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Italienische Literaturgeschichte  3., erweiterte Auflage

unter Mitarbeit von Hans Felten, Fank-Rutger Hausmann, Franca Janowski, Thomas Stauder, Rainer Stillers, Heinz Thoma, Hermann H. Wetzel herausgegeben von Volker Kapp
Italienische Literaturgeschichte


3., erweiterte Auflage



unter Mitarbeit von Hans Felten, Fank-Rutger Hausmann, Franca Janowski, Thomas Stauder, Rainer Stillers, Heinz Thoma, Hermann H. Wetzel herausgegeben von Volker Kapp





Volker Kapp (Hrsg.)

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476020642 (ISBN: 3-476-02064-9)
455 Seiten, hardcover, 18 x 25cm, 2007, mit 216 Abbildungen

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Eine Geschichte der italienischen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart - kompakt und informativ. Historische Hintergründe, große Autoren und wichtige Werke, von Dante, Petrarca und Boccaccio bis Pirandello, Calvino, Fo und vielen anderen. Die wesentlichen Facetten des literarischen Lebens in Italien, mit zahlreichen Illustrationen aus Malerei, Architektur, Theater und Film - jetzt aktualisiert und erweitert in der dritten Auflage.
Rezension
In der 3. Aufl. ist der Preis dieser Italienischen Literaturgeschichte erfreulich konstant geblieben, zugleich wurde die 3. Aufl. um das Schußkapitel "Neueste Tendenzen" (von Thomas Stauder) erweitert sowie bibliographisch aktualisiert. Die Darstellung sichert damit ihren Stellenwert als Entstanden ist ein in seiner Informationsfülle beeindruckender und spannend zu lesender Streifzug durch acht Jahrhunderte italienischer Literaturgeschichte (Stuttgarter Zeitung zur 2. Aufl.). Denn uns allen sind sie irgendwie bekannt - die prägenden Namen der italienischen Literaturgeschichte: von Dante Alighieri über Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio bis hin zu Italo Calvino, Dario Fo und Umberto Eco. Aber zumeist haben wir nur einen sehr ausschnitthaften Einblick – dieser Band stellt die Zusammenhänge her und gibt einen Gesamtüberblick. Man kann ihn gänzlich durcharbeiten oder ihn auch Lexikon-artig benutzen. Eine reiche s/w-Bebilderung erhöht den Lesegenuss ebenso wie ein Personen- und Werkregister das Auffinden erleichtert und die Auswahlbibliographie zu den einzelnen Jahrhunderten die Weiterarbeit ermöglicht.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
8 Jahrhunderte im Porträt
Autoren, Werke, historische Hintergründe
Neu in der 3. Auflage: Alessandro Baricco, Andrea Camilleri, Patrizia Valduga u.a.
Mit aktueller Auswahl-Bibliografie

Italien – klassisches Ziel deutscher Bildungsreisen. So ist auch die italienische Literatur seit jeher ein Muss für alle Kulturinteressierten. Von Dante, Petrarca und Boccaccio über Manzoni und Leopardi bis Pirandello, Calvino, Fo, Eco und Tabucci werden alle bedeutenden Autoren, ihre Werke und ihre Epoche vorgestellt. Jetzt um die letzten 20 Jahre und das Genre des Kriminalromans erweitert.

Pressestimmen:

"Entstanden ist ein in seiner Informationsfülle beeindruckender, insgesamt höchst aufschlußreicher, zudem spannend zu lesender Streifzug durch acht Jahrhunderte italienischer Literaturgeschichte." Stuttgarter Zeitung
Inhaltsverzeichnis
VORWORT IX
VORWORT ZUR DRITTEN AUFLAGE XI

ANFÄNGE UND DUECENTO
(Frank-Rutger Hausmann, aktualisiert von Rainer Stillers)

Kaisertum und Papsttum: der Streit um die Vorherrschaft in Italien 1
Die Anfänge der italienischen Literatur 6
Geistliche Dichtung: der Sonnengesang und die Lauden 8
Die »Sizilianische Schule«: Minnelyrik von Juristen und Königen 12
Die Bologneser Schule und der Dolce stil novo 15
Dantes Lyrik 18
Komisch-realistische Dichtung 22
Der Novellino – die erste Novellensammlung der Neuzeit 25
Vom Rätsel zur Jenseitsreise 27

TRECENTO
(Rainer Stillers)

Ein Jahrhundert der Übergänge 30
Dante Alighieri: das Werk nach der Verbannung 34
Die Rezeption Dantes im 14. Jahrhundert 42
Moralische Unterweisung und Wissensvermittlung: allegorische und didaktische Literatur 44
Suche nach spiritueller Erneuerung: religiöse und erbauliche Schriften 47
Das Selbstbildnis der Epoche: die Chroniken 49
Vom höfischen zum bürgerlichen Geschmack: Vers- und Prosaepik 52
Frühhumanistische Literatur und Poetik 55
Francesco Petrarca 59
Der Kontext des Canzoniere: Tendenzen der Lyrik 68
Giovanni Boccaccio 70
Novellistik vor und nach dem Decameron 83

QUATTROCENTO
(Frank-Rutger Hausmann, aktualisiert von Volker Kapp)

Geschichte Italiens im Quattrocento 87
Die Studia humanitatis 91
Die Humanisten und die neulateinische Literatur 96
Florenz und die Volkssprache 99
Luigi Pulci, Il Morgante 100
Matteo Maria Boiardo, L’Orlando Innamorato 103
lacopo Sannazaro, Arcadia 105
Lorenzo de’ Medici und die florentinische Kultur 107
Die Epochenschwelle zur Neuzeit: politische Ohnmacht und geistige Stärke 110

CINQUECENTO
(Volker Kapp)

Geschichte Italiens im 16. Jahrhundert 114
Der Wandel vom Stadtregiment zum Fürstenstaat als Ausgangspunkt der
politischen Theorie und der Geschichtsschreibung des Cinquecento 119
Ariostos Orlando furioso: die neue literarische Form des »romanzo« und
die Probleme einer aristokratischen Literatur in Volgare 125
Pietro Bembos Anpassung des humanistischen Modell-Konzepts an die
Erfordernisse einer überregionalen literarischen Kultur in Volgare 130
Urbanes Ethos als höfischer Gesprächsstoff in den Hoftraktaten und die
Anstandsliteratur des Cinquecento 136
Die Herausbildung von Konzepten, Formen und Poetiken des Theaters 142
Möglichkeiten der Anverwandlung von Petrarcas Poesie und der Einfluss
der lateinischen Dichtung auf die Lyrik des Cinquecento 151
Die Dichtungstheorie des Cinquecento und deren Bedeutung für das Schaffen von Torquato Tasso 158
Die Vielfalt des Wirklichen als Gegenstand der Prosa des Cinquecento 165

SEICENTO
(Volker Kapp)

Die politische und kulturelle Umorientierung Italiens im 17. Jahrhundert 171
Die Kultur der Gegenreformation 174
Die Barockdichtung als die »neue Literatur« der Argutia-Bewegung 178
Die neue Wissenschaftskonzeption Galileis als literarisches Phänomen 186
Die Commedia dell’ arte 193
Das italienische Theater des Seicento 198
Die Epik des Seicento 206

SETTECENTO
(Hans Felten)

Zur politischen und gesellschaftlichen Situation Italiens im 18. Jahrhundert 209
Italienische Aufklärer 211
Muratori und die aufklärerische Geschichtswissenschaft 213
Giambattista Vico und die Entdeckung des historischen Denkens 214
Fiktionale Literatur im Settecento 215
Italienisches Theater 216
Goldoni und Gozzi – Wirklichkeitstreue gegen Märchentheater 216
Alfieri als Tragödiendichter 222
Pietro Metastasio – das Melodrama als absolutistisches Huldigungstheater
und Drama der Seelenanalyse 226
Lorenzo Da Ponte – Libretti als heiteres Spiel mit modischen Liebesdiskursen 228
Die Arcadia – poetologische Konzeption und Beispiele arkadischer Lyrik 229
Höhepunkte der Lyrik des Settecento 237
Roman und Epos im Settecento 237
Autobiographische Literatur 239
Antirevolutionäre Literatur: Alfieris Il Misogallo und Vincenzo Montis Bassvilliana 243

OTTOCENTO
(Franca Janowski)

Die Politik beerbt die Literatur 245
Ugo Foscolos Weg im Horizontwandel zwischen Neoklassizismus und Romantik 249
Die Literatur der Romantik 255
Die Malerei des Risorgimento 259
Die Dialektdichtung 260
Alessandro Manzoni 264
Giacomo Leopardi 269
Die neue Rolle der Intellektuellen 276
Die Historie als literarisches Thema 277
Die nationalen Biographien 278
Zwischen Einheit und Jahrhundertwende 281
Die erste italienische Avantgarde: die Scapigliatura 282
Die Spannung zwischen Peripherie und Zentrum: der Verismus 286
Giosuè Carducci, der Dichter als Barde vergangener Mythen 293
Literatur nicht nur für die Jugend: Collodi und De Amicis 295
Das Melodrama als italienischer Volksroman 296

NOVECENTO
(Heinz Thoma/Hermann H. Wetzel)

Trasformismo und liberale Hegemonie 300
Kulturmodelle und Strategien der Intelligenz 301
Dekadenzbewusstsein und Überhöhungswille im Fin de Siècle 304
Zeitflucht und Bildersturm: Crepuscolarismo und Futurismus 311
Die Zeitschriften in der Ära Giolitti 314
Auf dem Weg zur literarischen Moderne: Italo Svevo, Luigi Pirandello, Federigo Tozzi 316
Modernisierung und autoritärer Synkretismus: der italienische Faschismus 326
Zwischen Ideologie und Design: Alltagskultur im Faschismus 329
Von der Verknüpfung des Unterschiedenen zum autoritären Staat: Croce und Gentile 332
Erzwungene Unübersichtlichkeit: die Zeitschriftenkultur 334
Zwischen Kunstprosa und Neuem Realismus: der Roman der Zwischenkriegszeit 337
Es gibt kein unschuldiges Land: die Lyrik zwischen Sinnsuche und Hermetik 343
Die Zeit nach 1945 349
Vom Neorealismo zum Sperimentalismo 363
Vom »miracolo economico« zur »contestazione« 367
Der Mezzogiorno oder die Faszination des Archaischen 372
Auf dem Weg zur Neoavantgarde 375
Die neue Lust am Erzählen 380
Literatur und Massenkultur 385
Das italienische Theater der Nachkriegszeit 386
Vollendung und Überwindung des Ermetismo in der neueren italienischen Lyrik 395

NEUESTE TENDENZEN
(Thomas Stauder)

Von »Tangentopoli« über die »Girotondi« bis zur zweiten Regierung Prodi 403
Neue Namen der literarischen Szene 404
Narrativik im Zeichen von Intermedialität und »letteratura pulp« 405
Gegenwartsdramatik zwischen »attautori« und »narr-attori« 412
Lyrik als individuelle Umfunktionalisierung der Gattungstradition 415

Bibliographie 419
Personen- und Werkregister 430
Bildquellen 444

Leseprobe:
Vorwort
Die geringere Bekanntheit der italienischen Literatur in Deutschland steht im
Kontrast zu ihrem großen Reichtum an Werken, die auf die deutsche und die
europäische Literatur insgesamt Einfluss genommen haben und für die literarische
Entwicklung entscheidende Bedeutung hatten. Solange das Italienische
zu den Sprachen gehörte, die ein Gebildeter erlernte und für seine
Bildungsreise gebrauchen konnte, war die italienische Literatur vielen im
Original zugänglich. Auch der nicht abreißende Fluss von Übersetzungen
machte die wesentlichen Werke bekannt. Die deutsche Italianistik hat bisher
erstaunlicherweise kaum Anstrengungen unternommen, eine Geschichte der
italienischen Literatur zu schreiben, die dem spezifischen Informationsbedürfnis
der deutschen Leser gerecht wird. Diese Lücke möchten wir mit unserer
Italienischen Literaturgeschichte schließen.
Aus der Erfahrung unserer Lehre an deutschen Universitäten wissen wir,
dass die italienischen Standardwerke den hier Studierenden sprachliche und
sachliche Verständnisschwierigkeiten bereiten: Die innerhalb der schulischen
und universitären Curricula in Italien verwendeten Handbücher setzen ein
auf italienische Studenten zugeschnittenes Wissen voraus. Durch unsere allgemeinverständliche
Darstellung, die Erklärung größerer Zusammenhänge
und die Hintergründe geschichtlicher Faktoren wird ein umfassender Überblick
über die vielen Facetten des literarischen Lebens in Italien gegeben, der
ebenso für Studierende der Philologie wie auch für interessierte Leser und
Italienliebhaber geeignet ist.
Die Literaturgeschichtsschreibung ist in den letzten Jahrzehnten besonders
dadurch behindert worden, dass das Erzählen nicht mehr als wissenschaftliche
Schreibweise akzeptiert wird. Wir haben gleichwohl eine erzählende
Aussageform gewählt, damit diese Literaturgeschichte zusammenhängend
gelesen werden kann. Die unterschiedlichen methodischen Orientierungen
konnten und wollten die Autoren zwar nicht verleugnen, aber doch so in den
Hintergrund rücken, dass zwischen den einzelnen Kapiteln keine Brüche
entstehen. Obwohl ausgeprägte Begrifflichkeit für viele heute ein Maßstab
für Wissenschaftlichkeit zu sein scheint, haben wir uns zu einem weitgehenden
Verzicht auf sie entschlossen. Ebenso sollten die Zitate so spärlich wie
möglich eingesetzt werden. Nur die Titel und einige zentrale Kategorien wie
»Dolce stil novo« oder »Risorgimento« mussten im Original stehen bleiben,
wie dies ja auch in den Literaturlexika der Fall ist. Als Ordnungskriterium
für die konzentrierte Zusammenschau, die diese einbändige Literaturgeschichte
leisten will, schien uns die chronologische Einteilung nach Jahrhunderten
am angemessensten zu sein. Die einzelnen Jahrhunderte werden dabei
weniger als klar umrissene Epochengrenzen denn als pragmatische Einteilungskriterien
benutzt, die eine Gliederung des Stoffes erleichtern. Innerhalb
dieses Schemas haben wir jedoch die einzelnen Unterabteilungen so frei bestimmt,
dass gattungsspezifische oder literatursoziologische Gesichtspunkte
zu ihrem Recht kommen. Die strikt chronologische Abfolge wurde durchbrochen,
wann immer dies die Darstellung größerer Sachzusammenhänge
erforderlich machte. Inhaltsangaben und Lebensläufe können in den größeren
deutschen Literaturlexika nachgeschlagen werden. Wir haben sie nur insoweit
berücksichtigt, wie sie für die Deutung der Werke notwendig sind.
X
Neben den unumstrittenen Gipfelpunkten der italienischen »Höhenkammliteratur
« haben wir auch Autoren aufgenommen, die nicht zum Kanon gehören.
aber aus europäischer Sicht bemerkenswerter sind. In dieser Perspektive
sind die Opernlibrettisten des frühen 17. Jahrhunderts wichtiger als die in
den Kanon der italienischen Literatur eingegangenen Dramatiker der Zeit.
Auch verdient beispielsweise ein heute nur dem Spezialisten bekannter Gelehrter
wie Pierio Valeriano erwähnt zu werden, weil seine lateinischen
Schriften für das Verständnis der Zeit erhellend sind. Umgekehrt wurde das
literarische Vakuum, das zur Zeit des Faschismus existierte, durch eine Skizzierung
der faschistischen Alltagskultur gefüllt. Wir haben Schwerpunkte
gesetzt: Das 20. Jahrhundert wird ausführlich behandelt, denn die neuere
und neueste Literatur wird viel übersetzt und gelesen, daher ist ihr Stellenwert
innerhalb des literarischen Lebens in Italien von Interesse. Das Cinquecento
wird breiter dargestellt als die anderen Jahrhunderte: Die italienische
Literatur erreicht in dieser Zeit eine Größe, wie sie nur noch im Trecento
vorhanden ist, das mit den drei Florentinern Dante, Petrarca und Boccaccio
ebenfalls gebührend Raum erhält. Die Darstellung von Dantes Frühwerk ist
von der seines Hauptwerkes getrennt worden, weil das Frühwerk in den
Kontext des Dolce stil novo gehört. Mit Hilfe des Autoren-, Personen-, und
Werkregisters, das die Lebensdaten der Dichter, Schriftsteller und bedeutender
historischer Gestalten enthält, können die wichtigen Stellen, an denen
die verzeichneten Personen im fortlaufenden Text vorkommen, erschlossen
werden.
Das Zustandekommen des vorliegenden Bandes ist nicht nur dem Einsatz
der Autoren zu verdanken, sondern auch vielen hilfreichen Geistern. Bernd
Lutz und Petra Wägenbaur vom Metzler Verlag haben das Projekt umsichtig
und tatkräftig betreut. In Kiel halfen mir Marcello Andolfatto, Nicola Bussenius,
Maren Pfüller, Stephanie Schmidt-Janus und Dorothee Scholl, die zusammen
das Register erstellt haben. Meine Frau unterstützte uns bei der
Lektüre der Druckfahnen. Titus Heydenreich (Universität Erlangen) hat mir
mit seiner reichen Bibliothek und seiner großen Belesenheit vielfach weitergeholfen.
Ihnen allen möchte ich hier meinen ganz besonderen Dank aussprechen.
Kiel, im Juli 1992 Volker Kapp

Vorwort zur dritten Auflage
Als wir im Jahr 1992 die Italienische Literaturgeschichte veröffentlichten,
konnten wir nicht ahnen, dass zwei weitere Unternehmen ähnlicher Art in
Vorbereitung waren. Wir nehmen dies im Nachhinein als Bestätigung unserer
Absicht und freuen uns insbesondere, dass unsere Literaturgeschichte, sicher
auch durch den guten Ruf der Serie von Literaturgeschichten im Metzler-
Verlag gefördert, ein so breites Echo gefunden hat.
Während bei der rasch folgenden zweiten Auflage im Jahr 1994 nur die
leider nicht ganz zu vermeidenden Unzulänglichkeiten korrigiert wurden,
haben wir nun in dieser dritten Auflage größere Eingriffe vorgenommen. Ein
Kapitel über die jüngste Entwicklung der italienischen Literatur aus der Feder
von Thomas Stauder ist neu hinzugekommen. Die Bibliographie ist aktualisiert,
ergänzt und um internationale Standardwerke erweitert worden. Die
einzelnen Kapitel wurden jeweils nach den Vorstellungen ihrer Verfasser
überarbeitet. Frank-Rutger Hausmann, der wegen anderweitiger Verpflichtungen
die Revision seiner beiden Kapitel nicht selbst vornehmen konnte,
hat diese Aufgabe für die Anfänge und das Duecento Rainer Stillers, für das
Quattrocento dem Herausgeber überlassen. Die neue Rechtschreibung
kommt nun zur Anwendung. Die Zahl der Abbildungen wurde auf die Kernaussagen
hin reduziert, ihre technische Qualität verbessert.
Beim Verlag halfen dem Herausgeber Oliver Schütze und sein Team, in
Kiel Béatrice Jakobs mit hoher Kompetenz und großer Freundlichkeit. Ihnen
und den Beiträgern sei hier mein herzlicher Dank ausgesprochen.
Kiel, im Juni 2007 Volker Kapp

Vorwort
1
Anfänge und Duecento
Kaisertum und Papsttum: der Streit um die
Vorherrschaft in Italien
Historiker wie Kritiker der älteren italienischen Literatur stimmen darin
überein, dass diese, verglichen mit der der übrigen Romania, verhältnismäßig
spät, nämlich nicht vor dem Beginn des 13. Jh., einsetzt. Sie erklären dies
häufig mit der Konkurrenz des Lateins, das in Italien besonders lange verstanden
wurde. Sie verweisen aber auch auf das Prestige anderer Volkssprachen
(Provenzalisch, Altfranzösisch, Mittelhochdeutsch), die bereits eine literarische
Hochblüte erreicht hatten und als Ausdrucksmittel auch Italienern
zur Verfügung standen: Zu nennen sind beispielsweise der mittelhochdeutsch
schreibende Friulaner Thomasin von Zerclaere und sein höfisches Lehrgedicht
Der welsche Gast in 14 742 Versen. Des Französischen bedienen sich
Brunetto Latini mit seiner Enzyklopädie Li Livres dou tresor, Martino
Canale (da Canal) mit seiner venezianischen Geschichte Cronique des Veniciens
und Rustichello da Pisa, der Marco Polos Reisebericht Il Milione
(Devisa ment du monde) aufschreibt; provenzalisch dichten Trobadors wie
Lanfranco Cigala, Sordello da Goito und viele andere.
Als die Italiener aber dann in der Volkssprache, dem Volgare, zu schreiben
beginnen, erreichen sie sogleich eine staunenswerte Hochblüte, wenn sie
auch Gattungen wie das Ritterepos (chanson de geste) oder den höfischen
Roman, in denen die Nordfranzosen glänzen, wenig pflegen. Eine Ausnahme
bildet hier allein die in der hybriden Mischsprache des Frankoitalienischen
verfasste norditalienische Heldenepik des 13. Jh. Dies mag mit dem Fehlen
einer ritterlichen Hofkultur erklärt werden, die in Italien (ab 1030) durch
eine stark säkularisierte bürgerlich-kommunale Kultur ersetzt wird, welche
die Feudalhierarchie langsam außer Kraft setzt. Folglich haben die Italiener
Gattungen wie die Novelle und die Autobiographie »erfunden«, denn die
Novelle ersetzt feudalständische Exklusivität durch Witz und Intelligenz.
Auch antwortet sie auf die den Kaufmann interessierende Frage, »was es
Neues gibt«. Die Autobiographie wertet das Individuum auf und wendet die
im Geschäftsverkehr notwendige Rechnungslegung auf das private Leben an.
Die Italiener haben aber auch das Sonett geschaffen – die Idealform der
kurzen Kunstlyrik –, das auf eine Kombination von juristischer, logischer
und rhetorischer Schulung zurückzuführen ist. Dies alles entspricht bürgerlichem
Pragmatismus, und auf der gleichen Linie liegt es, wenn sie einige
Jahrhunderte später die ersten modernen Staatslehren (Machiavelli), Anstandsbücher
und Zivilitäten (Baldassare Castiglione, Giovanni Della Casa,
Stefano Guazzo) und Geschichtsphilosophien (Francesco Guicciardini,
Giambattista Vico) beigesteuert haben, die ihren Wirklichkeitssinn wie ihre
Unvoreingenommenheit bezeugen.
Das historische Erbe und die geographische Lage Italiens sind verantwortlich
dafür, dass sich die Italiener als alleinige Nachfolger Roms verstehen
konnten, war doch die Stadt Rom Sitz des Papsttums und zugleich Krönungsort
der deutschen Kaiser bzw. der Ort mit den meisten Bauwerken der
Antike. An dieser Sonderrolle ändern die zeitweilige Schwäche des Papsttums
oder die Abwesenheit der Kaiser nichts, auch nicht die Tatsache, dass die
Die Konkurrenz der
Sprachen
Frühe Hochblüte der
Literatur
Imperium,
Sacerdotium, Litterae
2 Anfänge und Duecento
Bauwerke vielfach in Ruinen lagen und die Einwohner den Marmor zu Kalk
für ihre Profanbauten brannten. Die Italiener besaßen das katholische Sacerdotium,
das allumspannende politische Imperium und konnten mit dem Latein
eine Universalsprache reklamieren, was zunächst der Herausbildung
eines eigenen Nationalidioms entgegenzustehen schien. Die in Italien entstandene
spät- und mittellateinische Literatur ist umfangreich und mustergültig,
wenn sie auch meist publizistischen, historiographischen, enzyklopädischen
oder religiösen Zuschnitts ist. Sie bildet aber auch noch in späteren
Jahrhunderten ein Ideen- und Ausdrucksreservoir, auf das volkssprachliche
Autoren als Patrimonium zurückgreifen.
Die stiefelförmige Halbinsel Italien mit ihren fast 1000 km langen adriatischen
und tyrrhenischen Küsten ist nach allen Seiten offen und macht das
Land für fremde Einflüsse empfänglich: Italiens Ostküste ist der slavischen,
byzantinischen und orientalisch-arabischen Welt zugewandt; seine Westküste
der französischen, katalanischen und spanischen. Sizilien blickt nach Afrika,
und am Alpenkamm stößt das Land an die germanische, oft als »barbarisch«
verketzerte Welt. So wurde Italien schon früh zum Schnittpunkt benachbarter
Kulturen, zum Schmelztiegel von Kenntnissen, Ideen und Meinungen
fremden Ursprungs, zum Reiseziel von Studenten, Priestern, Kaufleuten, Soldaten
und Aristokraten, aber auch zum politischen Zankapfel und Spielball
der Anrainermächte, die das Land mit seinen Schätzen in ihre Gewalt zu
bringen versuchten. Wer in Italien herrschte, beherrschte das Mittelmeer,
denn das Land hat eine geopolitische und strategische Schlüsselstellung. Eine
eigene übergreifende Staatlichkeit konnte sich kaum entfalten, stattdessen
zerfiel das Land in mehrere Machtblöcke: den Norden (Lombardei, Emilia,
Venetien, Toscana), das Zentrum (Rom und Kirchenstaat) und den Süden
(Neapel, Sizilien), in denen sich immer wieder andere Eindringlinge festsetzten.
Diese Dreigliederung, die sich jahrhundertelang gehalten hat, wurde
noch durch eine Sprachgrenze verstärkt. Sie verläuft über den Apenninenkamm,
ungefähr von La Spezia nach Rimini, trennt die Ost- von der
Westromania und ist für die Existenz der bodenständigsten und langlebigsten
Dialektliteratur Europas verantwortlich. Diese Scheidelinie verwischte sich
erst im 19. Jh. im Gefolge des modernen Nationalstaats und lebt heute allenfalls
im »Mezzogiornoproblem« fort, der Vorstellung vom rückständigen
Süden und dem modernen Norden des Landes.
Das nördliche Oberitalien wurde später als Reichs-Italien der deutschen
Kaiser eng mit dem nordalpinen Europa verbunden. Mittelitalien mit dem
Kirchenstaat suchte seine Unabhängigkeit und stand meist in Konfrontation
mit dem Kaisertum; Unteritalien ging unter wechselnden Herren (Byzantiner,
Araber, Normannen, Staufer, Anjou, Aragon) eigene Wege. Die lokale Bevölkerung
wurde in den Hader der Großen hineingezogen. So bildeten sich zwei
große Parteien heraus, die kaisertreuen Ghibellinen und die pro-päpstlichen
Guelfen. Wenn auch der eigentliche Dissens, der im Investiturstreit zwischen
Kaisertum und Papsttum wurzelt, schon bald vergessen wurde, hat diese
Fraktionierung das ganze Mittelalter überschattet und viele Dichter ins Exil
gezwungen oder sonst ihr Leben und Schaffen geprägt und beeinflusst. Die
Namen Guelfen und Ghibellinen gehen auf den Welfen Otto IV. und den
Staufer Friedrich II. zurück, den man nach einem alten staufischen Besitz, der
süddeutschen Stadt Waiblingen, so nannte.
Überblickt man die italienische Geschichte seit dem Fall des Weströmischen
Reiches (470 n. Chr.), so wechseln sich fremde Eroberer ab, die das
Land immer wieder untereinander aufteilen. Auf die Ostgoten unter Theoderich
(490–525) folgen die Byzantiner, die sich 568 mit den Langobarden ar-
Die Dreigliederung
Italiens
Fremde Eroberer
3
rangieren. Der Norden wird langobardisch, große Teile Süditaliens (mit Ravenna)
byzantinisch, und zwischen diesen Mächten behauptet sich das
Papsttum. Mitte des 8. Jh. bricht das byzantinische Exarchat von Ravenna
zusammen, und an seine Stelle treten die Franken, die unter Karl dem Großen
(774) die Langobarden ausschalten, um das Land unter schwäbische und
fränkische Grafen aufzuteilen. Da die Karolinger von ihren Pfalzen nördlich
der Alpen regieren, macht sich Anarchie breit; ganze Territorien (vor allem
Venedig) erringen die Selbständigkeit. Das Papsttum kommt unter den Einfluss
meist stadtrömischer Adelsfamilien; die Araber erobern Apulien und
Sizilien, und die italienische Königswürde wird zum Streitobjekt der Herzöge
von Spoleto und Friaul sowie der Könige der Provence.
Otto I. interveniert 951 und befestigt nach seiner Kaiserkrönung (962) die
deutsche Herrschaft. Er versucht sogar, das ganze Land in das Heilige Römische
Reich zu integrieren. Im Verlauf des 11. Jh. erwächst aber den Kaisern
in den oberitalienischen Städten ein politisches Gegengewicht, das mit militärischen
Mitteln nicht mehr niedergehalten werden kann. Die Kommunen
profitieren vom Aufschwung des internationalen Handels und nutzen geschickt
den Investiturstreit, um die Feudalherrschaft der Staufer abzuschütteln.
Während der Norden partikularistischen Tendenzen anhängt, wird der
Süden unter der Herrschaft der Normannen vereint. Diese ursprünglichen
Seeräuber, die seit 1018 in Süditalien siedeln, unterwerfen allmählich ganz
Apulien und Sizilien und schalten die Araber und Byzantiner aus. Das von
König Roger II. begründete Königreich beider Sizilien wird zum leistungsfähigsten
und modernsten Zentralstaat der damaligen Zeit. Die starke Zentralgewalt
ist dem byzantinischen und arabischen Regierungssystem nachgebildet,
hat jedoch den Vorteil, kein riesiges und unüberschaubares Territorium
Die oberitalienischen
Kommunen
Italien und die
spätere Romania im
4. Jahrhundert
Kaisertum und Papsttum: der Streit um die Vorherrschaft in Italien
4 Anfänge und Duecento
verwalten und stabilisieren zu müssen. Dadurch ist sie weniger anfällig gegen
Anarchie, Chaos und Revolten.
Die Hohenstauferherrschaft (1138–1268) ist der letzte Versuch, die Universalmonarchie
wiederherzustellen, zumal Heinrich VI. 1186 Konstanze,
die Erbin Rogers II., heiratet und große Teile Italiens mit dem Reich vereint.
Das Papsttum und die oberitalienischen Städte sehen ihre Autonomie gefährdet
und leisten dem Kaisertum erbitterten Widerstand. Nach dem Tod Friedrichs
II. (1250) zerrinnt der Traum eines geeinten Italien; Sizilien wird an
Karl von Anjou verliehen, der sich nach der Sizilianischen Vesper (1282) auf
das Festland und Neapel beschränkt, während die Insel Sizilien Besitz der
Aragonier wird. Das vom Kampf gegen das Kaisertum zermürbte Papsttum
gerät immer stärker unter französischen Einfluss, was zum Babylonischen
Exil der Kirche, der Überführung der Kurie nach Avignon (1309–1376),
führt. So gibt es in dieser jahrzehntelangen Auseinandersetzung keinen wirklichen
Sieger, und Leidtragender ist das Volk, dessen politische Unterdrückung
für alle Zeit besiegelt scheint.
Angesichts des Fehlens politischer Autonomie entwickeln die Italiener
frühzeitig als Ersatz eine kulturelle Identität, die ihnen hilft, als »Kulturnation
« bis zum 19. Jh. die Fremdherrschaft zu überleben. Individualität zählt
mehr als Kollektivismus, und eine stillschweigende, aber oft verbissene Widersetzlichkeit
gegen jede Autorität, ein stets gepflegtes anarchisches Residuum,
macht es noch heute dem Staat schwer, zentralistische Maßnahmen
gegen den einzelnen Bürger durchzusetzen. Nach außen passt man sich
scheinbar an, schafft sich aber schon früh persönliche Freiräume der Selbstverwirklichung,
in denen man gegen fremde Eingriffe geborgen ist. So sind
die Italiener in vielen geistigen und ökonomischen Lebensbereichen (Theologie,
Geschichtsschreibung, Literatur, Wirtschaft, Staatslehre, Mathematik
usw.) seit dem frühen 13. Jh. führend, werden zu Lehrmeistern anderer Völker
und zu gesuchten Gesprächspartnern im Wettstreit der Nationen. Nennen
wir einige Beispiele: Zwei der bedeutendsten Ordensgründer des Mittelalters
sind Italiener, Benedikt von Nursia (ca. 480–550), der Vater des abendländischen
Mönchstums, und Franz von Assisi (1181–1226), der den wichtigs-
Der Griff nach der
Universalmonarchie
Castel del Monte,
Jagdschloss des
Hohenstaufenkaisers
Friedrichs II. in Apulien
5
ten Reformorden des hohen Mittelalters, die Minoriten oder Franziskaner,
begründet.
Benedikt erhebt Gebet, Arbeit und Gehorsam zu den drei Hauptprinzipien
des westlichen Mönchswesens. Klöster wie Montecassino, Bobbio, Nonantola,
Novalesa und andere bewahren in ihren Bibliotheken das Wissen der
Antike und schlagen die Brücke zwischen Altertum und Neuzeit. Franziskus
sendet seine Brüder in die Welt, um durch Predigt und Armenpflege den
Kranken und Ausgestoßenen zu helfen. Auf diese Weise wird das Ideal der
apostolischen Armut verwirklicht. Die beiden franziskanischen Richtungen
der Spiritualen, der weltverneinenden Nachfolger Christi, und der Konventualen,
die sich den Erfordernissen der Außenwelt anpassen, verkörpern bereits
früh zwei grundsätzliche, aber antinomische Haltungen gegenüber dem
Leben, die sich, mutatis mutandis, bis heute unversöhnlich gegenüberstehen.
Der Ordensgründer hat mit seinem Sonnengesang, der die Schöpfung mit
dem Ausdruck demütiger Dankbarkeit als ein Geschenk Gottes und ein harmonisches
Zusammenwirken von Natur und Mensch feiert, die italienische
Literatur mit einem ihrer frühesten Meisterwerke beschenkt.
Italien wird schon bald das Land mit den meisten Universitäten (Salerno,
um 1030; Parma, 1065; Bologna, 1088; Modena, 1175; Padua, 1222; Neapel,
1224 usw.), die juristische Selbstständigkeit und Satzungsautonomie erhalten.
Das Studium generale, der Unterricht der Sieben Freien Künste (Trivium:
Grammatik, Dialektik, Rhetorik; Quadrivium: Arithmetik, Geometrie,
Astronomie und Musik) steht den Angehörigen aller Nationen offen und ist
als allgemeine Propädeutik Eingangsvoraussetzung für ein Fachstudium der
Theologie, der Medizin oder des Rechts. Alle Studenten erfahren somit eine
stark rhetorisch-literarische Grundausbildung, was den Boden für das Entstehen
der Literatur bereitet. Bologna war aus der Glossatorenschule des Irnerius
hervorgegangen und leitete die Wiederbelebung des Römischen Rechts
(Codex Iustinianus) für ganz Europa ein. Neben das göttliche (oder kanonische)
und das Naturrecht tritt das gesetzte menschliche Recht, das alle Lebensbereiche
formalisiert und befriedet. Es dient aber nicht nur der Sicherung
der sozialen Ordnung, sondern befördert ein klares und vorurteilsfreies methodisches
Denken. Mit Salerno besitzt Italien die früheste europäische Medizinhochschule
von Rang; hier werden der Mensch und die Natur als materielle
Wesen betrachtet, was den Italienern schon bald einen naturwissenschaftlichen
Vorsprung vor anderen Nationen sichert.
Das geistige Leben spielt sich aber nicht nur in den Universitätsstädten ab.
Die Handelsstädte an der Küste (Venedig, Amalfi, Genua, Livorno) wie im
Hinterland (Florenz, Siena, Pisa, Mailand) sind dem Fortschritt gegenüber
aufgeschlossen. Die Florentiner Münze, der Floren oder Gulden, wird zur
Leitwährung des Abendlandes. Der lebhafte Handel erzwingt neue Formen
des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Wechselbrief) und seiner Verbuchung
(doppelte Buchführung). Dies gewöhnt die Italiener nicht nur daran, ökonomisch
international zu denken, denn sie sind die führenden Bankiers der
Welt, sondern auch Mathematik, Technik und Naturwissenschaften zu pflegen.
Auf den entsprechenden italienischen Entdeckungen des 13. Jh. wird die
gemeineuropäische Entwicklung noch bis zur Hochrenaissance und darüber
hinaus fußen.
Das Vordringen der Araber und Osmanen verschließt zwar das östliche
Mittelmeerbecken und drängt Venedig und Genua nach Westen ab, doch dies
führt schließlich (15. Jh.) zum Zeitalter der Entdeckungen. Italien gerät wirtschaftlich
langsam ins Abseits, aber Makrokosmos und Mikrokosmos sind,
dank italienischer Teilnahme (Christoph Kolumbus, Giovanni Verrazzano,
Die Ordensgründer
Erste Universitäten
Palazzo Vecchio und
Piazza della Signoria in
Florenz; Zentrum der
kommunalen Macht
Kaisertum und Papsttum: der Streit um die Vorherrschaft in Italien
6 Anfänge und Duecento
Amerigo Vespucci, John Cabot, Alvise Ca’ Damosto usw.), bis in die letzten
Winkel erforscht und ausgeleuchtet.
Wenn wir diese Ergebnisse zusammenfassen, können wir zu Beginn des
13. Jh. in allen Lebensbereichen einen Bruch mit dem Alten und einen Willen
zum Aufbruch erkennen. So ist es kein Wunder, dass sich auch die Literatur
diesem Drängen nicht mehr verschließt. Die auf dem Boden Italiens existierende
Sprachenvielfalt ist zunächst überraschend groß: Neben dem Latein
als Kirchen-, Verwaltungs- und Gelehrtensprache und dem sich langsam zur
Koiné entwickelnden toskanischen Italienisch finden wir, allerdings in eher
abgelegenen Randzonen, das Sardische, Rätoromanische und Dalmatinische
als weitere grundständige romanische Sprachen, dazu germanische, slavische,
albanische, rumänische, byzantinische, provenzalische und katalanische
Sprachinseln kleineren Umfangs. Bedenkt man, dass Italien dialektal dreigegliedert
ist und neben den gallo-italienischen ober- und norditalienischen
bzw. den mittel- und süditalienischen Dialekten die wichtige Gruppe der eher
dem Süden zuneigenden toskanischen Dialekte kennt, wird unschwer verständlich,
dass die italienische Literatur länger als die anderer Völker Dialektliteratur
ist. Der Kampf um die Durchsetzung einer Sprache (Latein) oder
eines Dialekts, die sogenannte »Questione della lingua«, mit seinen zahllosen
differenzierten Parteinahmen, wird erst im Einheitsstaat des 19. Jh. für das
gesprochene Florentinisch entschieden werden. Mangels eines Hofzentrums
erfolgt aber bereits früh eine Vorentscheidung für das Toskanische, in dem
die Meisterwerke der »tre corone fiorentine«, der »drei florentinischen Kronen
« Dante, Petrarca und Boccaccio, abgefasst sind. Kein anderer Dialekt
kann dem etwas Ebenbürtiges entgegensetzen, und die Vorbildhaftigkeit und
Mustergültigkeit der Divina Commedia, des Canzoniere bzw. des Decameron
überzeugen letztlich auch die Gegner des Toskanischen, die nach Pietro
Bembos Plädoyer (Prose della volgar lingua, 1525) nach und nach verstummen.
Wenn das Französische, die »langue d’oil«, im Italien des 13. Jh. aufgrund
des Prestiges seiner Literatur (höfischer Roman) neben dem Latein eine
zweite Verkehrssprache ist, bezeugen doch bereits volkssprachliche Einsprengsel
in zumeist juristischen Texten (Placita, Verträge, Schwurformeln,
Schiedssprüche, Zeugenberichte, Privilegien und Rechnungsbücher) die Existenz
des Sprechitalienischen, das sich allerdings literarisch erst noch vom lateinischen,
provenzalischen und französischen Vorbild emanzipieren muss,
ehe es selber zu literarischen Ehren gelangt.
Die Anfänge der italienischen Literatur
Streng genommen setzt die italienische Literatur bereits Ende des 12. Jh. ein,
doch sind die wenigen Texte aus dieser Zeit nur lückenhaft überliefert. Auch
wirken sie im Vergleich etwa zu der fast gleichzeitigen altfranzösischen
Chanson de Roland unbeholfen und schwerfällig und können ihre fremdsprachigen
Vorbilder nicht verleugnen, so dass die Literaturkritik hier eher
von »Vortasten« und »Präludieren« spricht. Der anonyme Ritmo laurenziano,
meist auf ca. 1115–1180 datiert, ist ein frisches Heischgedicht in drei
Strophen unregelmäßiger Zeilenzahl. Die noch unbeholfenen Strophen sind
jedoch am Reim und dem Inhalt erkenntlich. Sie sind an einen oder mehrere
Bischöfe gerichtet und enthalten die Bitte um ein oder mehrere Pferde. Der
Sprachenvielfalt und
Sprachenstreit
Erste Zeugnisse
Gaukler und Kleriker
7
Ritmo reiht sich neben die fast zeitgleichen unverschämten Betteleien eines
Archipoeta, Hugo Primas oder Walter von Châtillon ein. Während diese aber
lateinisch schreiben, gibt der Ritmo laurenziano, der nach seinem Fundort,
der Biblioteca Medicea Laurenziana in Florenz so benannt ist, erste Kunde
von einer volkssprachlichen Vagantenlyrik oder Spielmannsdichtung (it.
»giullare«), von der wir sonst nur wenig wissen. Sie ist ein gemeineuropäisches
Phänomen und hat Bildungsstätten mit arbeitslosen Klerikern sowie
frühe Hofzentren mit Mäzenatentum zur Voraussetzung. Der Ritmo cassinese
(12. /13. Jh.), lange als ein Streitgespräch über Wert und Unwert des
östlichen und westlichen Mönchstums gedeutet, geht wohl auf einen Dialog
des Sulpicius Severus zurück. Der Text ist aber so mehrdeutig, dass auch
ganz andere Interpretationen vorgeschlagen wurden wie der Gegensatz von
Geist und Materie, Tod und Leben, Mittelalter und Frührenaissance. Der
Ritmo di San Alessio (Anfang 13. Jh.) ist eine eher plumpe Paraphrase des
altfranzösischen Alexiusliedes, und die Elegia in dialetto giudeo-italiano, die
zu Manuskripten aus der Synagoge in Ferrara gehört und eine Midrasch-
Legende (rabbinische Auslegung eines Bibeltextes) abwandelt, verdankt ihre
Entstehung dem Synagogalgesang.
Um 1230 ist aber dann an mehreren Stellen Italiens aus ganz unterschiedlichen
Gründen und in sehr heterogener Ausformung ein wirklicher Beginn
der Dichtung zu konstatieren: Im Norden haben die Kommunen dank einem
gut florierenden Handel, für dessen Ausbreitung die Kreuzzüge gesorgt haben,
das germanische Lehnswesen abgestreift und republikanische Herrschaftsformen
eingeführt. Damit geht ein gesteigertes bürgerliches Selbstbewusstsein
einher, das andererseits nach Regelungsmechanismen verlangt, die
den allzu selbstmächtig sich gebärdenden Individualismus und jedwedes soziale
Fehlverhalten dämpfen und in seine Schranken verweisen. Wenn in der
Feudalhierarchie jeder seinen Platz hatte und das ritterliche Tugendsystem
einen Normenkodex vorgab, übernimmt jetzt eine reichhaltige gnomisch-satirische
Literatur diese Aufgabe. In Oberitalien hat sich nämlich ebenfalls
eine Art literarischer Gemeinsprache herausgebildet, die von lombardischen
und venezianischen Autoren wie Girardo Patecchio, Pietro da Barsegapé
(auch: Bascapé), Bonvesin da la Riva, Giacomino da Verona, Uguccione da
Lodi und anderen benutzt wird. Sie bringen zwar diverse Formen von
Spruch- und Lehrdichtung hervor, doch gelingt es ihnen nur selten, das allegorisch-
enzyklopädische Erbe des lateinischen Mittelalters durch Witz und
Ironie abzumildern und somit etwas Originelles zu gestalten. Der Reim dient
hier eher als Gedächtnisstütze denn als Mittel lyrischer Verknappung. Ständesatire
und Frauenschmähung, Lebenskunde und Anstandslehre, Sündenkataloge
und Predigtparaphrasen bilden den Inhalt; der Kohelet und andere
Weisheitsbücher des Alten Testaments, dazu Väterschriften und mittellateinische
Dichter, der Rosen- und der Fuchsroman aus Frankreich, all die Bestiarien,
Specula, Thesauri, Flores und Summen der Moralphilosophen und
Theologen liefern den Stoff. Der Natur der Sache nach ermüden diese Fehlerkataloge
aber schon bald und erschöpfen sich in Stereotypie.
Weiter südlich, in den Städten Umbriens (Perugia, Todi, Assisi), ist seit
dem 12. Jh. eine inbrünstige Laienfrömmigkeit verbreitet, die oft Gefahr
läuft, in Häresie umzuschlagen, da sich Sozialkritik mit mystischer Verzückung
mischt. Die Gründung des Franziskanerordens wird aus diesem Umfeld
verständlich, und sein Stifter dichtet ein oder zwei Jahre vor seinem Tod
(um 1224) seine Laudes Creaturarum (auch: Cantico di Frate Sole), einen
Hymnus von nur 33 Zeilen Länge, den man jedoch gemeinhin die »Stiftungsurkunde
« der italienischen Literatur nennt. Der »Arme von Assisi« war eine
Literatur als Korrektiv
Die Stiftungsurkunde
der italienischen
Literatur
Die Anfänge der italienischen Literatur
8 Anfänge und Duecento
Künstlernatur, der seine Anhänger als Spielleute Gottes bezeichnete, die an
die Herzen der Menschen rühren und sie mit der Heiterkeit des Geistes erfüllen
sollten. Der Cantico, dieses Gebet zum Lobe Gottes, das von den einfachen,
des Lateins unkundigen Ordensbrüdern gemeinschaftlich gesungen
oder gebetet werden sollte, steht am Beginn einer mächtigen religiösen Lyrik,
der sog. Laudendichtung, die in der Folgezeit Hunderte von Texten umfassen
wird und eine der wenigen wirklich vom Volk getragenen literarischen Bewegungen
darstellt, die den Namen »Volksliteratur« oder »Volkslieder« zu
Recht verdient.
Am Hof des Stauferkaisers Friedrich II. (1212–1250) und sicherlich von
ihm gefördert und angestoßen, setzt ebenfalls um 1230 ein Dichten in einer
neugeschaffenen Kultursprache ein, einer sizilianisch-unteritalienischen
Koi né, das ein Gruppenphänomen ist. Seine Träger sind Juristen der staufischen
Hofkanzlei, der Magna Curia, die Themen und Formen provenzalischen
Troubadourgedichten entnehmen. Aber sie setzen sich von diesen
Vorbildern sprachlich und inhaltlich bewusst ab. Ihre Eigenständigkeit ist
Ausdruck eines aufkeimenden nationalen sizilianischen Selbstverständnisses,
das auch sonst für diesen Staat kennzeichnend ist. Die Minnedoktrin ist nicht
mehr höfisch eingebunden, die Tugendbegriffe sind nicht mehr ständisch erklärbar,
der Abstand zwischen geliebter Herrin und Dichter wird zusehends
kleiner, kurz, alles, was an die Feudalität erinnert, wird verallgemeinert und
vermenschlicht.
Die drei zuvor angesprochenen Kulturräume haben somit alle ihren Anteil
am Entstehen der italienischen Literatur, wenngleich in unterschiedlichem
Ausmaß und mit unterschiedlichem Rang. Lehrdichtung, Liebeslyrik und
Gotteslob dominieren, und damit sind drei wichtige Tendenzen vorgegeben,
die auch in der Folgezeit gepflegt, abgewandelt und vervollkommnet werden.
Geistliche Dichtung: der Sonnengesang
und die Lauden
San Francescos Sonnengesang ist Ausdruck seiner beispiellosen Liebesfähigkeit,
seiner jubelnden Begeisterungsfähigkeit und seiner unerschütterlichen
Gottesgewissheit. Er übernimmt zwar Elemente und ganze Passagen des 148.
Psalms (»Laudate Dominum de coelis«), des Buchs Daniel (Dan. 3,57 »Gesang
der drei Männer im Feuerofen«), aber auch der Psalmen »Cantate Domino
canticum novum« (Ps. 95), »Benedicite omnia opera Domini Domino«,
»Coeli enarrant gloriam Dei« (Ps. 18), dazu Abschnitte des Schöpfungsberichts
(Gen. 1,1–31) sowie die Struktur der Litanei. Doch trotz dieser mächtigen
Vorbilder ist der Text nicht epigonal und auch nicht schlicht-naiv. Er
hat etwas Forderndes, seinem Appellcharakter soll und kann sich niemand
wirklich entziehen, auch wenn er zunächst für die Minderbrüder geschrieben
ist. Franziskus sieht sich als von Gott selbst unterwiesen an, als jemanden,
der seine Kraft aus dem Evangelium und der strikten Imitatio Christi bezieht
wie niemand vor ihm. Er und seine Brüder sind nach ihrem Selbstverständnis
ein neues Gottesvolk, und das verleiht ihm und ihnen trotz aller Selbstverneinung
Autorität.
Die zahlensymbolische Struktur des Cantico – 33 Zeilen (das vermeintliche
Lebensalter Christi beträgt 33 Jahre; drei als Zahl der Trinität und 9 =
Kuriale Minnedichtung
Der Sonnengesang
Schöpfungslob und
Gotteslob