lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Keil/Kellerhoff: Deutsche Legenden
Keil/Kellerhoff: Deutsche Legenden



Links
EAN: 9783861532576 (ISBN: 3-86153-257-3)
320 Seiten, paperback, 13 x 21cm, 2006

EUR 16,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Gerüchte und Falschmeldungen begleiten die Menschheitsgeschichte von Beginn an. Ihre politischen und militärischen Folgen waren oft verheerend, aber nur selten sind die Ursachen der Entstehung und Verbreitung restlos aufgeklärt worden.

Die Autoren führen an elf Beispielen aus dem 20. Jahrhundert vor, wie Fehlinformationen und Gerüchte im Spannungsfed zwischen Politik, Medien und Öffentlichkeit ihren verhängnisvollen Lauf nahmen. Dabei haben sie Fälle gewählt, die für Deutschland von zentraler Bedeutung waren - vom Ersten Weltkrieg über die NS-Zeit, den Kalten Krieg bis in die jüngste Gegenwart.

Für ihr Buch "Deutsche Legenden" wurde den Autoren bescheinigt: "Ihre Beweisführungen wären ideale Vorlagen für historische Poli-Krimis. Alle Zutaten sind da." (F.A.Z.)

Das gilt zweifellos auch für dieses Buch. Akribisch und detektivisch folgen sie den Spuren jedes Gerüchts und stoßen dabei auf überraschende Nachwirkungen bis in die Gegenwart.
Rezension
Legenden beeinflussen unsere Geschichte und unser historisches Bewusstsein. Gleiches gilt für Gerüchte, auch diesen kommt eine konstitutive Bedeutung für den historischen Prozess und für unser Geschichtsbewusstsein zu. Als Beispiel für ein solches den Geschichtsverlauf beeinflussendes Gerücht sei die Behauptung der amerikanischen Regierung unter George W. Bush genannt, die zum Irak-Krieg führte. Sie stellte die nicht bewiesene Behauptung auf, dass der irakische Diktator Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfüge. Dass Gerüchte in der Geschichte kein Einzelfall sind, belegt das im Jahre 2006 im Verlag „Ch.Links“ erschienene Buch „Gerüchte machen Geschichte“. Es stammt aus der Feder der beiden Publizisten Lars-Broder Keil und Sven Felix Kellerhoff, die bei der Tageszeitung „Die Welt“ tätig sind.
Die Autoren behandeln in ihrem Werk elf zeithistorische „folgenreiche Falschmeldungen“ der deutschen Geschichte vom Ersten Weltkrieg zum deutschen Militäreinsatz im Kosovo-Krieg 1999. In ihrem Vorwort legitimieren die Publizisten ihre auf den ersten Blick ungewöhnliche Themenwahl geschichtstheoretisch folgendermaßen: „Ernstgenommne Falschmeldungen und Gerüchte sind ein geeignetes Instrument zur Analyse vergangener Wirklichkeit. Man kann mit ihnen ergründen, welche politischen Grundsätze, ideologischen Vorurteile und praktischen Erfahrungen wirksam werden – sei es in der ganzen Gesellschaft oder in Teilen davon.“ (S. 10) Außerdem geben die Buchautoren eine Definition des Begriffs „Gerücht“ (S. 15) sowie eine Einführung in die Geschichte der "Gerüchte-Forschung" aus einem "geschichtsjournalistischen Blickwinkel" (S. 26).
Die folgenden elf Kapiteln zu Gerüchten aus der deutschen Geschichte weisen den gleichen Aufbau auf. Auf die Beschreibung des Gerüchts, seiner Genese und Entwicklung folgt eine Skizze des historischen Kontextes sowie eine Analyse des Wahrheitsgehalts des Gerüchts (S. 22). Der Leser findet sowohl in der Öffentlichkeit bekannte Gerüchte als auch ungewöhnliche Gerüchte. Zur ersten Gruppe können das von der deutschen Reichsregierung im Ersten Weltkrieg gestreute Gerücht von der "Lusitania" als bewaffneten Hilfkreuzer" oder Kurt von Schleichers vermeintliche Staatsstreichpläne, die Paul von Hindenburg in seiner Ernennung Hitlers zum Reichskanzler beeinflussten (S. 74), gezählt werden. Weniger bekannte Gerüchte sind das der "Kartoffelplage in der DDR 1950" oder die Bezeichnung des Bundespräsidenten Heinrich Lübke als "KZ-Baumeister" auf Seiten der DDR-Führung. Für die jüngste Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von besondere Bedeutung sind die von der RAF gestreuten Gerüchte - siehe auche meine Rezion zum "Mythos" RAF. Zu erwähnen ist auch Günter Schabowskis verkürzte und damit missverständliche Weitergabe der Privatreisebestimmungen für DDR-Bürger, die einen Katalysator für den Mauerfall bildete.
Fazit: Es handelt sich um ein für Geschichtslehrer empfehlenswertes Buch, das nicht nur historisches Detailwissen erschließt, sondern auch zur metahistorischen Reflexion anregt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Immer wieder haben falsche Behauptungen gravierende politische und militärische Folgen gehabt. Exemplarische Fälle aus der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts stellen die Autoren vor, die damit an ihr Werk »Deutsche Legenden « von 2002 anschließen. Insgesamt elf Vorgänge aus dem Ersten Weltkrieg, über die NS-Zeit und den Kalten Krieg bis zum Fall der Mauer und zur Gegenwart werden behandelt. Zunächst wird die jeweilige Fehlinformation als solche vorgestellt, dann wird untersucht, wie diese entstehen konnte und wie sie ihren Lauf nahm, um schließlich die Folgen zu erörtern. Dabei stellt sich heraus, wie langlebig bestimmte Gerüchte sind und wie wichtig es ist, ihnen auf den Grund zu gehen.

Inhaltsverzeichnis
Inhalt



Einleitung 7

"Lütticher Greuel". Deutsche Kriegsverbrechen in Belgien 1914 27

"Bewaffneter Hilfskreuzer". Die Versenkung der "Lusitania" 1915 49

"Potsdam marschiert". Kurt von Schleichers vermeintlicher Staatsstreich 69

"Rückzugsgebiet Alpenfestung". Die Sorge vor Hitlers letztem Trumpf 1945 89

"Für die Amerikaner spioniert". Die Noel-Field-Affärwe 1949-1954 109

"Amikäfer". Die Kartoffelkäferplage in der DDR 1950 135

"KZ-Baumeister". Die Kampagne gegen Bundespräsident Heinrich Lübke 1964-1969 159

"Isolationsfolter und Vernichtungshaft". Baader-Meinhof im Gefängnis 1972-1977 179

"Ökologisches Hiroshima". Das Waldsterben in Deutschland 1979-1988 209

"DDR öffnet Grenzen". Der Fall der Mauer 1989 237

"Serbischer Genozid". Der Gufeisenplan und der Kosovo-Krieg 1999 259


Anhang
Anmerkungen 291
Abbildungsnachweis 318
Danksagung 319
Zu den Autoren 320