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Ernst Jandl: Das Öffnen und Schließen des Mundes Frankfurter Poetikvorlesungen 1984/1985
Ernst Jandl: Das Öffnen und Schließen des Mundes
Frankfurter Poetikvorlesungen 1984/1985




Ernst Jandl

absolut medien
EAN: 9783898485609 (ISBN: 3-89848-560-9)
DVD, 14 x 19cm, April, 2010

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Der Blick ins Publikum zeigt, der Hörsaal war bis auf den letzten Platz gefüllt, der Andrang, den die Poetikvorlesungen Jandls zu seinem eigenen Werk hervorriefen, enorm. Und die Zuhörer kamen in den Genuss einer der außergwöhnlichsten Veranstaltungen des Semesters 1984/1985, die nun auf dieser DVD nacherlebt werden kann. In Jandl-typischer Manier führt der Autor gewitzt und humorvoll, z.T. auch zynisch, in sein Schaffen ein, zitiert und erklärt eigene Werke und ihren Schaffensprozess, ohne sich dabei in nüchternen Erklärungen und Definitionen zu vergehen. Scheinbar naive Denkmodelle erhellen den Blick auf Sinnzusammenhänge, die sich erst mit Verzögerung dem Zuhörer erschließen. Die Vorlesungen selbst sind nicht Theorie sondern ein weiteres Kunstwerk konkreter Literatur, erfahrbar gemacht aus dem Munde des Autors. Die Befremdlichkeit, die das sture Ablesen Jandls, selbst bei Interjektionen und gedanklichen Einschüben, auslöst, offenbart das Konstrukt seiner Texte. Dabei bewegt er sich stets auf dem schmalen Grad einer Ironie, die die Grenze zwischen Spaß und Ernst verschwimmen lässt. Informative Hintergründe zu Leben und Werk bietet das beigelegte Booklet, in dem auch die Bedeutung Jandls aus heutiger Sicht hervorgehoben wird.

Georg Pfahler, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wintersemester 1984/1985: Vor einem begeisterten Publikum hält Ernst Jandl seine Frankfurter Poetik-Vorlesungen.

Seit den sechziger Jahren zählte Jandl zu den wichtigsten deutschsprachigen Schriftstellern experimenteller Lyrik und Theaterstücke, hier nun filmt ihn die Kamera im Hörsaal: beim Sprechen, Pfeifen, Wangenaufplustern, Grimassieren. Wir sehen den Autor mit Rasanz, Ironie, Boshaftigkeit und Lust an Lauten und Tönen seine »visuellen lippengedichte« darbieten, bei geschlossenem Mund seinen »beitrag zur neuen innerlichkeit« zu Gehör bringen oder liebevoll Kurt Schwitters »Kleines Gedicht für große Stotterer« vortragen (»Ein Fischge, Fisch, ein Fefefefefischgerippe / Lag auf der auf, lag auf der Klippe«).

Und er verhöhnt – natürlich – die Spießermoral der vermeintlichen Humanisten, indem er ihnen ihre Unmenschlichkeit in »heruntergekommener Sprache« lyrisch verwandelt entgegenschleudert (»ich sein sprachenkunstler, sprachenkunstler / ich dir zitieren einen goethen«). Wir haben Teil an den bis heute wohl heitersten Poetik-Vorlesungen, die Jandl selbst in ein Kunstwerk verwandelt und die - so lautete das begeisterte Urteil so gut wie aller, die dabei waren und damals oder seither darüber gesprochen oder geschrieben haben -: »man einfach gesehen haben muss!« Und zwar im Doppelsinn: einmal mit Betonung auf dem »muss«, ist dies doch die umfassendste, facettenreichste Positionsbestimmung und zugleich auch Werkschau des populärsten deutschsprachigen Avantgardedichters der Nachkriegszeit; zum anderen aber mit Betonung auf »gesehen«, denn wenn es je eine Vorlesung gegeben hat, die so sehr selber Poesie und deren eigentliche Werkform nicht der Text, sondern die Bild-Ton-Wiedergabe ist, dann Jandls »Öffnen und Schließen des Mundes«.

»Es bedarf eines hörbaren und sichtbaren Sprechers, und es bedarf eines Publikums. Auf Videoband bekommt jeder es ebenfalls komplett; auf Schallplatte nur noch einen Teil davon; noch viel weniger auf der Buchseite.« Ernst Jandl, Das Öffnen und Schließen des Mundes
»um eine vorlesung zu halten / habe ich alles //.

vor allem ein thema. zu diesem kam es aus rein organisatorischen gründen. es läßt sich indes aus sich selbst begründen. vor allem als zeichen des fleißes, des mangels an faulsein. ich rieche, rieche - menschenfleiß!

ein faulsein / ist nicht lesen kein buch / ist nicht lesen keine zeitung / ist überhaupt nicht kein lesen // ein faulsein ist nicht lernen kein lesen und schreiben / ist nicht lernen kein rechnen / ist überhaupt nicht kein lernen // ein faulsein ist nicht rühren keinen finger / ist nicht tun keinen handgriff / ist überhaupt nicht kein arbeiten // ein faulsein / solang mund geht auf und zu / solang Luft geht aus und ein / ist überhaupt nicht //. Dies - unser motto, unser thema: das öffnen und schließen des mundes.« Ernst Jandl
Inhaltsverzeichnis
DVD 1
1. Vorlesung: Das Öffnen und Schließen des Mundes
1. Vorspann - Um ein Gedicht zu machen habe ich nichts...
2. Der Mund (...) schlägt mir zwei Wege vor...
3. Was Sie bisher gelernt haben...
4. Ein Gedicht in Phasen...
5. Wenn schon das Wort Tortur gefallen ist...
6. Ich unterscheide, vereinfachend, zwei Arten von Lautgedichten...
7. Es bedurfte einer neuen literarischen Revolution...

2. Vorlesung: Das Röcheln der Mona Lisa
1. Vorspann - Meine Damen und Herren, nun haben wir vierzehn Tage herumgebracht...
2. Von einem Ihrer anspruchsvolleren Blätter dazu geladen...
3. Aber damit Sie sich nicht allzu bald nach dieser anstrengenden Vorlesung nochmals anstrengen oder vielleicht überanstrengen müssen...
4. Ja, ich bin ein Lyriker ohne eigene Sprache...
5. Ich bin kein Kind zweier Sprachen...
6. Ich kehrer zurück zur heruntergekommenen Sprache...
7. Thematik und Wortschatz dieses Gedichts...

3. Vorlesung: Szenen aus dem wirklichen Leben
1. Vorspann - Meine Damen und Herren, "Ich habe nichts zu sagen / und ich sage es..."
2. Das Reden, wenn wir es tun, und wer täte es nicht...
3. Diese nicht erfundene Silbe, von mir nicht erfunden...
4. Es ist nicht Zufall allein...
5. Noch nicht im Besitze der Möglichkeiten des Sprechgedichts...
6. Vom Thema "reden"...
7. Endlich öffnet sich vor uns...
8. Sie, die außerpoetische Wirklichkeit...
9. Nach all dem, was wir durchgemacht haben...

DVD 2
4. Vorlesung: Die Humanisten
1. Vorspann - Am 15. November...
2. Alles mit allem möglichst dicht zu verbinden...
3. Jeder hat seine Zustände...
4. Um annähernd so zu reden, wie Sie es hören werden...
5. ...er habe immer etwas zu sagen gehabt...
6. Um die Jäger erneut zur Debatte zu stellen...
7. Man kann Dinge vorn oder hinten miteinander verbinden...
8. Die Humanisten - konversationsstück in einem akt

5. Vorlesung: Aus der Fremde oder Selbstporträt des Schachspielers als trinkende Uhr
1. Vorspann - "Morgen früh / wenn Gott will / werd ich wieder / geweckt"...
2. Aber so, wie Sie jetzt hören...
3. "nachmittag des schriftstellers"
4. Auch aus diesem Stück "Aus der Fremde"...
5. Ob er sich wohl je gefragt habe...
6. Daß Brechts Rat befolgt worden sei...
7. Nenne ich mich "ich"...
8. rilkes hand
9. Aber gewiss haben Sie alle schon einmal die Luft geküßt...