lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Die Sixtinische Kapelle  Das Werk ist Teil der Reihe:
(Beck`sche Reihe: bsr - C.H. Beck Wissen;2562)
Die Sixtinische Kapelle


Das Werk ist Teil der Reihe:

(Beck`sche Reihe: bsr - C.H. Beck Wissen;2562)

Ulrich Pfisterer

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406638190 (ISBN: 3-406-63819-8)
128 Seiten, paperback, 12 x 18cm, 2013, mit 40 Abbildungen, davon 14 in Farbe

EUR 8,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Sixtinische Kapelle ist einer der zentralen Orte der Christenheit und ein weltweit einzigartiges Ensemble der Renaissancekunst, geschaffen von den führenden Malern der Zeit wie Botticelli und Perugino, Raffael und Michelangelo. Ulrich Pfisterer erklärt in diesem Band anschaulich und schlüssig die komplexe Entstehungsgeschichte der Sixtina. Er erläutert die theologische und politische Bedeutung der Bilder und zeigt zum ersten Mal, wie die überwältigende Fülle an Meisterwerken einer leitenden Idee folgte: Die «erste Kapelle der Welt» sollte durch sie in die Vorhalle zum ewigen Himmelreich verwandelt werden.

Ulrich Pfisterer ist Professor für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rezension
Immer, wenn ein neuer Papst gewählt wird, steht dieser Raum im Mittelpunkt des Geschehens: Die Sixtinische Kapelle. Aber auch wenn die Kapelle nicht gerade wegen des Konklaves für die Öffentlichkeit geschlossen ist, steht sie im Zentrum von Millionen Rom- und Vatikan-Besuchern jährlich; immer überfüllt bildet sie den Höhepunkt des Besuchs der Vatikanischen Museen. Dieser Band beschreibt die Sixtina umfassend kunstgeschichtlich, von der Baugeschichte bis hin zu Michelangelos Fresken und den Bildprogammen der Renaissance; ein einzigartiges Ensemble der Renaissancekunst, entstanden unter wechselnden Päpsten in den Jahren von 1481 bis 1541. Botticelli, Ghirlandajo, Rosselli und Perugino, Raffael und Michelangelo schufen hier Spitzenwerke der Kunstgeschichte.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Sixtinische Kapelle im Vatikan, von Sixtus IV. 1475–1483 erbaut, ist wegen ihrer Wand- und Deckenbilder weltberühmt. Mit der Ausmalung der Kapelle beauftragten Sixtus IV. und sein Nachfolger Julius II. die führenden Maler ihrer Zeit, zunächst Botticelli, Perugino, Ghirlandaio und schließlich Michelangelo. Insbesondere die Fresken Michelangelos, etwa die "Erschaffung Adams" oder das "Jüngste Gericht", zählen heute zu den Meisterwerken der Renaissancekunst. Ulrich Pfisterer schildert in diesem Band anschaulich die Entstehungsgeschichte der Sixtinischen Kapelle und erläutert, worin die Faszination dieses Monuments bis heute liegt.

Die Sixtinische Kapelle im Vatikan ist nicht nur als Schauplatz der Papstwahlen einer der zentralen Orte des Christentums. Zugleich ist sie ein einzigartiges Ensemble der Renaissancekunst, entstanden unter wechselnden Päpsten in den Jahren von 1481 bis 1541. Botticelli, Ghirlandajo, Rosselli und Perugino, Raffael und Michelangelo schufen hier Spitzenwerke, mit denen sie auch in Konkurrenz zueinander traten, so wie die Päpste einander durch ihre Kunstaufträge zu übertreffen suchten. Das Ergebnis war jedoch ein Ensemble von bemerkenswerter Geschlossenheit. Durch die Restaurierung der Kapelle ließen sich zahlreiche wichtige Erkenntnisse zu den Kunstwerken gewinnen. Ulrich Pfisterer rekonstruiert auf dieser Grundlage die Entstehungsgeschichte der Sixtina und die ursprünglich geplante Anordnung der Bilder auf neue Weise. Er gibt einen Überblick über die zahllosen Figuren und Szenen, welche die Wände und die Decke der Kapelle bevölkern. Und er bietet eine neue Gesamtdeutung, die zeigt, wie die Werke der verschiedenen Künstler alle einer leitenden Idee folgen: Der ganze Raum mit seinen überwältigenden Kunstwerken sollte ein Vorschein des Himmlischen Jerusalems sein. Ulrich Pfisterer weist dies anhand zeitgenössischer Quellen und durch Vergleiche mit anderen Werken der damaligen Zeit nach. Als Vorhalle zum ewigen Himmelreich sollte die Kapelle nicht zuletzt die Macht der Päpste legitimieren, die stets beanspruchten, den Schlüssel zum Paradies zu verwalten.

Ulrich Pfisterer ist Professor für Kunstgeschichte an der Eudwig-Maximilians-Universität München. Bei C.H.Beck hat er die Klassiker der Kunstgeschichte (Bd. I: 2007, Bd. II: 2008) herausgegeben.
Inhaltsverzeichnis
Prolog vor der Himmelstür 7

Wettstreit ums Paradies: Die «erste Kapelle der Welt» und Sixtus IV. 11

Der Bau, sein Auftraggeber und die Chronologie der ersten Ausmalung 12
Heilsgeschichte als Bilderdialog 28
Künstlerkonkurrenz 35

Triumphtor und Vorhalle zur Gottesstadt: Michelangelos Deckenfresken und Julius II. 42

Mühen und Lohn der Arbeit 44
«Zeugnis vollkommener Kunst» 57
Lesarten der Genesis 71

Stiftshütte, Tempel Salomons, Himmlisches Jerusalem: Raffaels Teppiche und Leo X. 80

Apostelgeschichten 83
Architektur- und Ausstattungssymbolik 89
Antipoden 92

Das Tor zur Ewigkeit: Michelangelos Jüngstes Gericht, Clemens VII. und Paul III. 97

Jenseits der Grenzen 99
Schlüsselgewalt 104
‹Bildprogramme› und ‹künstlerische Freiheit› in der Renaissance 112

Epilog im Fegefeuer: Der Mythos der Sixtinischen Kapelle und die Kunstgeschichte 115

Anhang

Die Beischriften zum Christus- und Moses-Zyklus des 15. Jahrhunderts 120
Quellennachweis 122
Bildnachweis 124
Literatur 125
Dank 128


Leseprobe:

Wettstreit ums Paradies:
Die «erste Kapelle der Welt» und Sixtus IV.
Wer sich in Rom um die Mitte des 15. Jahrhunderts und in Sichtweite
von Petersbasilika und Vatikanpalast nach dem Weg ins
Paradies erkundigte, hätte zumindest drei ganz unterschiedliche
Antworten erhalten können: Die eine, wohl keinesfalls die
nächstliegende, hätte die Frage metaphorisch verstanden und
auf ein Leben in heiligmäßiger Tugend in Hoffnung auf Erlösung
am Jüngsten Tag verwiesen. Die als Heilige verehrte, erst
jüngst 1440 verstorbene Francesca Romana hatte den Römern
vorgemacht und in ihren Visionen vielfach beschrieben, wie ein
solcher Aufstieg zum Himmel aussehen konnte. Eine zweite
Antwort hätte konkret den Weg in den Vorhof von Alt-St. Peter
gewiesen. Das Atrium der konstantinischen Basilika bezeichnete
man damals als ‹Paradies› – wie teils auch bei anderen europäischen
Kirchen. Freilich machte vor St. Peter der zentrale Brunnen
mit dem Pinienzapfen aus Bronze als Wasserspender und
den beiden antiken Bronzepfauen diesen symbolischen Bezug
besonders augenfällig. Schließlich und drittens lag abgeschirmt
zwischen der Petersbasilika und dem mittelalterlichen Papstpalast
ein Gartenbezirk, der ebenfalls als ‹Paradies› beschrieben
wurde. Zu diesem Vatikangarten liest man in Giannozzo Manettis
1455 verfaßter Vita von Papst Nikolaus V.: «[A]n diesem Ort
eines wunderschönen Paradieses erheben sich drei überaus
wohlgestaltete und herausragende Gebäude». Manetti hatte dabei
die von Nikolaus geplanten großartigen Bauprojekte, nicht
die Realität im Blick. Denn zumindest eines der Gebäude, die im
13. Jahrhundert errichtete ‹große Palastkapelle›, war im Laufe
der Zeit offenbar so baufällig geworden, daß es wenig später
grundlegend renoviert werden mußte. Verantwortlich dafür war
Sixtus IV. Nach diesem päpstlichen Bauherrn bürgerte sich ab
den 1520er Jahren die Bezeichnung ‹Sixtinische Kapelle› ein.
12 Die «erste Kapelle der Welt» und Sixtus IV.
Der Bau, sein Auftraggeber und die Chronologie
der ersten Ausmalung
Martin V., der ab 1420 als erster Papst nach dem Großen
Schisma wieder dauerhaft Sitz in Rom nahm, wählte als Wohnort
nicht mehr die alte Residenz des Lateran im Südosten der
Stadt, sondern den Vatikanpalast neben der Peterskirche auf der
westlichen Tiberseite. Diese Anlage dürfte nach Jahren der Vernachlässigung
kaum in besserem Zustand gewesen sein als der
Lateran, vielmehr sollte wohl demonstrativ ein Neuanfang markiert
werden. Die capella magna (oder capella maior palatii) des
Vatikanpalastes befand sich im ersten Stockwerk (Abb. 2). Der
Hauptzugang erfolgte über den angrenzenden Empfangssaal,
die Sala Regia (aula magna). In der Anlage gab es noch weitere
Kapellen mit unterschiedlichen Funktionen. So öffnete sich
schräg gegenüber dem Eingang zur capella magna die Tür zur
capella parva oder S. Nicolai, erbaut unter Nikolaus III.
(1277 – 1280). Sie diente etwa für weniger bedeutende Messen,
als Warteraum bei Konsistorien in der Sala Regia und nach der
Rückkehr der Päpste aus dem Exil in Avignon als Wahlraum bei
den Konklaven (in der Sixtinischen Kapelle waren dagegen im
15. und 16. Jahrhundert während des Wahlprocedere die Schlafzellen
für die Kardinäle aufgebaut). Ab dem zweiten Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts scheint die ‹kleine Kapelle› zu beengt und
wohl auch zu baufällig für die immer zahlreicher werdenden
Mitglieder der päpstlichen Kapelle geworden zu sein. Paul III.
ließ sie um 1540 abreißen und dafür an anderer Stelle die Capella
Paolina mit dem letzten von Michelangelo gemalten Freskenzyklus
zum Leben des Apostels Paulus errichten. In der gegenüberliegenden
Ecke des Palastkomplexes befand sich im zweiten
Stock zudem eine Kapelle, die 1447 – 1450 auf Geheiß von Papst
Nikolaus V. durch Fra Angelico komplett ausfreskiert worden
war und die als Privatkapelle der Renaissancepäpste für deren
täglichen Gottesdienst fungierte.
Der auf drei Seiten freistehende, längsrechteckige und mehrstöckige
Backsteinkubus der capella magna könnte zunächst
unter Innozenz II. (1197 – 1216) errichtet worden sein. Der
Raum war mit einer flachen Holzdecke gedeckt und hatte einen
Holzfußboden. Einen Eindruck vom Aussehen der Kapelle kann
eine Buchmalerei vermitteln, die in den 1470er Jahren, kurz vor
Beginn des Umbaus zur heutigen Sixtinischen Kapelle, entstand:
Sie zeigt eine Messe im Beisein des Papstes in einem weiß getünchten
Raum mit großen Fenstern (Abb. III). Für die spätere
Ausstattung sollte sich als wichtig erweisen, daß das Altarbild
bereits zu diesem Zeitpunkt die Himmelfahrt Mariens darstellte
und daß an den Wänden Blumenteppiche hingen. Auch die
funktionalen Anforderungen an diesen Kapellenraum werden
in der Miniatur deutlich. Der Kalender des päpstlichen Hofes
sah im Laufe eines Kirchenjahres ungefähr 40 Anlässe vor, an
denen die gesamte päpstliche Kapelle teilzunehmen hatte. Diese
dürfte zu Zeiten von Sixtus vielleicht 200 Personen umfaßt haben
(wobei sie im Laufe des 16. Jahrhunderts noch beträchtlich
vergrößert wurde): das Kardinalskollegium mit Anhang, weitere
gerade anwesende hohe Geistliche, Kurienbeamte und
weltliche Mitglieder des päpstlichen Hofstaates, außerdem eine
Reihe von Gästen. Dazu kamen die Zelebranten der Messe und
der Sängerchor (da Sixtus IV. die liturgische Musik der Kapelle
bereits 1471 regelte, wird auch dieser Chor als ‹Cappella Sistina›
bezeichnet). Nur durchschnittlich acht Anlässe pro Jahr
erforderten, daß sich die päpstliche Kapelle in die Petersbasilika
begab. Die restlichen 32 Termine wurden in der capella magna
abgehalten – besonders zahlreich waren die Anlässe in der Fastenzeit
und der Karwoche. Der Papst selbst zelebrierte im späten
15. Jahrhundert nur noch dreimal im Jahr eine öffentliche
Messe, an Weihnachten, Ostern und dem Fest der Apostelfürsten,
Julius II. dann nur noch an Ostern und an SS. Peter und
Paul.
Auf der Miniatur ist auch die U-förmige Anordnung der Sitze
um den Altar mit dem durch einen Baldachin ausgezeichneten
Platz des Papstes und mit weiteren Sitzmöglichkeiten im Zentrum
auf dem Boden für die untergeordneten Personen zu erkennen.
Diese Anordnung wurde wohl schon während des Exils in
Avignon in der dortigen Kapelle praktiziert und sollte dann auch
die Binnengliederung des Sixtinischen Neubaus bestimmen.
Der Bau, sein Auftraggeber und die erste Ausmalung 15
Eine Abschrankung des Kapellenraums erlaubte es zudem, daß
weiteres weltliches Publikum an den Feierlichkeiten teilnahm.
Der Zugang zur Kapelle war allerdings reglementiert; Frauen
wurden zu Messen ausnahmsweise wohl erst unter Leo X. zugelassen.
Ein Kupferstich des Étienne Dupérac von 1578 zeigt die
Befolgung jener Grundordnung noch rund 100 Jahre später
(Abb. 3) – allerdings sind die Figuren maßstäblich zu klein dargestellt,
so daß der Eindruck von zu viel Freiraum in der Kapelle
entsteht.
Vor allem aber erinnert diese Ansicht auch an die symbolische
Dimension der päpstlichen Kapelle. Mit ihrer Zusammenkunft
repräsentiert diese die maiestas pontificia, die päpstliche
Majestät und glanzvolle Erhabenheit, wie auf dem Stich zu lesen
ist. Wenn schon im Mittelalter die Vorstellung existierte,
daß die im Gestühl versammelten Mönche eines Klosters als
zehnter Chor zu den himmlischen Heerscharen hinzutreten
würden, dann galt dies in noch gesteigerter Form für die päpstliche
Kapelle: Der Stellvertreter Christi auf Erden im geordneten
Kreis seines Hofes, der geistlichen Stände und weltlichen
Vertreter repräsentierte die irdische Kirche und nahm deren Erfüllung
in der zukünftigen himmlischen ecclesia triumphans
vorweg. Der Glanz der maiestas pontificia ließ das Strahlen der
himmlischen Heerscharen und der Kirche der Endzeit erahnen –
Julius II. und sein Zeremonienmeister Paris de Grassis zum Beispiel
sollten diese Parallele explizit formulieren. Allein dies
rechtfertigte und verlangte geradezu die größtmögliche Prachtentfaltung
und die Beschäftigung der besten Künstler. Bereits in
der Vision eines grundlegend erneuerten Roms, die Nikolaus V.
verfolgte und die sein Biograph Manetti festhielt, erstrahlte daher
die große Palastkapelle in neuem Glanz.
Tatsächlich begannen die Bauarbeiten an der Kapelle aber
erst unter Sixtus IV. Francesco della Rovere, geboren 1414 bei
Savona in Ligurien, war am 9. August 1471 als Nachfolger von
Paul II. zum Papst gewählt worden. Er war frühzeitig dem Franziskanerorden
beigetreten und hatte sich einen Namen als einer
der hervorragendsten Theologen des 15. Jahrhunderts gemacht.
Zeitlebens setzte er sich unter anderem für die Lehre von der
Unbefleckten Empfängnis Mariens ein, als Papst dann 1483 mit
dem vollen Nachdruck seines Amtes durch die Bulle Grave nimis.
1464 wurde er zum Generaloberen seines Ordens, 1467
zum Kardinal ernannt. Mit der Wahl seiner bis dato so vorbildlichen
Person in das höchste Kirchenamt waren große Hoffnungen
darauf verbunden, daß die Reform der Kirche nun konsequent
vorangetrieben würde. Diese Hoffnungen wurden freilich
schwer enttäuscht: Unter Sixtus erreichten der Nepotismus und
die weltlich-kriegerischen Auseinandersetzungen des Vatikans
mit den anderen Mächten in Italien einen neuen Höhepunkt.
Allerdings realisierte Sixtus ein groß angelegtes Erneuerungsprogramm
für Rom, das von der Verbesserung des Straßennetzes
über den Bau eines Hospitals bis zur Renovierung der Kirchen
reichte. Mit seiner Stiftung antiker Statuen auf das Kapitol
begründete er das erste ‹öffentliche Museum›.