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Die römische Republik Von der Gründung bis Caesar
Die römische Republik
Von der Gründung bis Caesar




Martin Jehne

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406508622 (ISBN: 3-406-50862-6)
128 Seiten, paperback, 12 x 18cm, 2006, mit 2 Karten

EUR 7,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Dieser Band informiert über den Aufstieg Roms, die Ausformung und die Krisen des republikanischen Systems sowie über die römische Ereignisgeschichte vom 5. Jh. v. Chr. bis zum Tode Julius Caesars. Es wird deutlich, daß die Herrschaft des Senats gegen Ende der Republik den Herausforderungen einer Weltreichsregierung nicht mehr gewachsen war. So zeichnete sich bereits in den letzten Jahrzehnten der Republik die neue Staatsform der Monarchie ab.



Martin Jehne lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Technischen Universität Dresden.
Rezension
Die "Geschichte der Römischen Republik" wird in aller Regel in den Epochendarstellungen abgelöst von einer "Geschichte der römischen Kaiserzeit"; denn die Republik ist den Anforderungen nicht mehr gewachsen und geht schon an ihrem Ende in Elemente der Kaiserzeit über. U.a. diesen Sachverhalt erläutert plausibel und kompakt diese Darstellung, die einen Überblick über die gesamte Epoche der Entstehung und Gründung Roms bis zum Zusammenbruch der Republik und der Alleinherrschaft Caesars bietet. Dabei steht im Mittelpunkt die politische Geschichte, aber auch Sozial-, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte werden thematisiert und die inneren Spannungen in der Gesellschaft werden aufgezeigt.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Aufstieg Roms, die Ausformung und die Krisen des republikanischen Systems sowie die römische Ereignisgeschichte vom 5. Jh. v. Chr. bis zur Machtübernahme des Augustus sind Gegenstand dieses Bandes. Martin Jehne macht deutlich, daß die Herrschaft des Senats gegen Ende der Republik den Herausforderungen einer Weltreichsregierung nicht mehr gewachsen war. So zeichnet sich bereits in den letzten Jahrzehnten der Republik die neue Staatsform der Monarchie ab.

Martin Jehne lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Technischen Universität Dresden.
Inhaltsverzeichnis
I. Von der Gesellschaft ohne Staat zur Gesellschaft ohne König:
Die Vorgeschichte der römischen Republik

II. Von der bedrängten Latinerstadt zur italischen Vormacht:
Roms Aufstieg im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.

III. Von der inneren Spaltung zum Ausgleich voller Widersprüche:
Die Ausformung der Republik in den Ständekämpfen

IV. Von der Dominanz in Italien zur Beherrschung des westlichen Mittelmeerraumes:
Roms Kriege gegen Pyrrhos und Karthago

V. Von der Großmacht zur Weltmacht: Roms Eroberung des griechischen Ostens

VI. Von den Mühen der Berge zu den Mühen der Ebenen:
Die Rückwirkungen der Expansion

VII. Von den Reformansätzen der Gracchen bis zum Restaurationsversuch Sullas:
Das Schwächeln des Konsenssystems und die Krise der Republik

VIII. Von der Aufweichung des sullanischen Staates bis zur Katastrophe der Bürgerkriege:
Der Niedergang der Republik

Zeittafel
Literaturverzeichnis
Register


Leseprobe:

III. Von der inneren Spaltung zum Ausgleich voller Widersprüche:

Die Ausformung der Republik in den Ständekämpfen

Angesichts der Kette von zum Teil schweren inneren Konflikten, die Rom im 5. und 4. Jh. v. Chr. durchzustehen hatte, ist die außenpolitische Erfolgsgeschichte zunächst einmal erstaunlich.
«Einigkeit macht stark» ist eine ebenso schlichte wie unter vielen Bedingungen zutreffende These. Doch im Falle Roms sieht man eher, wie der Druck der ständigen Kriege immer wieder die notwendige Solidarität erzeugte, um das Auseinanderbrechen des Gemeinwesens zu verhindern. Ohne die fast jährlichen Feldzüge wäre den Streitparteien möglicherweise das Bewußtsein abhanden gekommen, daß sie auch gemeinsame Interessen besaßen; und ohne die häufigen militärischen Erfolge und die damit verbundenen materiellen Gewinne hätten sich die harschen Gegensätze wohl auch nicht abmildern und allmählich zu Kompromissen bringen lassen. Die Ausformung und Stabilisierung der römischen Republik war eher die Folge der Expansion als ihre Grundlage.
Als die Oberhäupter der Geschlechterverbände, die umfangreiche Ländereien und das zu deren Bewirtschaftung erforderliche Personal kontrollierten, Tarquinius Superbus aus Rom vertrieben, stand ihnen sicher nicht vor Augen, daß sie damit eine neue Konfliktphase einleiteten, die wir als die Zeit der Ständekämpfe zu bezeichnen gewohnt sind. Vielmehr scheint sie das Ziel verbunden zu haben, nun zu den Verhältnissen der «guten alten Zeit» zurückzukehren – von der ewigen Neigung der Menschen, die Vergangenheit zu idyllisieren, dürften auch sie erfaßt gewesen sein. Wenn man diese Konstruktion der Hintergründe des Königssturzes akzeptiert – und mehr als eine unsichere Vermutung kann es angesichts der problematischen Überlieferungslage nicht geben –, wenn man dem aber folgt, so ist es völlig ausgeschlossen, daß die Berichte unserer Quellen über die Neuordnung des Gemeinwesens richtig sind. Angeblich sollen nämlich Lucius Brutus und seine Mitstreiter ein doppelt besetztes Oberamt eingeführt haben – das Konsulat –, auf das die umfassende Befehlsgewalt des Königs im Prinzip ungebrochen übergegangen sei. Dem steht entgegen, daß eine Reaktion der lokalen Granden gegen den mächtig gewordenen König gerade auf eine Schwächung der Zentralgewalt abzielen mußte, sonst hätten die Herren ja völlig umsonst gesiegt.
Daß nicht das von zwei gleichberechtigten Konsuln besetzte Oberamt am Beginn der Republik stand, ist aufgrund verschiedener Ungereimtheiten der Überlieferung immer wieder vermutet worden. Die Hypothesen reichen von einem nur einstelligen Amt mit begrenzten Befugnissen bis hin zu drei Stellen, die vielleicht untereinander hierarchisch geordnet waren. Aber vor allem ist die umfassende Befehlsgewalt der späteren Konsuln, das sogenannte imperium, welches das Kommando über Truppen, die Gerichtsbefugnis und die politische Initiative in Senat und Volksversammlung umfaßte, erst nach und nach gewachsen; jedenfalls ist es nicht zu Beginn der Republik von den Königen gleichsam ererbt worden. Diese Ergebnisse der kritischen Geschichtsforschung haben die traurige Konsequenz, daß die Konsulliste, die uns aus späterer Zeit überliefert ist, als historisch zweifelhaft gelten muß: Die Angaben über die dort verzeichneten Konsuln ab 509 kann man nicht als gesichert ansehen. Das schließt freilich nicht aus, daß man schon früh Listen der Jahresbeamten zu führen begann. Dafür spricht vor allem, daß die Jahre nach diesen Beamten benannt und auch später identifiziert wurden – weil man z. B. für längerfristige Kreditgeschäfte wissen mußte, ob die 5 Jahre seit dem Konsulat eines Claudius und eines Cornelius nun schon abgelaufen waren oder nicht –, und da tat man sich mit einer Beamtenliste einfach leichter.
Da diese Konsulfolge das chronologische Rückgrat der Republik bildet, um das herum die teilweise ausführlichen Darstellungen der äußeren und inneren Aktivitäten der Römer angelagert und angereichert worden sind, ist die Frage nach der Zuverlässigkeit dieser Listen von wesentlicher Bedeutung für die Verwertbarkeit der literarischen Überlieferung. Man kann nun davon ausgehen, daß 367/6 v. Chr. das zweistellige Konsulat tatsächlich etabliert wurde und die Abfolge verläßlich ist. Das bedeutet aber nicht, daß die früheren Namen auf dieser Liste alle falsch sein müssen; es scheint vielmehr so, daß hier aus älteren Informationen mit einem, zwei oder drei Namen bzw. auch größeren Gruppen, die in den Listen als Konsulartribunen verzeichnet und erhalten geblieben sind, zweistellige Kollegien fabriziert wurden, um die Überlieferung mit der Gründungsideologie in Einklang zu bringen.
Die Rebellen gegen das Königtum richteten also wohl zunächst nur recht unkonturierte Ämter ein, deren Inhaber vor allem das Kommando in gemeinsamen Kriegen führen sollten, während die sakralen Befugnisse der Könige jetzt zum Teil auf spezielle Priestertümer übergingen. Jahrweise gab man sich im Kreis der führenden Familien die Ämter weiter; Gemeinschaftsangelegenheiten beredete und entschied man im Senat, der wohl zunächst aus den Geschlechteroberhäuptern und vielleicht auch ihrem Nachwuchs zusammengesetzt war. Für den Notstand gab es das Amt des Dictators, der alle Kräfte in militärischen Krisen zusammenfaßte.
Der Zündstoff dieser neuen res publica lag nun darin, daß die Anhängerschaft des Königs, die dieser in der Bevölkerung gewonnen hatte, die nicht in den Sprengeln der großen Clans lebte und diesen nicht als Clienten zugehörte, aus dem Spiel der Mächtigen völlig ausgeblendet war: Diese Menschen hatten mit dem König die Instanz verloren, die sich um ihre Belange kümmerte, und offenbar war nichts und niemand an die Stelle des Tarquinius getreten. Daß schon gut 10 Jahre nach der Machtergreifung der Geschlechteroberhäupter ein Auszug der plebs aus der Stadt erfolgt sein soll, ist von daher grundsätzlich nachvollziehbar.
Mit dem Ausdruck plebs, der in der deutschen Sprache noch heute für das breitere, nicht sonderlich gebildete Volk mit deutlich negativem Unterton in Gebrauch ist, wurde in Rom später jene Gruppe von Bürgern bezeichnet, die nicht Patricier waren – und das waren fast alle, darunter auch der größte Teil der Senatoren. In der Frühzeit waren die Verhältnisse komplizierter: Neben den Patriciern, die aus den Geschlechteroberhäuptern und ihren Angehörigen bestanden und sich erst allmählich als Geburtsstand abkapselten, gab es die Clienten der Patricier, also diejenigen Personen geringeren Vermögens, die den Patriciern in Abhängigkeit und in regelmäßigen Austauschbeziehungen verbunden waren, und die Plebeier, die nicht den Patriciern anhingen. Zwischen den Patriciern und ihren Clienten bestanden also Patronageverhältnisse, die für beide Seiten nützlich waren. Patronagebeziehungen sind Beziehungen zwischen Ungleichen, die durch gegenseitige Leistungen und Leistungserwartungen und die dadurch begründeten Verpflichtungen auf Dauer gestellt sind: Der Client mußte seinem Patron Dienste in Form von Arbeit oder Unterstützung bei dessen Unternehmungen erbringen, der Patron hingegen gewährte seinem Clienten einen gewissen Rechtsschutz und war grundsätzlich zur Fürsorge verpflichtet. Dagegen standen die Plebeier zunächst einmal allein in der Welt, soweit sie nicht untereinander analoge Patronagebeziehungen ausbildeten, was naheliegenderweise geschah. Aber als sich die plebs gegen das patricische Regime auflehnte, geschah dies wohl aus dem Empfinden heraus, in diesem neuen Staat weitgehend schutzlos zu sein.
Das entscheidende Druckmittel, das die Plebeier besaßen, war die unumstößliche Tatsache, daß man sie brauchte. Gewiß waren auch die Dienstleistungen der plebeischen Handwerker mittlerweile längst nicht mehr unbedeutend, doch wichtiger dürfte noch ihre militärische Funktion gewesen sein: Die Bedrohungen, denen die Römer ausgesetzt waren, ließen sich nicht allein mit den Aufgeboten der Geschlechterverbände abwehren, vielmehr war die Dienstbereitschaft aller Römer erforderlich, um den Gefahren zu trotzen. Die Zeiten, in denen Gentilgruppen eigenständig Nachbarschaftskriege führten und ihr Territorium erweiterten, waren vorbei. Die Geschichte vom «Streik» der Plebeier, die auf den heiligen Berg außerhalb der Stadt zogen und sich weigerten, weiter ihre Aufgaben zu versehen, wenn nicht ihre Forderungen erfüllt würden, mag also dramatisiert und in eine schöne Erzählung eingekleidet sein, ist aber im Kern zweifellos gut getroffen: Als sich die Plebeier wenigstens ein bißchen koordiniert und ihre Wünsche klar artikuliert hatten, konnten es sich die Clans nicht leisten, dieses Aufbegehren einfach zu ignorieren oder mit Gewalt zu unterdrücken.

S. 24 - 28; Copyright Verlag C.H.Beck oHG