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Albert Schweitzer Facetten einer Jahrhundertgestalt
Albert Schweitzer
Facetten einer Jahrhundertgestalt




Angela Berlis, Hubert Steinke, Fritz von Gunten, Andreas Wagner (Hrsg.)

Verlag Paul Haupt
EAN: 9783258077796 (ISBN: 3-258-07779-7)
308 Seiten, paperback, 16 x 23cm, 2013, 22 Abb.

EUR 27,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Jahr 2013 jährt sich Albert Schweitzers Gründung des Spitals in Lambarene zum hundertsten Mal - ein guter Grund, sich dem Schaffen, der Person und der Rezeption Albert Schweitzers zu widmen. Die Beiträge beleuchten seine theologischen, philosophischen und ethischen Konzepte aus heutiger Perspektive. Schweitzers vielfältiges praktisches Wirken begegnet uns in Beiträgen aus dem Bereich der Medizingeschichte, der Musikologie und der Politologie. Albert Schweitzers Nachwirken als «Megapromi» des 20. Jahrhunderts und «Supergutmensch» wird in unterschiedlichen Beiträgen thematisiert: sein Auftreten und Nachwirken in Medien und Filmen der Populärkultur - seine Rolle als Vorbild und «Übervater» in Pädagogik und Erziehung und deren Demontage - sein Verständnis von «Hilfe» und seine Bedeutung für das heutige «Albert-Schweitzer-Spital» in Lambarene. Die historischen und wechselvollen politischen Zeitumstände, in denen die Familie Schweitzer lebte, werden erhellt in einem Beitrag über Helene Schweitzer Bresslau und ihr Leben für Lambarene.
Rezension
Die Beiträge dieses Buchs vereinigen die Referate einer Vorlesungsreihe des Collegium generale der Universität Bern, das durch Ringvorlesungen für Mitglieder aller Fakultäten regelmäßig Beispiele wissenschaftlicher Arbeit der Universität einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt, im Frühjahrssemester 2013 zum Thema "Albert Schweitzer. 1913-2013 - Hundert Jahre Lambarene". Im Mitelpunkt steht das vielfältige Schaffen, die Person und die Rezeption Albert Schweitzers als bedeutender Theologe, Musiker und Mediziner: insgesamt eine aktuelle, kritische und würdigende Standortbestimmung des Lebens und Wirkens Albert Schweitzers, der mit seinem Bemühen um die sittliche Reifung des Menschen und mit seinem friedenspolitischen Impuls, seinem medizinischen Engagement, seinem musikalischen Interesse und seinen theologischen Studien eine interdiziplinäre Jahrhundertgestalt darstellt.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Beiträge dieses Bandes gehen auf die interdisziplinäre Vorlesungsreihe
des Collegium generale der Universität Bern im Frühjahrssemester 2013
zum Thema Albert Schweitzer. 1913–2013 – Hundert Jahre Lambarene
zurück. Das Collegium generale hat die Aufgabe, den fächerübergreifenden,
interdisziplinären Dialog innerhalb der Universität durch Veranstaltungen
für Lehrende und Studierende zu fördern und in Veröffentlichungen und
Veranstaltungen wie den Ringvorlesungen für Mitglieder aller Fakultäten
und eine breitere Öffentlichkeit exemplarische Beispiele der wissenschaftlichen
Arbeit der Universität zu vermitteln.

Berlis, Angela
Prof. Dr.,
Professur für Geschichte des Altkatholizismus und Allgemeine Kirchengeschichte, Co-Leitung Kompetenzzentrum Liturgik

Steinke, Hubert
Prof. Dr. med. Dr. phil.,

Wagner, Andreas
Prof. Dr.,
Ausserordentlicher Professor für Altes Testament
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7

«Wer kennt Schweitzer nicht?» - Albert Schweitzer als Megaprominenter des 20. Jahrhunderts 15
Jochen Hörisch

Von Vorbildern und Übervätern - Albert Schweitzer als «Supergutmensch»? 39
Friedrich Schweitzer

Albert Schweitzer als Theologe 63
Ulrich Luz

Albert Schweitzers Philosophie der «Ehrfurcht vor dem Leben» und der Friedensgedanke 87
Patricia Rehm-Grätzel

«Ehrfurcht vor dem Leben» - Zur Stellung der Ethik Albert Schweitzers in der ethischen Diskussion der Gegenwart 99
Ulrich H. J. Körtner

Das politische Wirken Albert Schweitzers. «Metapolitisches Verhalten als Politikum» 137
Ulrich Sarcinelli

Albert Schweitzers Konzept von «Hilfe» für Afrika - und die Kritik daran 165
Franz Nuscheler

Albert Schweitzer als Arzt: ein Versuch 177
Hubert Steinke

L'hôpital Albert Schweitzer de Lambaréné, 1913 - 2013 193
Hines Mabika

Helene Schweitzer Bresslau - Ein Leben für Lambarene 229
Verena Mühlstein

Albert Schweitzer als Musikforscher und als Musiker 265
Hans-Joachim Hinrichsen

Albert Schweitzer als Organist 291
Daniel Claus

Autorinnen und Autoren, Herausgeberin und Herausgeber 305




Vorwort
Im Jahr 2013 jährt sich Albert Schweitzers Gründung des Spitals in Lambarene
zum hundertsten Mal – ein guter Grund, sich dem Schaffen, der Person
und der Rezeption Albert Schweitzers heute zu widmen. Die folgenden
Beiträge beleuchten seine theologischen, philosophischen und ethischen
Konzepte aus heutiger Perspektive; Schweitzers vielfältiges praktisches
Wirken begegnet uns in Beiträgen aus dem Bereich der Medizingeschichte,
der Musikologie und der Politologie. Albert Schweitzers Nachwirken als
«Megapromi» des 20. Jahrhunderts und «Supergutmensch» wird in unterschiedlichen
Beiträgen thematisiert: sein Auftreten und Nachwirken in
Medien und Filmen der Populärkultur; seine Rolle als Vorbild und «Übervater
» in Pädagogik und Erziehung und deren Demontage; sein Verständnis
von «Hilfe» und seine Bedeutung für das heutige «Albert-Schweitzer-
Spital» in Lambarene. Die historischen und wechselvollen politischen Zeitumstände,
in denen die Familie Schweitzer lebte, werden erhellt in einem
Beitrag über Helene Schweitzer Bresslau und ihrem Leben für Lambarene.
Jochen Hörisch widmet sich in seinem Beitrag «‹Wer kennt Schweitzer
nicht?› Albert Schweitzer als Megaprominenter des 20. Jahrhunderts» der
Rezeptionsgeschichte der «Figur» Schweitzer. «The Greatest Man in the
World» lautete zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Titel
eines Berichts in der Zeitschrift «Life» über ihn. 1963 hatte sich die Welt
wieder einmal gründlich geändert. Die französische Kolonie Äquatorial-
Afrika, in der Schweitzers berühmtes Hospital liegt, war seit drei Jahren
unabhängig; die Berliner Mauer war zwei Jahre alt, die Kubakrise kein Jahr
vorüber; die ersten Songs der Beatles betönten und betörten den Globus –
und das Konkurrenzblatt von «Life», die Zeitschrift «Time», titelte: «Albert
Schweitzer: An Anachronism». Die Medienpräsenz des Megaprominenten
war geblieben, hatte sich aber stark verändert.
8 Angela Berlis, Hubert Steinke, Fritz von Gunten, Andreas Wagner
Friedrich Schweitzer widmet sich der Rolle Schweitzers in Erziehung
und Pädagogik:
«Von Vorbildern und Übervätern – Albert Schweitzer als ‹Supergutmensch›?
» Der Beitrag fragt nach Albert Schweitzer als Vorbild, aus dem
ein Übervater und gar ein «Supergutmensch» gemacht werden konnte. Er
untersucht die Entstehung sowie die Voraussetzungen dieses Vorbilds und
den späteren Bildersturm, den es in Afrika, aber auch in der westlichen
Kritik vor allem seit den 1960er Jahren ausgelöst hat. Daraus ergibt sich die
Frage, ob heute überhaupt noch Vorbilder gefragt sind. Am Ende schlägt
der Autor vor, von einem «gebrochenen Mythos» her neue und vorsichtigere
Zugänge zu Albert Schweitzer zu suchen.
Ulrich Luz arbeitet in seinem Beitrag «Albert Schweitzer als Theologe»
sein theologisches Profil heraus. Seine These lautet: Albert Schweitzer hat
nicht seiner Theologie den Abschied gegeben und ist als Arzt in den Urwald
gegangen, sondern er hat dies als Theologe getan und ist zeitlebens Theologe
und Philosoph geblieben. Luz behandelt Schweitzers Jesusfrömmigkeit und
seine Sicht Jesu, danach Paulus als selbständigen Denker und Mystiker und
schliesslich Schweitzers eigene Theologie. Er verstand sich als Jesusnachfolger
und seine Tätigkeit in Afrika als Akt der Sühne (für den Kolonialismus)
und als Einsatz des eigenen Lebens im Dienste am Reiche Gottes. Darin
folgte er Jesu Beispiel, mit dem ihn eine «Mystik» des Willens verbindet.
Wie Paulus verstand Schweitzer sich als selbständiger christlicher Denker,
der das Christentum verändert. Zu dem, was er preisgibt, gehören nicht
nur die Erwartung eines überweltlichen Reiches Gottes und die kirchlichen
Dogmen, sondern auch ein personales Gottesverständnis. Gott ist
unendliches Leben.
«Albert Schweitzers Philosophie der ‹Ehrfurcht vor dem Leben› und der
Friedensgedanke» stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Patricia Rehm-
Grätzel. Sie war freundlicherweise bereit, anstelle von Stephan Grätzel einen
Beitrag aus der Sicht der Praktischen Philosophie zu liefern. Als Philosoph
wird Schweitzer bis heute von der akademischen Philosophie ignoriert.
Dabei hatte er in seiner akademischen Laufbahn zuerst mit einer umfangreichen
Arbeit über die Religionsphilosophie Kants promoviert. Auch
Vorwort 9
in seinem späteren Leben stellte die Philosophie den Grundstock seines
humanitären Wirkens dar. Sie soll den Unterschied zwischen dem ethischen
Handeln und den sonstigen Tätigkeiten des Menschen aufdecken
und darlegen, warum allein ethisches Handeln den Menschen frei machen
kann. Schweitzer wollte als Philosoph eine Lebensphilosophie bieten, die
nicht nur für einen Teil der Bevölkerung gilt, sondern die ganze Weltbevölkerung
anspricht und verständlich sein soll. Er fand sie in seiner Ethik der
«Ehrfurcht vor dem Leben», auf die er auch seinen Kampf für den Frieden
in der Welt gründet.
Im Beitrag, «‹Ehrfurcht vor dem Leben› – Zur Stellung der Ethik Albert
Schweitzers in der ethischen Diskussion der Gegenwart», kommt Ulrich
Körtner – ähnlich wie Rehm-Grätzel für ihr Fach – im Hinblick auf die
wissenschaftliche Rezeption von Schweitzers Denken zu einer vergleichbar
ernüchternden Bilanz: Schweitzer, der Humanist und Menschenfreund,
war zwar ein grosses Vorbild, er spielt jedoch für die wissenschaftliche Ethik
bestenfalls die Rolle eines Stichwortgebers. Allerdings gibt es seit dem Ende
der 1970er-Jahre Bemühungen, den Theologen Albert Schweitzer, der von
der Dialektischen Theologie als Exponent liberaler Theologie kritisiert
wurde, zu rehabilitieren. Auch findet er im Rahmen heutiger Bemühungen
um eine Schöpfungsethik Beachtung. Ein wesentlicher Grund für die
mangelnde Rezeption liegt Körtner zufolge in der Unabgeschlossenheit seiner
Theorie und ihrer inneren Aporien. Dennoch gibt Schweitzer wichtige
Denkanstösse, die auch für heutige Ethikdiskurse bedeutsam sind. So kann
er als Pionier einer ökologischen wie einer interkulturellen bzw. transkulturellen
Ethik interpretiert werden.
Albert Schweitzer war weder ein «homo politicus» noch ein politischer
Akteur im eigentlichen Sinne. Dennoch hat er in verschiedener Weise Einfluss
genommen: mit seinem friedenspolitischen Engagement, als eine Art
personifiziertes Weltgewissen, aber auch als Grenzgänger und politisch
Heimatloser in der Folge der System- und Nationalitätenwechsel, die er
erlebt hat. Ihm ging es weniger um Fragen des praktischen Politikbetriebs,
als vielmehr um die sittliche Reifung des Menschen. Seine Überlegungen
zu den vorpolitischen und politisch-kulturellen Grundlagen staatlicher
10 Angela Berlis, Hubert Steinke, Fritz von Gunten, Andreas Wagner
Gemeinwesen und zu praktischer Politikgestaltung, die er in «Wir Epigonen
» anstellte, haben in seinem späteren öffentlichen Handeln allerdings
keine erkennbare Rolle gespielt. Seine Skepsis gegenüber der modernen
Massendemokratie hat der Bürgersohn kaum öffentlich geäussert. In seinem
Beitrag, «Das politische Wirken Albert Schweitzers. ‹Metapolitisches
Verhalten als Politikum›», bescheinigt Ulrich Sarcinelli dem universal
gebildeten Urwaldarzt, dem Kulturphilosophen und Theologen Schweitzer
einen kulturphilosophisch hohen Anspruch an politische Gemeinwesen
und an sittliche Lebensführung. Seine Hoffnung auf die «sittliche(n)
Endvollendung der gesamten Menschheit» (Schweitzer 1974) erscheint ihm
allerdings, politisch gesehen, «nicht mehr ganz von dieser Welt» zu sein.
Die «Ehrfurcht vor dem Leben» bleibt Schweitzers geistiges und geistliches
Vermächtnis; als Massstab individueller Lebensführung und verantwortlicher
Politikgestaltung ist sie gleichermassen anspruchsvoll.
Mit seinem Beitrag, «Albert Schweitzers Konzept von ‹Hilfe› für Afrika
– und die Kritik daran», greift Franz Nuscheler die entwicklungspolitische
Diskussion um Schweitzers Wirken auf. Ähnlich wie bereits Ulrich Luz
weist auch Nuscheler darauf hin, dass Schweitzer sein missionsärztliches
Engagement in Afrika als Akt tätiger Humanität und als Sühne für die
Untaten des europäischen Kolonialismus begründete. Dessen zivilisatorische
Mission würdigte Schweitzer zwar häufig, blieb allerdings kolonialistischen
Denkmustern verhaftet, die Afrikaner als «primitive Völker»,
bestenfalls als «jüngere Brüder» der grossen «weissen Brüder» betrachteten
und behandelten. Schweitzers Konzept von «Hilfe» war weit entfernt von
«Hilfe zur Selbsthilfe», die bald zum allgemein akzeptierten Sinn und Zweck
der «Entwicklungshilfe» wurde. Es waren afrikanische Intellektuelle, die
gegen Bevormundungen im Namen von «Entwicklungshilfe» rebellierten;
auch im Norden häuften sich die Attacken gegen das Verbrämen aussenpolitischer
und aussenwirtschaftlicher Interessen hinter karitativen Werbekampagnen.
Hier fand der «Supergutmensch» Schweitzer wenig Gnade.
Das Konzept von «Hilfe» als ethisch gebotener Akt der Nächstenliebe und
als Sühne ist nach Meinung des Autors als Konzept für eine partnerschaftliche
Entwicklungszusammenarbeit überholt und ungeeignet.
Vorwort 11
Jeder Versuch, sich «Albert Schweitzer als Arzt» zu nähern, muss genau
das bleiben: ein Versuch, da derzeit eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung
zu Schweitzers Wirken als Arzt in Lambarene (noch) fehlt. Einerseits
vermitteln Schweitzers eigene Schilderungen und die seiner zahlreichen
Mitarbeiter ein meist ungebrochen positives und unkritisches Bild des grossen
Doktors. Andererseits beschreiben dezidierte Kritiker Schweitzer als
paternalistischen, narzisstischen und arroganten Kolonialisten, der ein veraltetes,
dreckiges Spital von fragwürdigem Nutzen führte. Hubert Steinke
versucht in seinem Beitrag eine Annäherung an das Phänomen «Schweitzer
als Arzt» und beleuchtet dabei Schweitzers Weg, seine medizinische Ausbildung,
seine konkrete Tätigkeit als Arzt und Spitaldirektor sowie die diagnostische
und therapeutische Praxis und deren Veränderung in Lambarene.
Der Beitrag von Hines Mabika über «L’hôpital Albert Schweitzer de
Lambaréné, 1913 – 2013» beschäftigt sich ganz handgreiflich ebenfalls mit
Schweitzers Vermächtnis. Der Autor porträtiert das Hospital in Lambarene
zunächst als Symbol der afrikanisch-westlichen Begegnung im 19. und 20.
Jahrhundert und zeichnet sodann in vier Phasen seine Entwicklung von den
Anfängen in einer Scheune bis zur Gegenwart als internationales Lehrspital
nach. Dabei geht der Autor der Bedeutung des Konzepts eines «Dorfhospitals
» für Albert Schweitzer und für die gabunische Bevölkerung nach.
Verena Mühlstein stellt Helene Schweitzer Bresslau ins Zentrum:
«Helene Schweitzer Bresslau – Ein Leben für Lambarene.» Auch wenn das
gemeinsame Werk in Lambarene immer im Mittelpunkt ihres Lebens stand,
verdient Helene Schweitzer Bresslau nicht nur als Partnerin Albert Schweitzers
Aufmerksamkeit, sondern als eigenständige Persönlichkeit. Anhand
von zum grossen Teil unveröffentlichten Tagebüchern und Briefen wird das
Leben dieser bedeutenden Frau erzählt. Helene Schweitzer Bresslau gehörte
zu den ersten Studentinnen in Deutschland und war als eine der ersten
Sozialarbeiterinnen massgeblich am Aufbau einer modernen Sozialarbeit
in Strassburg beteiligt. In den 55 Jahren ihrer Freundschaft und Ehe mit
Albert Schweitzer war sie ihm eine unentbehrliche Hilfe bei seinen philosophischen
und theologischen Arbeiten. Ihr Anteil an seiner geistigen Entwicklung
darf nicht unterschätzt werden. Sie war die Erste und lange Zeit die
12 Angela Berlis, Hubert Steinke, Fritz von Gunten, Andreas Wagner
Einzige, die seinen Entschluss, eine wissenschaftliche Karriere zugunsten
einer Arbeit als Arzt im Urwald aufzugeben, unterstützt hat. Der Aufbau des
Spitals in Lambarene und die ersten Jahren in Afrika waren sicherlich der
wichtigste Abschnitt ihres Lebens. Darüber hinaus ist Helene Schweitzer
Bresslaus Leben paradigmatisch für eine junge Frau aus dem assimilierten
jüdischen Bürgertum. Es ist ein Spiegel der Zeitgeschichte, in dem nicht nur
die geistigen und sozialen Auseinandersetzungen sichtbar werden, sondern
auch die grossen Brüche des 20. Jahrhunderts.
Hans-Joachim Hinrichsen betrachtet «Albert Schweitzer als Musikforscher
und als Musiker». Er zeigt Schweitzers Bedeutung als Musiker und
Musikwissenschaftler, insbesondere für die moderne Bach-Rezeption, auf,
indem er zunächst sein Bach-Projekt in den politischen, historischen und
ästhetischen Kontext seiner Zeit einordnet, es anschliessend exemplarisch
vorstellt und schliesslich dessen kultur- und wissenschaftsgeschichtliche
Wirkung darlegt. Schweitzer verstand Musik als autonome Kunst, sie war
eine der tragenden Säulen seines Weltbildes. Er interpretierte sie praktisch
als theologisch informierter und philosophisch gebildeter Musiker; seine
theoretisch-wissenschaftliche Bachrezeption in Monographien, kommentierten
Editionen Bachscher Orgelwerke und zahlreichen Vorträgen sind
zudem ein bedeutender Beitrag zum deutsch-französischen Kulturaustausch.
Der vorliegende Band ist aus einer fachübergreifenden Vorlesungsreihe
des Collegium generale der Universität Bern im Frühjahrssemester 2013
entstanden. Den Abschluss der Vorlesungsreihe bildete ein Orgelkonzert
im Berner Münster, bei dem Daniel Glaus «Albert Schweitzer als Organisten
» zunächst kurz vorstellte und anschliessend eine Auswahl aus den
Werken von Bach, Widor und Franck vortrug, die Schweitzer bei seinen drei
Konzerten in Bern in den Jahren 1921, 1928 und 1936 gespielt hatte. Diese
Konzerte gehörten zu Schweitzers Konzertreisen in Europa und durch die
Schweiz, mit denen er Geld und Spenden für sein Hospitalprojekt einspielte.
Der Beitrag von Daniel Glaus enthält Schweitzers eigene Erläuterungen zu
den gespielten Stücken.
Vorwort 13
An der Vorbereitung der Vorlesungsreihe haben mitgewirkt: Prof. Dr.
Angela Berlis (Abteilung 1, Departement für Christkatholische Theologie),
Prof. Dr. Anselm Gerhard (Institut für Musikwissenschaft), Prof. Dr.
Torsten Meireis (Institut für Systematische Theologie am Departement für
Evangelische Theologie), Prof. Dr. Hubert Steinke (Institut für Medizingeschichte),
Prof. Dr. Andreas Wagner (Institut für Bibelwissenschaft am
Departement für Evangelische Theologie), lic. theol. VDM Sara Zwahlen
und Sara Bloch, beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Collegium
generale. Frau Barbara Kindler (Sekretariatsleitung, Collegium generale)
hat organisatorisch zum Gelingen der Abende wesentlich beigetragen.
Der vorliegende Sammelband versteht sich als eine aktuelle, kritische
und würdigende Standortbestimmung des Lebens und Wirkens Schweitzers.
Er erscheint im Haupt Verlag, der einst Schweitzers Erstling «Zwischen
Wasser und Urwald» als erster veröffentlicht hat. Wir danken dem Verleger
Matthias Haupt und Frau Elisabeth Homberger für die gute Zusammenarbeit,
sowie Res von Gunten für die Gestaltung des Buches. Unser Dank
gilt Fritz von Gunten, Vorstandsmitglied des Schweizer Hilfsvereins für das
Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene und Projektkoordinator Jubiläumsjahr,
der mit einem Telefonanruf vor einigen Jahren diese Reihe initiiert hat.
Wir danken auch dem Publikum, das diese Vorlesungsreihe durch seine
Anwesenheit und seine rege Beteiligung engagiert mitgetragen hat. Viele
der Anwesenden hatten eine Beziehung zu Schweitzer, zu seiner Familie
oder zu Lambarene. Wir freuen uns, Ihnen als geschätzter Leserin und
geschätztem Leser dieses Buch zu übergeben.
Angela Berlis
Hubert Steinke
Fritz von Gunten
Andreas Wagner