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Die weltoffene Stadt Wie Migration Globalisierung zum urbanen Alltag macht
Die weltoffene Stadt
Wie Migration Globalisierung zum urbanen Alltag macht




Erol Yildiz

Transcript
EAN: 9783837616743 (ISBN: 3-8376-1674-6)
206 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2013, zahlr. Abb.

EUR 24,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der Diskurs über Migration ist hierzulande geprägt von Debatten über religiösen Fundamentalismus, Abschottungen migrantischer Gruppen und Ghettobildungen. Erol Yildiz zeigt, dass die Realität der Migrationsgesellschaft weit darüber hinausgeht und unseren Alltag um die gelebte Erfahrung der Globalität bereichert. Urbane Orte »öffnen sich zur Welt«, wandeln sich zu vielfältigen Zentren für unterschiedliche Traditionen, Kulturen und Erfahrungen. Und dies wesentlich unter dem Einfluss von Migration. Dennoch wird der Beitrag von Migranten zur Entwicklung unserer Städte bisher kaum wahrgenommen. Statt den Zerfall der Metropolen herbeizureden, plädiert der kluge Essay daher für eine unverkrampfte Sicht auf urbane Diversität, die ja gerade die Anziehungskraft der globalen Städte ausmacht.
Rezension
Was macht Städte und Metropolen so anziehend? Warum bereisen wir Metropolen wie New York oder Istanbul, Singapur, Berlin oder San Francisco? Eine mögliche Antwort, die in diesem Buch favorisiert wird, lautet: wegen der urbanen Diversität, die ja gerade die Anziehungskraft der globalen Städte ausmacht, - also "Die weltoffene Stadt" (Buchtitel), in der "Migration Globalisierung zum urbanen Alltag macht" (Untertitel). Denn nicht Abschottung, Ghettoisierung und fundamentalistischer Rückzug prägen letztlich die urbanen Migrations-Kulturen der Städte, sondern die kulturelle Diversität, also Multikulti. Dieses Buch ist ein engagierter Gegenentwurf zu Sarrazin & Co und verweist auf den Beitrag von Migranten zur Entwicklung unserer Städte. Das Credo des Verfassers lautet: Wir leben mit Vielfalt und wir leben gut damit.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Multikulti in der Global City – dieser ebenso luzide wie engagierte Band präsentiert Sarrazin und Co. die Gegenrechnung der Migrationsgesellschaft und ihrer Leistungen. Migration erfüllt unsere Städte mit der Alltäglichkeit von Globalität und Weltoffenheit!

Schlagworte:
Migration, Migrationsgesellschaft, Stadt, urbane Diversität, Bildung, Kultur
Adressaten:
Soziologie, Erziehungswissenschaft, Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit

Erol Yildiz (Prof. Dr.) lehrt interkulturelle Bildung und Migration an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Seine Schwerpunkte sind Migrationsforschung, Interkulturelle Bildung und Urbanität.
WWW: Uni Klagenfurt

Interview
... mit Erol Yildiz

1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Das Buch versteht sich als Plädoyer für eine andere Sicht der Dinge und als Absage an das vorauseilende Misstrauen gegenüber Migration. Statt den Zerfall der Metropolen herbeizureden, plädiere ich für eine optimistische Sicht auf urbane Diversität, die ja gerade die Anziehungskraft der globalen Städte ausmacht.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Urbane Lebenswirklichkeiten werden aus der Perspektive und Erfahrung von Migration neu interpretiert. Stadtgeschichten sind immer auch Migrationsgeschichten.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in aktuellen Debatten in Wissenschaft und Gesellschaft zu?
Migrationsbedingte Diversität wird in der Wissenschaft immer noch als ein Sonderthema behandelt und in der Gesellschaft vor allem als Problem wahrgenommen, obwohl sie eine urbane Grunderfahrung darstellt und eine wichtige Ressource für Stadtentwicklung ist.

4. Welche besonderen Aspekte kann die wissenschaftliche Betrachtung in die öffentliche Diskussion einbringen?
Es geht darum, ein anderes Diversitätsbewusstsein im öffentlichen Diskurs zu erzeugen und zu zeigen, dass das urbane Zusammenleben eher pragmatisch orientiert ist.

5. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit Richard Sennett.

6. Ihr Buch in einem Satz:
Wir leben mit Vielfalt und wir leben gut damit.

Editorial
Die Reihe Kultur und soziale Praxis präsentiert sozial- und kulturwissenschaftliche Studien, die zwischen empirischer Forschung, theoretischer Reflexion/Konzeption und textueller Praxis neue Zugänge zu Kultur und sozialer Praxis entwickeln. Im Rahmen dieses Programms werden soziale Differenzen und identitäre Prozesse auf verschiedenen Ebenen und entlang verschiedener raumzeitlicher Achsen - etwa als (trans-)lokale oder (trans-)nationale Prozesse - untersucht.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort | 7
Einleitung | 9

1. Urbanes Kaleidoskop | 15
2. Ein historischer Blick auf Migration | 27
3. Die Öffnung der Städte zur Welt | 41
4. Umgang mit Migration und urbaner Diversität | 55
5. Fremdheit im urbanen Kontext | 77
6. Migrantische Ökonomie: Ankommen auf eigene Rechnung | 95
7. Zur sozialen Grammatik des urbanen Lebens am Beispiel eines Kölner Stadtteils | 109
8. Unspektakuläre Alltagspraxis in einem Kölner Viertel | 135
9. Biographien in Bewegung | 159
10. Urbanität und postmigrantische Lebensentwürfe | 177

Literatur | 189


Vorwort
Als ich vor mehr als 30 Jahren zum Studium nach Köln kam, waren meine
Landsleute schon seit anderthalb Jahrzehnten da. Am Flughafen stieg
ich in ein ›Dolmus‹, wie ich es von zu Hause kannte. Das Sammeltaxi war
ein klappriger Bus, mit dem der Transfer der Neuankömmlinge organisiert
wurde – damals ein inoffizieller Nebenerwerb der Gastarbeiter. 1978
empfing mich der deutsche Winter, wahrscheinlich der kälteste seit Beginn
der Wetteraufzeichnungen. Ich zog in die winzige Wohnung meines
Onkels in die Kölner Südstadt. Jahre später sollten ein paar Straßen weiter
die berühmten Stollwerckbesetzungen stattfinden, im Clodwig-Eck, einer
alternativen Kneipe, spielte die damals noch unbekannte Gruppe ›BAP‹.
Aber nicht dort, sondern hinter den blickdichten Butzenscheiben der kölschen
Kneipen hatten sich bereits unerwartete Verbindungen zwischen
Gastarbeitern und einheimischen Urgesteinen entwickelt. Selbst einmal
Wirt zu werden, war für viele Gastarbeiter ein attraktives Ziel. Sobald sich
die Gelegenheit bot, übernahmen sie leer stehende Lokale und führten
manch eines davon als ›Meyhane‹ (türkische Musikbar) weiter, wofür sie
wegen rechtlicher Beschränkungen auf deutsche Strohmänner angewiesen
waren. Ich kann mich nicht erinnern, dass es damals vor den Lokalen
des Kölner Szeneviertels schon Sitzgelegenheiten im Freien gegeben hätte,
sieht man einmal von den Stühlen ab, die türkische oder italienische
Wirte und Ladeninhaber an sonnigen Tagen herausstellten, um das Treiben
auf der Straße zu beobachten und sich mit Passanten zu unterhalten.
Nach und nach bekam der Stadtteil ein neues Gesicht. Bei gutem Wetter
spielt sich das Leben inzwischen im Freien ab, die Nutzung von Bürgersteigen
und öffentlichen Plätzen ist so selbstverständlich geworden, dass
sie als ureigene Tradition betrachtet wird. Als ich bei einem Interview,
das in einer österreichischen Tageszeitung erschienen war, über diese Entwicklung
berichtete, erhielt ich eine belehrende E-Mail aus Frankfurt a.M.
Die weltoffene Stadt. Wie Migration Globalisierung z 8 um urbanen Alltag macht
Der Absender wies mich verärgert auf die Tatsache hin, dass es diese Freiluftkultur
in Deutschland schon immer gegeben habe. Mir scheint das ein
Hinweis darauf, wie sich im Alltag nach und nach bestimmte Strukturen,
Kulturen und Kommunikationsformen etablieren, die ohne Impulse
durch Migration kaum denkbar wären, aber nie als solche gewürdigt
werden.
Da ich die urbane Realität aus der Perspektive und Erfahrung von Migration
betrachte, wird mir gelegentlich vorgeworfen, auf einem Auge blind
zu sein. Meine Arbeiten verstehen sich jedoch als Plädoyer für eine andere
Sicht der Dinge und als eine Absage an das vorauseilende Misstrauen, mit
dem migrationsbedingten Veränderungen stets begegnet wird.
Dieses Buch enthält neben eigenen Studien aus den vergangenen 15
Jahren Eindrücke und Überlegungen zu Migration und städtischer Realität.
Die Beiträge werden begleitet von photographischen Impressionen
aus dem Alltag lebendiger Kölner ›Veedel‹ (Keupstraße in Köln-Mülheim,
Weidengasse am Eigelstein und Venloer Straße in Köln-Ehrenfeld), aufgenommen
von Paula Altmann. Ich glaube, man sieht den Bildern an,
dass es dabei zu fröhlichen Begegnungen mit den Anwohnerinnen und
Anwohnern kam, für deren Offenheit und Gastfreundschaft ich mich im
Namen der Photographin bedanken möchte.
Die Aufsätze sind in unterschiedlichen Zusammenhängen entstanden.
Daher bauen die Kapitel nicht aufeinander auf, sondern können unabhängig
voneinander gelesen werden. In ihrer Gesamtsicht ergeben sie
mein Bild des urbanen Alltags in einer ›weltoffenen Stadt‹.