lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Die Geburt der Finsternis Thomas Bernhards Roman 'Frost': Entstehung - Wirkung - Interpretation.
Die Geburt der Finsternis
Thomas Bernhards Roman 'Frost': Entstehung - Wirkung - Interpretation.




Matthias Knopik

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826061066 (ISBN: 3-8260-6106-3)
436 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, 2017

EUR 68,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Finsternis ist ein zentraler Begriff im Werk Thomas Bernhards – als thematische Rahmung, aber ebenso als ,hermeneutisches Ereignis‘ innerhalb der Texte, als Verfinsterung von Welt durch Sprache, deren Sogwirkung mit einem unauflösbaren Rätselcharakter korrespondiert. Der Autor widmet sich der Entstehung dieser finsteren Welt. Erstmalig wird Bernhards Debütroman Frost anhand der bisher unveröffentlichten Typoskripte und Entwürfe mit scharfer textkritischer Aufmerksamkeit umfassend ausgewertet und poetologisch erschlossen. Durch minutiöse Beobachtung wird gezeigt, wie Bernhard das zum Topos gewordene Wort der Auflösung durch eine erwartungs- und sinndestabilisierende Sprache konstituiert und so seinem Text ein Gepräge der Entdeutlichung verleiht. Die sich dadurch bei den Roman-Figuren (und Lesern) einstellende Verstörung erstreckt sich auf verschiedene, im späteren Werk immer wiederkehrende Motive wie Krankheit, die Geschwisterbeziehung, das Verhältnis Naturwissenschaft/Kunst, religiöse Symbole, schließlich den Selbstmord, die präzise untersucht werden. Damit wird Frost erstmalig durch ein textkritisches Verfahren und vor dem Hintergrund des Entstehungsprozesses analysiert, die bisherige Forschung kritisch hinterfragt und so ein Einblick in die Bernhardsche Arbeitsweise gewonnen.

Der Autor Dr. Matthias Knopik studierte Neuere Deutsche Philologie und Politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit den Schwerpunkten Hermeneutik, Textkritik und österreichische Literatur. 2012–2014 absolvierte er mehrere Stationen im deutschen Verlagswesen sowie Forschungsaufenthalte im Thomas-Bernhard-Archiv. Seit 2015 arbeitet er bei einem renommierten deutschen Wissenschaftsverlag.
Rezension
Unehelich geboren verbringt Thomas Bernhard wesentliche Teile seiner Kindheit bei den Großeltern in Wien, nach Konflikten mit der wiederverheirateten Mutter in einem nationalsozialistischen Erziehungsheim. Den leiblichen Vater lernt er nie kennen, die Mutter verstirbt 1950 an Krebs. Also heißen Thomas Bernhards Werke entsprechend: hora mortis, Frost, Die Kälte, Verstörung oder Auslöschung. Dem Debüt-Roman FROST wendet sich diese Abhandlung intensiv zu: Finsternis ist ein zentraler Begriff im Werk Thomas Bernhards – als thematische Rahmung, aber ebenso als ,hermeneutisches Ereignis‘ innerhalb der Texte, als Verfinsterung von Welt durch Sprache. - Wie selten bei einem anderen Schriftsteller ist der lebensgeschichtliche Hintergrund seiner Romane und Dramen für das gesamte Werk des österreichischen Schriftstellers Thomas Bernhard (1931-1989), der zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jhdts. zählt, von ausschlaggebender Bedeutung. Literatur ist für ihn Selbstbehauptung, vielleicht sogar einzige Überlebensmöglichkeit. Seine Biographie und entsprechend auch sein Werk sind geprägt von zwei wesentlichen Grunderfahrungen: den abwesenden Eltern und einer lungentuberkulösen Erkrankung.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Gedanken 17

1.1. Fünfzig Jahre Kälte (Einleitung) 17
1.2. Zum Zitieren - eine (leider notwendige) Bestimmung 26
1.3. Über die textkritischen Kapitel 28
1.4. Vorgehen 29

2. Literaturbesprechung 31

2.1. Parabolisches, Metaphorisches: Versuche der Eingliederung 32
2.2. Text>fehler< 34
2.3. Die Klischees 38
2.4. Die Realitäten-Auslegungen 40
2.5. Biographisches - allzu Biographisches 42
2.6. Werk, Wirkung und Werkwirkung 46
2.7. Das Vergleichen 47
2.8. Intertextualität 49
2.9. Die Menge: Selbstzerfall eines Topos 53
2.10. Reflexive Ansätze 53
2.11. Künstler über die Kunst Bemhards 56

3. Die Thesen Wendelin Schmidt-Denglers und die Suche nach einem Zugang 58

3.1. Bekanntes - Erwähntes 59
3.2. Widerstand gegen das Ganze - das Prinzip des Fragments 61
3.3. Widerstand gegen poetischen Einfluss und das Agieren im Auge des Absoluten 65
3.3.1. Die Gedanken Harold Blooms 66
3.3.2. Widerstand gegen die Form: Ist Frost ein Roman? 79
3.4. Widerstand gegen Eindeutigkeit: Gegensätze - Ambivalenzen 83
3.5. Die >Vorstufen< 86
3.5.1. Das vorliegende Material 88
3.5.2. Einordnung 89
3.5.3. Anwendung 92
3.6. Widerstand gegen das Verstehen: Verstehen gegen Verständnis - Dialog gegen Dialogizität 94
3.7. Versuch einer Zusammenfassung - die Entwicklung einer >Grundthese< 98
3.7.1 Dunkelheit 100
3.7.2. Finsternis 102
3.7.3. Poetologische Finsternis 103
3.8. Plötzlichkeit 105
3.9. Der >Inhalt< 110
3.10. Methodischer Überblick 110
3.10.1. Die Sicht des Famulanten aus analytischer Perspektive 110
3.10.2. Die Sicht des Malers aus analytischer Perspektive 114
3.10.3. Letzte Handreichung vor der Analyse 114

4. Mit den Augen des Famulanten 117

4.1. Die Fiktion von Textsorten 117
4.1.1. Was stellt der Text vor? Was will er sein? 117
4.1.2. Alles >ganz privat 4.1.3. Alles >ganz genau 4.1.4. Erzähltempora 128
4.1.5. Konkurrierende Textlichkeit(en) 130
4.2. Schrift und Verschriftlichung 133
4.2.1. »Denn das Aufgeschriebene stimmt nicht«. Kontextueller Sprachzweifel 133
4.2.2. Die Ellisionszeichen, oder die materielle Darstellung des Verschweigens (Textkritik I) 143
4.2.2.1. »Wenn Sie das wollen« - Detailanalyse zum Auslassen 149
4.2.3. Die Wege des Notieren 153
4.2.4. Herausgeberfiktionen in den >Vorstufen< 157
4.3. Zum Ausdruck kommen (können) - die in(n)haltliche Dimension des Verschweigens 165
4.3.1. Das Schreiben der Entronnenen 166
4.3.2. »Darin erstickt er« - der Grund des Rechtfertigen 174
4.3.3. Resümee, Oben und Unten und der Spiegel der Landschaft (Textkritik II) 183
4.4. Momente der Orientierung I: die Seele 187
Unterbrechender Exkurs: die Anführungszeichen: Realisierung des Malerdenkens? (Textkritik III) 189
4.4. Fortsetzung: die Seele 194
4.5. Erwehre Dich des Einflusses: drei Beispiele 197
4.6. Rausch, Strauch und Traum - die Radikalität des Träumens 204
4.7. Die Briefe an den Assistenten Strauch 208
4.8. Das Ende der Famulatur 219

5. Zwei Brüder 224

5.1. Geschwisterkonstellationen im Werk Thomas Bemhards 225
5.1.1. Über das außergewöhnliche Wissen und Wesen des Assistenten 227
5.1.2. Momente der Orientierung II: der Assistent, das Gebirgsmassiv und die Suche nach Festigkeit 240
5.2. Die >serapiontische Verschiebung<: brüderliche außerfleischliche Verbundenheit 247
5.3. Das Motto des Textes 253
5.4. Die Gebrüder Strauch: abschließende Bemerkungen 257

6. Der freie Fall - Maler Strauch 260

6.1. Die Suche nach dem Festen im Flüssigen des Malers
(Momente der Orientierung III) 260
6.2. Bildersprache, oder das Anarchische der Strauchschen Gedankenwelt 264
6.3. Das Dorf 274
6.3.1. Weng: Beglaubigungsort der Malerrede 274
6.3.2. Das Dorf und die Freilegung des Ekels, oder das Poltern des Hundekadavers 281
6.3.2.1. Exkurs: Wahrheit und Lüge im Wengschen Sinn 288
6.3.3. Dorf und Ekel: abschließende Bemerkungen 293
6.4. 6.4.1. Das Physische der Krankheit 299
6.42. Das Psychische der Krankheit 301
6.4.3. Die außerfleischliche Krankheit: eine Annäherung an die Todeskrankheit 305
6.5. Die Krankheit zum Tode 309
6.5.1. Der zweite und der erste Schöpfer 316
6.5.2. Verschlußsache Weng - ein Ort, an dem man nicht suchen würde 320
6.5.3. Das Dorf und die Krankheit: abschließende Bemerkungen 325
6.6. Die Säkularisierung biblischer Motive 327
6.6.1. Vorrede 327
6.6.2. Entgötterte Welt - Topos und Wirklichkeit 330
6.6.3. Das biblische Dorf - oder doch nur Österreich? 336
6.6.4. Biblische Plagen in Weng 338
6.6.5. Der Turmbau zu Babel 346
6.6.6. Die Höllewerdung der Welt 353
6.6.7. Vater unser in der Hölle 360
6.6.8. Das biblische Ausmaß 365
6.7. Die biblischen Motive: abschließende Bemerkungen 371

7. Ausnahme Leben 374

7.1. Pascal (Momente der Orientierung IV) 374
7.1.1. Pascal und Anti-Pascal 374
7.1.2. Überlegungen zur Zahlensymbolik 381
7.1.3. Das Schweigen Pascals: ein gelungener Ablösungsprozess) 386
7.2. Die Kindheit: ein loslösungswürdiger Zustand (Momente der Orientierung V) 393
7.3. Der Tod des Malers 408
7.4. Ende 413

8. Anhang 418

8.1. Verwendete Bernhard-Ausgaben 418
8.2. Verwendete Siglen 420
8.3. Verzeichnis der verwendeten >Vorstufen< 421
8.4. Verwendete Literatur 423