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Kinder lösen Konflikte Klassenrat als pädagogisches Ritual. Eine ethnographische Studie
Kinder lösen Konflikte
Klassenrat als pädagogisches Ritual. Eine ethnographische Studie




Birte Friedrichs

Schneider Verlag Hohengehren
EAN: 9783896768216 (ISBN: 3-89676-821-2)
236 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, Mai, 2004

EUR 21,60
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Konflikte gehören zum Schulalltag. Eine wesentliche Aufgabe von Schule besteht darin, Kindern und Jugendlichen konstruktive Formen der Konfliktbearbeitung zu vermitteln. Aber wie?

Zunehmend entdecken Schulen zu diesem Zweck den Klassenrat. Die erziehungswissenschaftliche Forschung jedoch hat dieses wichtige Element einerdemokratischen Pädagogik bislang kaum beachtet.

Hier leistet das Buch einen wichtigen Beitrag. Nicht die Programmatik des Klassenrats, sondern seine konkrete Umsetzung steht im Zentrum der Arbeit. Grundlage der empirischen Studie sind umfangreiche Beobachtungen und Interviews an einer renommierten Reformschule, der Offenen Schule Kassel-Waldau.

Das Buch vermittelt ein lebendiges Bild des Klassenrats und macht zugleich aufmerksam auf eine Fülle von Unstimmigkeiten und Fallen, Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Deutlich wird: Nur wenn die aufgezeigten Schwierigkeiten wahrgenommen und kritisch reflektiert werden, kann Klassenrat seinem Ziel gerecht werden, als demokratisches Gremium ,den Kindern das Wort zu geben` (Freinet).

Das Buch ist interessant für Lehrerinnen und Lehrer, die Klassenrateinführen oder ihre bisherige Klassenratspraxis verbessern wollen. Darüber hinaus ist es ein gelungenes Beispiel ethnographischer Schulforschung und damit zugleich eine gute Einführung in diesen Bereich qualitativer Sozialforschung.



Birte Friedrichs, Dr. phil., Promotion im Rahmen des Bielefeld-Kasseler Graduiertenkollegs „Schulentwicklung an Reformschulen im Hinblick auf das allgemeine Schulwesen". Studienrätin mit den Fächern Deutsch und evangelische Religion an einem Gymnasium in Hannover.
Rezension
Konflikte gibt es überall, nicht selten auch in Schulklassen. Reformorientierte Schulkonzepte haben zur Bearbeitung von Konflikten in der Klasse das Element des Klassenrats oder der Klassenversammlung eingeführt (nach Célestin Freinet: réunion de cooperative). In dieser Studie geht es nicht um den Klassenrat an sich, sondern um eine Fallstudien-Untersuchung schulpraktischer Realisationen des Klassenrats in einer reformpädagogischen Schule mit folgenden Fragestellungen: „1. Was ist Klassenrat? … 2. Welche Erkenntnisse über Klassenrat lassen sich gewinnen, wenn dieser als ein Ritual interpretiert wird? 3. Welche Chancen verbinden sich mit dem Ritual Klassenrat? 4. Mit welchen Schwierigkeiten hat die Umsetzung eines Klassenratskonzepts in konkrete schulische Praxis umzugehen?“ (S. 3). Ritualtheoretisch werden dabei besonders Arnold van Gennep, Victor Turner und Niklas Luhmann herangezogen. Fazit: Klassenrat ermöglicht eine Pädagogik des Aushandelns als Konfliktlösung IN der Klasse, d.h.: a) Konflikte werden nicht verdrängt und entladen sich dann destruktiv und b) die Konflikte werden nicht nach außen (etwa an Streitschlichter) delegiert, sondern kollektiv bearbeitet.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1

I. Einleitung 2

II. Klassenrat als Ritual - theoretischer Hintergrund 6

1. Ritualtheoretische Fokussierung 6
2. Übergangsrituale 10
2.1. Der theoretische Ansatz Arnold van Genneps 10
2.2. Victor Turner: Die „Entdeckung" der Schwellenphase 14
3. Juridische Rituale - zur Verfahrenstheorie Niklas Luhmanns 21

III. Zum methodischen Ansatz der Feldforschung 37

1. Einführende Überlegungen zur Feldforschung 37
2. Vorstellung der Fallstudie 41
2.1. Durchführung der Untersuchung 41
2.2. Die angewandten Erhebungsinstrumente qualitativer Sozialforschung 44
2.3. Zum methodischen Vorgehen bei der Auswertung 47

IV. Fallstudie: Klassenrat in einer sechsten Klasse der Offenen Schule Kassel-Waldau 57

1. Das Konzept des Waldauer Klassenrats 57
2. Zur Praxis des Klassenrats - Analyse einer exemplarischen Sitzung 59
3. Die Interviewpartner(innen) 85
4. Die Perspektiven der Beteiligten - Interviewauswertung 89
4.1 .Schlüsselrollen im Verfahren: Lehrer(innen) und Verfahrenswalter(in) 89
4.1.1. Die Lehrenden 90
4.1.2. Die Verfahrenswalter(innen) 102
4.2. Der äußere Rahmen: Raum und Zeit 122
4.3. Regeln 127
4.4. Funktionszuschreibungen 146
4.5. Schwierigkeiten und Paradoxien 166
4.5.1. Perspektiven der Schüler(innen) 167
4.5.2. Perspektiven von Lehrer(inne)n und Vertretern der Schulleitung 180
5. Vergleichende Betrachtungen 186
5.1.Freinet als Vorbild? 186
5.2. Konzeption und Wirklichkeit des Waldauer Klassenrats 191

V. Ergebnisse und pädagogische Perspektiven 194

1.Einleitung 194
2. Klassenrat als Ritual 195
2.1. Klassenrat als Schwelle zwischen Schule und Familie 196
2.2. Vorbild „aristotelisches Theater"? Zur geschlossenen Form der „Runden" 200
2.3. Klassenrat als Inversionsritual zwischen Rollenspiel und Als-ob-Situation 206
2.4. Klassenrat - Gericht in der Schule? 210
2.5. Impulse für die Weiterentwicklung einer Theorie des Rituals 214
3. Klassenrats-Paradoxien: Pädagogische Herausforderungen 215

VI. Zu einer Pädagogik des Aushandelns - ein schultheoretischer Ausblick 221

VII. Literaturverzeichnis 227