lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Falsche Wiederkehr der Religion Zur Konjunktur des Fundamentalismus
Falsche Wiederkehr der Religion
Zur Konjunktur des Fundamentalismus




René Buchholz

Echter
EAN: 9783429043544 (ISBN: 3-429-04354-9)
296 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2017

EUR 19,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der religiöse Fundamentalismus und Fanatismus mit seinem Übermaß an Grauen, Absurdität und Destruktion ist auch und bewusst nach Europa zurückgekehrt.

Was sind die Ursachen dieses „hässlichen Phänomens“, wie kann ihm begegnet werden?

Nach einem Blick auf die historischen Wurzeln und Definitionsversuchen fragt René Buchholz, welche Rolle der Einzelne als Träger des modernen religiösen Bewusstseins hierbei spielt. Daran anschließend beleuchtet er zwei Formen „infantiler Religion“: den „lächelnden“ Fundamentalismus kulturindustrieller Event-Religiosität wie andererseits den „grimmigen“ als Lust an der Unterwerfung.

Ein eigenes Kapitel widmet sich der Frage, ob nicht auch der moderne Begriff des Glaubens mit seiner „Entscheidungsemphase“ eine Affinität zum Fundamentalismus hat. Abschließend stellt er eine mögliche Alternative zu einem von unerhellter religiöser Autorität diktierten Verhalten vor: eine „Religion für Erwachsene“, die vor allem auch den Zweifel zulässt.

René Buchholz, geboren 1958 in Köln, Pädagogischer Mitarbeiter im Katholischen Bildungswerk Bonn, apl. Professor für Fundamentaltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Rezension
Nicht wenige sprechen erfreut von der "Wiederkehr der Religion" (bei den Kirchen verbirgt sich dahinter nicht selten auch nur ein schlichtes Wunschdenken) - anders dieses Buch, das (zu Recht) eine "Falsche Wiederkehr der Religion" (Titel) entdeckt und auf die "Konjunktur des Fundamentalismus" (Untertitel) verweist. In der Tat: vor allem islamischer Fundamentalismus scheint eine ungeheure Kraft zu besitzen (wenngleich auch das nur vordergründig so erscheinen mag; denn mittlerweile gibt es auch Gegenstimmen, die von einer grundsätzlichen Schwäche des Islam sprechen, vgl. jüngst z.B. Michael Blume, Islam in der Krise. Eine Weltreligion zwischen Radikalisierung und stillem Rückzug). Ist der Fundamentalismus also ein Rückfall in die Vormoderne oder eine Begleiterscheinung moderner Gesellschaften, ist er ein Phänomen der Stärke von Religion oder eher eine Begleiterscheinung ihres Verfalls? In den Religionen scheinen die hardliner und Fundamentalisten die Oberhand zu gewinnen, nicht nur im Islam, auch im Christentum, Judentum und Hinduismus, und grenzen sich radikal und anti-modernistisch gegen die säkulare Welt sowie gegen die anderen Religionen ab; es scheint, als würden die letzten Vernünftigen nun die Religion(en) (und die Kirchen) verlassen. Der Zielsetzung des Autors ist aus der Perspektive eines aufgeklärten, vernünftigen, theologisch verantworten schulischen Peligionsunterrichts zuzustimmen, wenn er eine Alternative zu einem von unerhellter religiöser Autorität diktierten Verhalten vorstellt: eine "Religion für Erwachsene", die vor allem auch den Zweifel zulässt. Hilfreich ist auch seine Beschreibung von Fundamentalismus, fraglich allerdings erscheint die von ihm vorgenommene Parallelisierung zweier Formen "infantiler Religion": den „lächelnden“ Fundamentalismus kulturindustrieller Event-Religiosität einerseits wie andererseits den "grimmigen" als Lust an der Unterwerfung. Ob (die zugegeben nicht selten naive) Event-Religiosität tatsächlich den Stempel "Fundamentalismus" tragen sollte, bleibt aber ebenso fraglich wie die Unterstellung, dass ein von Kierkegaard und Bultmann her abgeleiteter existentieller Glaubensbegriff Affinität zum Fundamentalismus haben muss. Kierkegaard und Bultmann waren dazu jedenfalls viel zu "erwachsen", vernünftig und kritisch - und der vom Autor (zu recht) eingeforderte Glaubenszweifel wird in der Existenztheologie bewußt aufgenommen, vgl. nur Paul Tillichs Diktum, dass die Rechtfertigung des Sünders heute durch die Rechtfertigung des Zweiflers zu ergänzen sei.

G. Buschmann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitende Bemerkungen 7

1. Der strittige Kontext des Themas:
postreligiöse oder postsäkulare Gesellschaften? 21

a) Antiquiertheit der Säkularisierungsthese> 21
b) Wissenschaft, Emanzipation und Religion 31
c) Zerfall religiöser ‚Zivilisationen' 57
d) Säkularisierung, Märkte und die Persistenz der Religion 73

2. Was ist Fundamentalismus?
Keusche Annäherung an ein hässliches Phänomen 85

a) Christliche Copyrights: ein starkes Fundament zur Abwehr des verführerischen Gegners 85
b) Entwicklungen in Judentum und Islam 96
c) Warum Sarah nichts zu lachen hat: die fundamentalistische Petrifizierung des Genderverhältnisses 116
d) Definitionsversuche 121

3. Der Hörer des autoritären Wortes:
das Individuum im Augenblick seines Sturzes 125

a) Vorüberlegungen 125
b) Postdemokratische Moderne 127
c) Individualisierung als Sturz des Individuums 133
d) Die lebensweltliche Evidenz des Autoritären 138

4. Religion für die Infantilgesellschaft
Die zwei Modi fundamentalistischer Regression 153

a) ,Soft religion`: die kulturindustrielle Produktion religiöser Aura 153
b) ,Strong religion`: die Apotheose des Befehls und die Lust an der Unterwerfung 159
c) Zerstörung der Religion im Zeichen ihrer Renaissance 172

5. Die Erfindung des Glaubens
oder: Der Rückzug in die ,sturmfreie Zone' 185

a) Liaisons dangereuses: fundamentalistische Versuchungen von Kirche und Theologie 185
b) „... daher ist der Zweifel ausgeschlossen": Kierkegaard, Bultmann und die Flucht in die Entscheidung 197

6. „Religion für Erwachsene" (E. Levinas) 225
a) Monotheistische Aufklärung: die Alternative zur Alternativlosigkeit 225
b) Kein Opium bitte!
Der nüchterne Bundespartner Gottes 237

Bibliographie 257
Anmerkungen 276