rationalität 27
4. Vom Homo faber zum Homo fabricatus 30
5. Humanität nach dem Tode Gottes 37
6. Menschenbild und Forschungsethos 40
7. Verantwortung für das Leben 42

II. DER GERECHTFERTIGTE MENSCH 46

1. Der umstrittene Mensch 46
2. Die Strittigkeit des Menschen und die Strittigkeit Gottes 49
3. Grundzüge reformatorischer Anthropologie 51
4. Die Strittigkeit reformatorischer Anthropologie
im ökumenischen Dialog 55
5. Die Strittigkeit reformatorischer Anthropologie im Kontext der modernen Gesellschaft - das Beispiel der medizinischen Ethik 56

III. VOM UNFREIEN WILLEN 61

1. Theologie und Neurobiologie 61
2. Von der Freiheit eines Christenmenschen 68
3. Daß der freie Wille nichts sei 80
4. Zugeeignete Freiheit 88
5. Folgerungen für das Leib-Seele-Problem 101

IV. DIE UNBESTIMMTHEIT DES ANFANGS 104

1. Offene Fragen am Lebensanfang. 104
2. Der Lebensanfang aus biblischer Sicht 105
3. Menschliche Embryonen oder embryonale Menschen? 109
4. Anfang und Ursprung des Menschen 115
5. Konsequenzen für Präimplantationsdiagnostik und Stammzellforschung 117

V. NOBODY IS PERFECT 119

1. Das Recht auf Unvollkommenheit 119
2. Medikalisierung des Lebens 123
3. Ethische Probleme der Genomforschung 126

VI. BIOETHIK UND BIOPOEITIK 131

1. Der Mensch, das zöon biopolitikon 131
2. Bioethik in der modernen Demokratie 134
3. Die Rolle der Kirchen im bioethischen Diskurs 138
4. Bioethik und Biopolitik im europäischen Kontext 143
5. Biopolitik und Eigenverantwortung 145
6. Unverfügbarkeit des Lebens? 149

VII. MENSCHENBILD UND MENSCHENBILDUNG 151

1. Der Wert des Menschen 151
2. Bildung und Gottesfrage 162
3. Religion und Moral 167
4. Bildung und Kritik 173
5. Bildung und Freiheit 176
6. Die Kirchen als Bildungsträger 179

EPILOG:
MENSCH SEIN - MENSCH WERDEN 180

Anmerkungen 195
Literaturhinweise 226
Personenregister 228
Sachregister 233
Der Autor 240


Leseprobe:

Vorwort

Der biotechnologische und der medizinische Fortschritt werfen grundlegende Fragen nach dem Selbstverständnis des Menschen auf. Die Frage, was der Mensch ist, steht letztlich hinter allen Problemen menschlicher Lebensführung, von Wissenschaft und Kultur, Politik und Gesellschaft, Weltanschauung und Religion.
Drei Grundfragen sind es, die den Menschen nach Immanuel Kant umtreiben: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Alle drei Fragen aber führen nach Kant auf eine vierte und letzte Frage: Was ist der Mensch? In Anbetracht des rasanten technologischen Fortschritts und der durch ihn ausgelösten ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Umwälzungsprozesse drohen die von Kant formulierten Grundfragen leicht aus dem Blick zu geraten. Verwirrt, so der Philosoph Hans Blumenberg, fragen wir Spätlinge der Moderne: «Was war es doch, was wir wissen wollten?» Nicht weniger ratlos sind wir, wenn es gilt, Kants Frage nach dem rechten Tun und Lassen sowie nach einer begründeten Hoffnung und menschengerechten Zukunft zu beantworten.
Noch schwerer fällt uns die Antwort nach dem Menschsein des Menschen. Strittig ist heute nicht nur, was der Mensch ist, sondern auch, wer ein Mensch ist, d.h. ob zwischen dem menschlichen Organismus und der Person unterschieden werden kann oder gar muß, wann das Leben eines menschlichen Individuums beginnt und wann es endet, wie weit es medizinisch-technisch verändert werden kann und darf, ob biologische Grenzen zwischen den lebenden Arten oder zwischen belebter und unbelebter Materie lediglich eine technische oder auch eine moralische und ethische Grenze markieren.
Der niederländische Schriftsteller Harry Mulisch hat die Frage, was der Mensch ist, in seinem Roman Selbstportrait mit Turban auf ungewöhnliche Weise beantwortet: «Die Antwort lautet: ´Was ist der Mensch?´» Bei der Antwort auf die Frage, was der Mensch ist, handelt es sich um dieselbe Frage, «denn der Mensch ist keine Antwort, sondern eine Frage».
Anthropologie fragt nach der Frage, die der Mensch ist. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat allerdings zu bedenken gegeben, daß man zu einer Antwort, die man nicht aussprechen kann, auch die Frage nicht aussprechen kann. Wie also läßt sich der Mensch als Frage verstehen, wenn man die Antwort auf diese Frage nicht kennt? Theologie fragt nach der Antwort, zu der der Mensch die Frage ist. Das religiöse Symbol für diese Antwort ist das Wort «Gott». Die Antwort, auf welche das Wort «Gott» verweist, bringt die Frage, die der Mensch ist, allerdings nicht zum Verstummen, sondern provoziert sie ständig auf neue Weise. Wie das geschieht, ist eines der Themen theologischer Anthropologie.
In der Auseinandersetzung um die Einführung neuer biotechnologischer und medizinischer Techniken, ihre rechtliche Regelung und politische Kontrolle stehen nicht nur sogenannte moralische Werte, sondern letztlich auch religiöse Grundüberzeugungen zur Diskussion. Die offenen oder latenten religiösen Hoffnungen und Geltungsansprüche, die in den technologischen Fortschritt hineinspielen, bedürfen einer kritischen Aufarbeitung. Das ist nicht allein das Geschäft der Philosophie und einer sich als Kulturwissenschaft begreifenden Religionswissenschaft, sondern nach wie vor auch der Theologie. Welche Orientierungsleistungen eine theologische Anthropologie im biotechnologischen Zeitalter zu geben vermag, aber auch, was ihre offenen Probleme sind, davon handelt dieses Buch.
Zu danken habe ich Irmtraud Aigner, Mag. theol. Martin Fischer und Dr. theol. Andreas Klein, die mir bei den Korrekturen und den Registern behilflich waren. Gewidmet ist das Buch meiner Tochter, die als Religionspädagogin tätig ist und mich ermutigt hat, es zu schreiben.

Wien, im Februar 2005
Ulrich H. J. Körtner