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Abwesende Väter und Kriegskindheit Alte Verletzungen bewältigen
Abwesende Väter und Kriegskindheit
Alte Verletzungen bewältigen




Hartmut Radebold

Klett-Cotta
EAN: 9783608946338 (ISBN: 3-608-94633-0)
261 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 16 x 24cm, 2010

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Schreckenserlebnisse des Zweiten Weltkrieges und die direkte Nachkriegszeit prägten die Kindheit zahlreicher Menschen. Äußerlich meist unversehrt, erlebten sie tiefgreifende familiäre Veränderungen und eigene Entwicklungsschwierigkeiten - insbesondere aufgrund der physischen oder psychischen Abwesenheit ihrer Väter. Ein Viertel aller Kinder wuchs damals vaterlos auf.

Die Auswertungen von zehn langfristigen Psychoanalysen Betroffener ermöglichten es Hartmut Radebold im Jahre 2000 erstmals, die weitreichenden Folgen für die Lebenssituation dieser heute 50- bis 65-Jährigen zu beschreiben. Selbst betroffen, gelingt es dem Autor mit seinen Patienten gefühlsmäßigen Zugang zu ihrer abgewehrten und verleugneten Kriegs-Kindheitsgeschichte zu finden und befriedigende Lebensmöglichkeiten zu erkunden. Seine Nachuntersuchung im Herbst 2009 verdeutlicht weitere entscheidende Bewältigungsmöglichkeiten dieser frühen Verlusterfahrungen und Verletzungen sowie - unterschiedlich für Männer und Frauen - anstehende Entwicklungsaufgaben.



Hartmut Radebold, Prof. em. Dr. med., geb. 1935, ist Psychiater und Psychoanalytiker und hatte von 1976 bis 1997 den Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Universität Kassel inne. Er gründete 1978 die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Angewandte Soziale Gerontologie (ASG) und leitete bis 2008 das Lehrinstitut für Alterspsychotherapie in Kassel.
Rezension
Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen 2,5 Mio. Kinder und Jugendliche (1/4 aller Kinder und Jugendlichen!) als Halbwaisen auf Dauer ohne Vater auf, anderen fehlte der Vater über viele Jahre (z.B. durch Kriegsgefangenschaft). Zugleich erlebte diese Generation traumatisierende Erfahrungen als Kriegskinder. Dieses Buch (eines selbst betroffenen Autors), das jetzt in 4. Aufl. erscheint, beschreibt systematisch anhand von zehn psychoanalytischen Fallbeispielen (6 Männer / 4 Frauen der Jahrgänge zwischen 1935 und 1947) die lebenslangen Folgen auf die Entwicklung und Identitätsbildung der Betroffenen incl. bestehender Behandlungsmöglichkeiten. Hier wird nicht nur das generelle langanhaltende Schweigen dieser Jahrgänge über ihre zeitgeschichtlichen Erfahrungen deutlich ...

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Sogar während des Alterns können frühe Verlusterfahrungen und Verletzungen noch bewältigt werden.
»Kriegskinder« leiden noch heute unter der fehlenden oder spannungsvollen Beziehung zu ihren Vätern – diese waren umgekommen oder vermisst oder nach ihrer Rückkehr krank, apathisch und kaum mehr zugänglich für ihre Söhne und Väter. Radebold verdeutlicht, wie hilfreich sich eine psychotherapeutische Behandlung noch im späteren Erwachsenenalter auswirken kann.
Die Schreckenserlebnisse des Zweiten Weltkrieges sowie die Nachkriegszeit prägten die Kindheit von vielen tausend Menschen. Äußerlich meist unversehrt wurden sie mit den tief greifenden familiären Veränderungen konfrontiert, die sich vor allem durch die physische oder psychische Abwesenheit der Väter einstellten. Welche Folgen hatte dies für den Entwicklungsverlauf der Kinder und bis zum heutigen Tag?
Auf Basis der Auswertungen von zehn langfristigen Psychoanalysen von heute 50- bis 65-Jährigen vermittelt Hartmut Radebold ein Verständnis für das Ausmaß und die Auswirkungen dieser frühen Belastungen. Vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen seiner Kriegskindheit gelingt es dem Autor, seinen Patienten zu helfen, indem er sich ihrem Leid empathisch öffnete und ihre Gefühle spiegelte.

Hartmut Radebold, geboren 1935, Univ. Prof. emer., Dr. med., ist Psychiater und Psychoanalytiker und hatte von 1976 bis 1997 den Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Universität Kassel inne. Er gründete 1978 die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Angewandte Soziale Gerontologie (ASG) und leitete bis 2008 das Lehrinstitut für Alterspsychotherapie in Kassel. Er gilt als Begründer und »Nestor der deutschsprachigen Psychotherapie Älterer« (PSYCHE).
Zuletzt beschäftigte er sich mit dem Thema »Abwesende Väter und Kriegskindheit – langanhaltende Folgen in Psychoanalysen«.
Er ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift »Psychotherapie im Alter«.
Er hält regelmäßig Vorträge und tritt im Rundfunk und Fernsehen auf.
(www.alternspsychotherapie.de)
Inhaltsverzeichnis
Aktuelle Vater-Meldungen 2008/2009 9

Einführung 11

Was geschah damals? 15

Verluste, Gewalterfahrungen, Flucht und Vertreibung 15
Jahrgangsspezifische zeitgeschichtliche Erfahrungen 19
Kriegsbedingte Abwesenheit des Vaters und Kriegskindheit - warum ist uns das so wenig bewusst? 26

Biografien, Behandlungen und weitere Entwicklungen der Patientinnen und Patienten 56

Herr Geismann (geb. 1938) 56
Frau Carlberg(geb. 1935) 65
Herr Rabenstein (geb. 1946) 73
Herr Dietmar (geb. 1939) 79
Frau Anna (geb. 1945) 83
Frau Wagner(geb. 1944) 92
Herr Larmek (geb. 1940) 98
Herr Kilian (geb. 1946) 104
Herr Gochsheimer (geb. 1947) 108
Frau Kurzweg (geb. 1943) 114

Warum suchten sie erst im mittleren Erwachsenenalter eine Behandlung? 121

Hartmut Radebold - das (Kriegs-)Kind hinter der Couch (geb. 1935) 124

Zur Erkrankungsgenese 149

Defizitäre Lebenssituation 149
Abwesende Väter 150
Die Mütter 152
Mögliche protektive Einflüsse 153
Zur Entstehung der jetzigen Störungen 153

Zur Diagnose 159

Die Psychoanalysen der in der Kriegs- und Nachkriegszeit Aufgewachsenen 164

Behandlungsverlauf 164
Die lebenslang innerlich abwesenden Väter 174
Zur Rekonstruktion der Biografie: notwendige Fragen 176

Damalige Väter 178

Der Beitrag des Vaters zur Entwicklung und Identität 179
Damalige Chancen, den Vater kennenzulernen 184

Die abwesenden Väter - ein Systematisierungsvorschlag 187

Behandlungsergebnisse 1999 aus der Sicht des Psychoanalytikers 190

Zum Älterwerden für Betroffene 196

Anstehende Entwicklungsaufgaben 196
Mögliche Bedrohungen 200
Psychotherapie: Weiterhin möglich und weiterhin nötig? 202

Kriegsbedingte Abwesenheit des Vaters und Kriegskindheiten - bewältigbare Folgen? 207

Angetroffene Folgen 207
Nachuntersuchung 2009: Ergebnisse, Diskussion 211

Neue Väter - woher nehmen sie dafür ihre Kompetenz? 220

Zeitgeschichtlich denken - die Aufgabe bleibt 226

Wir brauchen weiteres Wissen 228

Dank 231
Anmerkungen 233
Literatur 239